Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4573 18.11.2015 (Ausgegeben am 19.11.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen der Landesregierung zur Unterstützung der Milchviehbetriebe Kleine Anfrage - KA 6/8957 Vorbemerkung des Fragestellenden: Heute liegen die Milcherzeugerpreise mit 26 Cent/Liter weit unter auskömmlichen Erzeugungskosten , die EU-weit von mehreren Stellen (z. B. Milk Board, DLG) durchschnittlich mit rund 45 Cent/Liter angegeben werden. Das bedeutet, dass viele Betriebe entweder schon aufgegeben haben oder sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen will die Landesregierung den sachsenanhaltischen Milchviehbetrieben mit verschiedenen Maßnahmen helfen. Nach öffentlichen Bekundungen setzt die Landesregierung weiterhin auf Exporte in Länder außerhalb der EU und lehnt eine an den europäischen Markt angepasste Mengenregulierung ab. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Wie viele Milchviehbetriebe gibt es aktuell in Sachsen-Anhalt? Zum Stichtag 15. Mai 2015 haben 481 Milchviehbetriebe einen Antrag auf Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung gestellt. 2. Wie viele Milchviehbetriebe haben seit Juli 2014 ihre Milch-Produktion eingestellt? Die Einstellung der Milchproduktion ist nicht meldepflichtig. Die Erhebungen der amtlichen Statistik erfolgen in mehrjährigen Zyklen. Eine Datenquelle, die gewisse Anhaltspunkte für die Einstellung der Milchproduktion geben kann, sind die Anträge auf Beihilfen im Rahmen der Betriebs- 2 prämienregelung. Zum Stichtag 15. Mai 2015 war die Zahl der Betriebe gegenüber dem Stichtag 15. Mai 2014 um 30 Betriebe geringer. 3. Die Landesregierung will Liquiditätsengpässe der Betriebe mit der Stundung von Steuern überbrücken. Für Juli 2013 bis Juni 2014 sind die Steuern bereits bezahlt. Für das Wirtschaftsjahr 2014/2015 nimmt der Bauernverband aufgrund der niedrigen Erzeugerpreise einen Verlust von 1.000 Euro pro Kuh an, sodass keine Steuern anfallen dürften. Wie kann eine Steuerstundung für Steuern, die nicht fällig werden, die Liquidität erhöhen? Maßnahmen, die eine Liquiditätserhöhung bewirken können, sind die Herabsetzung von Vorauszahlungen und Stundungen. Es geht vorrangig um die Einkommensteuer für das Jahr 2014 und die Einkommensteuervorauszahlungen für 2015. Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer, die jeweils für ein Kalenderjahr festgesetzt wird. Wegen des in der Landwirtschaft vom Kalender abweichenden Wirtschaftsjahres (Rechnungsjahr) gehen in die Ermittlung des Einkommens in einem Kalenderjahr die Gewinne zweier Wirtschaftsjahre ein. Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer im Kalenderjahr 2014 sind die Wirtschaftsjahre 2013/2014 und 2014/2015. Das letztgenannte Wirtschaftsjahr endete mit Ablauf des 30. Juni 2015. Die Frist zur Abgabe der Steuererklärung 2014 für Land- und Forstwirte, die den Gewinn nach einem von dem Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet nicht vor dem 30. November 2015. Unter Berücksichtigung der Bearbeitungszeit für den Jahresabschluss und die Steuererklärung durch das Unternehmen bzw. dessen Steuerberater und für den Steuerbescheid durch die Finanzverwaltung erfolgt die Festsetzung der Einkommensteuer frühestens im Verlauf des ersten Quartals 2016. Eine schnellere Festsetzung der Steuer ist grundsätzlich möglich, wenn der Land- und Forstwirt die Steuererklärung unmittelbar nach dem Ende des Wirtschaftsjahres 2014/2015 abgibt. Wegen der für die Aufstellung des Jahresabschlusses erforderlichen Bearbeitungszeit und der hohen Auslastung der landwirtschaftlichen Buchstellen und der Steuerberater ist eine Abgabe der Einkommensteuererklärung im vierten Quartal 2014 und damit eine Steuerfestsetzung noch in 2014 nahezu ausgeschlossen. Steuerpflichtige Land- und Forstwirte haben am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten . Die Höhe der Vorauszahlung richtet sich nach der für den vorhergehenden Veranlagungszeitraum festgesetzten Steuer. Die Höhe der Steuervorauszahlungen für das Kalenderjahr 2014 richtet sich somit nach der Höhe der für das Jahr 2013 festgesetzten Einkommensteuer. Eine Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlung ist unter Beachtung der allgemeinen Voraussetzungen möglich und wirkt sich daher positiv auf die Liquidität der Betriebe aus. Die Finanzämter des Landes Sachsen-Anhalt entscheiden über die Anträge nach pflichtgemäßem Ermessen. 