Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4583 24.11.2015 (Ausgegeben am 25.11.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Krippen- und Kitabesuche von Kindern von Geflüchteten und Asylsuchenden Kleine Anfrage - KA 6/8967 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales Vorbemerkung: Die angefragten Daten werden nicht erhoben (§§ 98, 99 SGB VIII). Über die im SGB VIII genannte Rechtsgrundlage hinaus gibt es keinen statistischen Erhebungstatbestand für die erfragten Daten. Etwaige Angaben der Landkreise und Gemeinden sind somit freiwillig. Es besteht keine Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung. Die Entscheidung, selbst eine Kindertageseinrichtung zu betreiben, obliegt der Gemeinde als Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung. Der Landkreis als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises Verantwortung für eine Struktur an Tageseinrichtungen, die sich an den Bedürfnissen von Familien und Kindern orientiert, konzeptionell vielfältig, leistungsfähig und wirtschaftlich ist und eine ausreichende Anzahl gewährleistet. Im Benehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden und Verbandsgemeinden stellt er hierzu eine Bedarfsplanung gemäß § 80 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB VIII auf. Hinsichtlich der Beantwortung der Fragen 1. bis 4. und 6. war es notwendig, die Fachbereiche sämtlicher Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Sachsen-Anhalt zur Beantwortung einzubinden. Der Burgenlandkreis, der Salzlandkreis, der Saalekreis, der Landkreis Jerichower Land sowie die kreisfreien Städte Magdeburg und Dessau-Roßlau haben inhaltlich berichtet. Die übrigen Landkreise teilten entweder mit, dass aufgrund der Komplexität der gestellten Fragen zum gesetzten Termin keine Zuarbeit erfolgen könne bzw. haben nicht reagiert. 2 1. Wie viele Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden besuchten zum Stichtag 1. Januar 2015, 1. Juni 2015 und 30. September 2015 eine Krippe oder eine Kita in Sachsen-Anhalt? Bitte Angaben für die Landkreise und kreisfreien Städte differenziert angeben. 2. Wie hoch ist der Anteil der Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden, die eine Krippe oder Kita besuchen im Vergleich zu denen, die eine solche Einrichtung nicht besuchen? Angaben bitte für die Stichtage 1. Januar 2015, 1. Juni 2015 und 30. September 2015 und differenziert nach Landkreisen und kreisfreien Städten. Lediglich der Landkreis Jerichower Land berichtet, dass Flüchtlingskinder zu den abgefragten Stichtagen in Tageseinrichtungen (ausschließlich) in der Stadt Burg wie folgt betreut worden sind: Stichtag Anzahl Flüchtlingskinder Anteil an allen Flüchtlingskindern 01.01.2015 19 Kinder 33 v. H. 01.06.2015 20 Kinder 30 v. H. 01.09.2015 22 Kinder 27 v. H. Der Burgenlandkreis verfügt grundsätzlich über ausreichende Plätze, die zusätzlich für die Betreuung der Kinder von Flüchtlingen und Asylsuchenden benötigt werden. Aufgrund der Freiwilligkeit der Kindertagesbetreuung sei die Inanspruchnahme schwer planbar und von zahlreichen objektiven und subjektiven Faktoren abhängig. Im Übrigen habe sich nach Aussage der Träger der Einrichtungen die Erfassung von belegten Plätzen durch Kinder von Flüchtlingen und Asylsuchenden als sehr ungenau erwiesen. Sie können nicht unterscheiden , ob die Eltern der Kinder Flüchtlinge, Asylbewerber und/oder Migranten seien. Zudem könne nicht gesagt werden, seit wann ein Aufenthalt in der Kommune bestehe und in welchem Zeitraum der Platz mit dem Status „Flüchtling “ in Anspruch genommen werde. Unter Berücksichtigung der Zahlen vom September 2015, der Gespräche mit den Kindertageseinrichtungen und der bearbeiteten Anträge auf Übernahme des Kostenbeitrages für den Kinderbetreuungsplatz ist von 120 bis 150 Kindern, die in den Einrichtungen im Burgenlandkreis betreut werden, auszugehen. Dabei besuchen vorrangig Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren (bis zur Einschulung) die Einrichtungen. Hortkinder gibt es wenig und Krippenkinder sehr wenig. Der Salzlandkreis