3 Über eine Stundung fälliger Steuern ist in jedem Einzelfall unter Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen unter Einbeziehung der aktuellen Situation der Milchproduzenten nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden Dabei sind die allgemeinen Voraussetzungen für eine persönliche und/oder sachliche steuerliche Billigkeitsmaßnahme zu berücksichtigen. Bei nicht fälligen Steuern stellt sich die Frage einer Stundung nicht. Denn durch eine Stundung wird die Fälligkeit einer Steuer hinausgeschoben. Sofern der Land- und Forstwirt einen Verlust im Kalenderjahr 2014 erzielt, erfolgt ohne Antrag ein Rücktrag des Verlusts in das Kalenderjahr 2013. Dies führt ggf. zu einer Steuererstattung, welche die Liquidität erhöht, soweit der Land- und Forstwirt für das Kalenderjahr 2013 Steuern gezahlt hat. 4. Die Landesregierung bietet den Milchviehbetrieben zur Überbrückung ihrer Liquiditätsengpässe an, ihre im Eigentum befindlichen landwirtschaftlichen Nutzflächen mit einer Rückkaufoption an die Landgesellschaft zu verkaufen und dann von der Landgesellschaft zu pachten. Wie oft hat die Landgesellschaft in ihrem 25-jährigen Bestehen so ein Verkaufs -Verpachtungs-Geschäft durchgeführt? In wie vielen Fällen ist die Fläche an die Eigentümerin/den Eigentümer durch Rückkauf zurückgegangen ? Wer zahlt die Kosten für die Abwicklung von Verkauf und Rückkauf (für Grunderwerbssteuer, Notar usw.)? Für welchen Zeitraum ist der Rückkauf gesichert? Welche Preise werden für den Kauf und welche für den Rückkauf zugrunde gelegt? Wie viele Milchviehbetriebe haben dieses Angebot bereits genutzt? Seit Bestehen der Landgesellschaft mbH wurden in fünf Fällen (keine Milchviehbetriebe ) Flächen an die Landgesellschaft verkauft und zurückgepachtet. Davon hat bisher ein Unternehmen die entsprechenden Flächen wieder zurückgekauft . Die Landgesellschaft bereitet derzeit für einen Milchviehbetrieb den Konsolidierungskauf mit der Möglichkeit einer Rückpacht vor. Die Flächen sollen zum derzeitigen Marktwert erworben werden. Die Kosten der Abwicklung des Ankaufs (Grunderwerbsteuer, Notargebühren, ggf. weitere Kosten) trägt die Landgesellschaft . Der Rückkauf soll in sieben Jahren erfolgen. Es ist vorgesehen, dass der Landwirt die Flächen nach Ablauf der Vorhaltefrist zuzüglich der Nebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notargebühren usw.) zu dem Preis zurückerwirbt, zu dem er sie an die Landgesellschaft verkauft hat. 5. Die Landesregierung will Liquiditätsengpässe der Betriebe mit Bürgschaften für Kredite überbrücken. Wird das Land auch Bürgschaften für solche Betriebe geben, die bei Banken als nicht kreditwürdig gelten? In welchem Zeitraum sollen die Kredite (nebst Zinsen und weiteren Kosten) zurückgezahlt werden? Wie hoch muss nach Einschätzung der Landesregierung der Milcherzeugerpreis sein, damit die Betriebe eine Rückzahlung leisten können? Bitte Preis oder eine Preisspanne in Cent pro Liter Milch angeben. Was tut die Landesregierung, damit dieser Erzeuger-Milchpreis realisiert werden könnte? 4 Für Unternehmen, die mangels Sicherheiten nicht kreditwürdig sind, kann eine Bürgschaft übernommen werden. Bürgschaften nach dem Programm der Investitionsbank Land und Forst Sachsen-Anhalt werden als Ausfallbürgschaften mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren gewährt. Die Gewinne der Milchvieh haltenden Betriebe weisen eine große Streubreite auf. Die Rückzahlungsmöglichkeiten sind betriebsindividuell von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. 6. In welcher Weise können die unter den Fragen 3 bis 5 beschriebenen Maßnahmen eine Vorbereitung auf eine zukünftige Milchkrise sein? Sind die Maßnahmen geeignet, um den Milchmarkt wirksam zu stabilisieren und zukünftigen Einbrüchen bei den Erzeugerpreisen wirksam vorzubeugen? Die in den Fragen 3 bis 5 beschriebenen Maßnahmen dienen der Minderung der Folgen der bestehenden Krise auf dem Milchmarkt für landwirtschaftliche Betriebe. 7. Wo sieht die Landesregierung Ansatzpunkte oder Instrumente, damit die Marktposition der Milcherzeuger gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel gestärkt werden kann? In welcher Form gibt es Marktbeziehungen zwischen den beiden Akteuren? Direkte Marktbeziehungen zwischen Milcherzeugern und dem Lebensmitteleinzelhandel bestehen nicht oder nicht in einem die Bildung des Preises für Rohmilch beeinflussenden Umfang. Dies ist auch künftig nicht zu erwarten. Eine Verbesserung der Marktstellung der Landwirte kann daher nur mittelbar durch eine Verbesserung der Marktstellung der Molkereien gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und der Landwirte gegenüber den Molkereien erreicht werden . 8. Die EU wird Deutschland mit knapp 70 Millionen Euro zur Bewältigung der Milchmarktkrise unterstützen - rein rechnerisch und gemittelt über alle Milchviehbetriebe wären das 1.000 Euro pro Betrieb. Wie bewertet die Landesregierung die EU-Hilfe vor dem Hintergrund, dass etliche Betriebe im Wirtschaftsjahr 2014/2015 mit sechsstelligen Euro-Verlusten konfrontiert sind? Mit welcher Position wird sich die Landesregierung bei der Festlegung der Modalitäten zur Mittelvergabe der EU-Gelder einbringen, damit diese Gelder tatsächlich Wirkung zur Behebung von Liquiditätsengpässen entfalten können? Aktuell werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Vorbereitungen zur Durchführung des Deutschen Liquiditätshilfeprogramms für Milch- und Fleischerzeuger zur Verteilung der aus dem EU-Hilfspaket für Deutschland zur Verfügung stehenden 69,2 Mio. Euro getroffen. Das Verfahren wird von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) umgesetzt. Eine Regionalisierung der Mittel ist nach EU-Recht unzulässig. 5 9. Was spricht vor dem Hintergrund der globalen Probleme - wie Klimakrise und dem damit verbundenen Erfordernis zur Reduzierung von Transporten, wie Regenwaldabholzung und Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen für den Futtermittelanbau in Ländern des globalen Südens, wie der unsicheren Lage auf den Exportmärkten - für die Landesregierung gegen eine an den europäischen Bedarf angepasste Milchproduktion , die einen auskömmlichen Milcherzeugerpreis ermöglichen würde? Die Erfahrungen mit der bis 1992 in der EU praktizierten Markt- und Preispolitik und der Mengensteuerung im Rahmen der bis zum 30. April 2015 geltenden Milchquotenregelung haben gezeigt, dass diese Instrumente nicht geeignet sind, strukturelle Probleme des Milchmarktes zu lösen und die Entwicklung wettbewerbsfähiger landwirtschaftlicher Unternehmen zu fördern. Die schwierige Preissituation ist nicht auf die Abschaffung der Milchquote zurückzuführen , sondern auf die ungünstige Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem Weltmarkt. 10. Bei der Herbst-2015-Agrarministerkonferenz in Fulda wurde einstimmig der Beschluss gefasst, dass sich die Bundesregierung auf der EU-Ebene zur Weiterentwicklung von Instrumenten zur Krisenbewältigung auf dem Milchmarkt einsetzen soll - insbesondere hinsichtlich Frühwarnsystem und flexible Angebotsregulierung. Ist die Zustimmung der Landesregierung als Meinungsänderung zu verstehen, mit der die Landesregierung eine Regulierung zur Vermeidung von Überschussmengen als erforderlich erachtet? Bitte die Position der Landesregierung erläutern. Nein. Im Ergebnis der Agrarministerkonferenz in Fulda am 2. Oktober 2015 haben die Teilnehmer die Bundesregierung darum gebeten, sich für die Prüfung der vorgeschlagenen Instrumente zur Marktentlastung einzusetzen. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 9.