teilte mit, dass mit Stichtag vom 4. Januar 2015 insgesamt 131 Kinder von Asylbewerbern in den Kindertageseinrichtungen des Landkreises aufgenommen seien. Die statistische Erfassung der Stadt Dessau-Roßlau erfolgt seit dem 1. September 2015. Zum Stichtag 30. September 2015 wurden insgesamt 52 Anträge auf einen Betreuungsplatz von Flüchtlingskindern gestellt bzw. vermittelt. Dem Saalekreis und der Stadt Magdeburg liegen (noch) keine Daten vor. 3. Inwieweit wird dem Anspruch der Kinder auf den Besuch einer Krippe oder Kita gemäß Kinderförderungsgesetz § 3 in den Landkreisen und kreisfreien Städten entsprochen? 3 Gemäß § 3 Abs. 1 KiFöG hat jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land Sachsen-Anhalt bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang Anspruch auf einen ganztägigen Platz in einer Tageseinrichtung. Ferner wird auf die Regelungen in § 3 Abs. 2 und 3 KiFöG verwiesen. Gemäß § 3 Abs. 4 KiFöG richtet sich der Anspruch gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in dessen Gebiet das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieses gilt gleichermaßen auch für Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden . Mit der Zuweisung zu einem Landkreis wird grundsätzlich der gewöhnliche Aufenthalt begründet. Ab diesem Zeitpunkt besteht ein Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung. Dem Ministerium für Arbeit und Soziales liegen keine Informationen vor, dass diesem Rechtsanspruch nicht entsprochen wird. 3.1 Inwieweit berücksichtigen die Landkreise und kreisfreien Städte bei ihrer Kita-Bedarfsplanung Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden? Da nicht bekannt ist, in welchen Größenordnungen die Zuweisungen konkret auf die Landkreise und kreisfreien Städte erfolgen werden, besteht derzeit keine Datengrundlage für eine Planung. Auf die Antwort zu den Fragen Nr. 1 und Nr. 2 wird verwiesen. 3.2 Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zum Verhältnis von Bedarf und Angebotestruktur bezüglich der Kinderbetreuung in den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Gruppe der Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden? Auf die Antwort zu den Fragen Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3.1 wird verwiesen. 4. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Personalbedarf ein, der durch den Krippen und Kitabesuch von Kindern von Geflüchteten und Asylsuchenden bedingt wird? Soweit möglich bitte differenziert für die Landkreise und kreisfreien Städte angeben. Auf die Antwort zu den Fragen Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3.1 wird verwiesen. 5. Welche Unterstützungs- und Hilfsangebote seitens des Landes gibt es für Kitaträger, um Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden bestmöglich zu integrieren? Um die Kindertageseinrichtungen bei der Integration von Flüchtlingskindern zu unterstützen, beteiligt sich das Ministerium für Arbeit und Soziales am Programm „WillkommensKITAs“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Kindertageseinrichtungen mit Kindern aus Zuwanderungsfamilien oder mit besonderen Unterstützungsbedarfen können in diesem Rahmen fachlich kompetent begleitet und beraten werden. Die Servicestelle „Interkulturelles Lernen in Kitas und Schulen“ wird seitens des Kultusministeriums und aus Mitteln der Integrationsbeauftragten gefördert. In Trägerschaft des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen (LAMSA) sol- 4 len Kitas und Schulen begleitet, beraten und methodisch unterstützt sowie ein Online-Service für pädagogische Handreichungen zum Thema Vielfalt aufgebaut werden. Zu Beginn wird der Aufbau des Sprachförderklassennetzes im Mittelpunkt stehen. Nachfolgend sollen auch Kooperationen im frühkindlichen Bereich stattfinden. 5.1 Kann der Kitaträger Dolmetscherkosten bspw. für Gespräche mit den Eltern erstattet bekommen? Nein, diesbezüglich ist keine Rechtsgrundlage bekannt. 5.2 Gibt es mehrsprachige Informationsmaterialien für Kitaträger und Eltern? Nein, bislang liegen keine mehrsprachigen Informationsmaterialien vor. 5.3 Gibt es diesbezügliche Fortbildungsangebote seitens des Landesjugendamtes ? Folgende Fortbildungen für sozialpädagogische Fachkräfte werden im Jahr 2015 angeboten: • „Guten Morgen Jin, Fama und Alexej“ - Sprachliche und kulturelle Vielfalt in Kindertageseinrichtungen; • Inklusion als Pädagogik der Vielfalt; • Interkulturelle Kompetenzentwicklung - Interkulturelle Öffnung in der Kinderund Jugendhilfe; • Rechtsextrem orientierte Eltern in der Kindertageseinrichtung; • Interkulturelle Bildung - Kinder aus unterschiedlichen Herkunftsländern in der Kindertageseinrichtung. Die Planung des Programms für das Jahr 2016 enthält (mit Stand 30. Oktober 2015) folgende Angebote: • Flüchtlingskinder aus einem anderen Kulturkreis - Kinder ohne Deutschkenntnisse in der Kindertageseinrichtung; • Interkulturelle Kompetenzentwicklung - Interkulturelle Öffnung in der Kinderund Jugendhilfe; • Ein Leben in kultureller Vielfalt - Die interkulturelle Kompetenz im Alltag einer Kindertageseinrichtung; • Pädagogik der Vielfalt - eine Kindertageseinrichtung für alle Kinder; • Rechtsextrem orientierte Eltern in der Kindertageseinrichtung; • Kinder mit Migrationshintergrund in der Kindertagesbetreuung; 5 • Innerhalb eines Moduls im Leitungskurs: Bedeutung des Leitgedankens Vielfalt und Inklusion für Kinder und pädagogische Fachkräfte. Auf Anfrage von Teams aus Kindertageseinrichtungen ist des Weiteren vorgesehen , Inhouse-Seminare durchzuführen, die sich an den speziellen Bedarfen der Teilnehmer/-innen zu dieser Thematik orientieren werden. Die Aufzählung der Angebote für 2016 ist nicht abschließend, da eine Arbeitsgruppe weitere Veranstaltungen konzipiert. 6. In welcher Form werden geflüchtete oder asylsuchende Eltern über den Anspruch ihres Kindes auf Besuch einer Krippe oder Kita durch a) das Land und b) die Landkreise hingewiesen? Die Landkreise und kreisfreien Städte verfahren - soweit bekannt - in unterschiedlicher Art und Weise: Im Burgenlandkreis werden die geflüchteten oder Asyl suchenden Eltern im Integrations - und Ausländeramt, vor dem Besuch von Sprachkursen und von den für sie zuständigen Sozialarbeitern über die Möglichkeiten der Kindertagesbetreuung informiert. In der Stadt Dessau-Roßlau erfolgt die Beratung über das Amt für Soziales und Integration sowie über das Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung/ Ausländerbehörde . Zusätzlich leistet der Jugendmigrationsdienst (Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis) diesbezügliche Beratungshilfe. In der Stadt Magdeburg berät bei Vorsprache das Jugendamt. Im Landkreis Jerichower Land erfolgt die Information über das für die Flüchtlinge zuständige Betreuungspersonal (z. B. Migrationsdienst vom DRK). Das Land hat unter anderem über das Landesjugendamt in geeigneter Weise die öffentlichen Träger der Jugendhilfe über den bestehenden Rechtsanspruch unterrichtet sowie weitere Beteiligte, z. B. die Migrantenselbsthilfeorganisationen über den Integrationsbeirat darüber informiert. Des Weiteren sollen künftig noch im Aufbau befindliche lokale Unterstützungsstrukturen genutzt werden, um Asylsuchenden und Geflüchteten diesen Anspruch nahe zu bringen. 7. Das ursprünglich für das sogenannte Betreuungsgeld bereitgestellte Geld soll auf die Länder verteilt werden und u. a. Mehrausgaben durch Flüchtlingskinder mindern und laut Landtagsbeschluss der Kinderbetreuung zugutekommen. 7.1 Wann steht das Geld im Land zur Verfügung? 6 7.2 Wie viel Geld kann Sachsen-Anhalt erwarten? Ab 1. Januar 2016 stehen allen Ländern gemäß Artikel 8 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 für das Jahr 2016 zusammen 339 Mio. Euro, 2017 774 Mio. Euro und 2018 870 Mio. Euro zur Verfügung. Die Verteilung der Mittel auf die Länder erfolgt über die Umsatzsteuerverteilung. Damit entfallen auf Sachsen-Anhalt knapp 3 % der genannten Beträge. 7.3 Wie beabsichtigt die Landesregierung diese Mittel einzusetzen? Als Priorität für die Mittelverwendung kommt die qualitative Weiterentwicklung der frühkindlichen Förderung in Betracht. Eine Entscheidung der Landesregierung steht noch aus.