Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4584 24.11.2015 (Ausgegeben am 25.11.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fördergruppen an Werkstätten für Menschen mit Behinderung in SachsenAnhalt Kleine Anfrage - KA 6/8968 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Oktober 2014 änderte die Landesregierung den „Runderlass aus dem Jahr 1993 (Nr. 3-7/93 WfB) - Fördergruppen an Werkstätten für Behinderte“ mit dem Ziel das Zwei-Milieu-Prinzip zu stärken. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit und Soziales Vorbemerkung: Die Unterstützung durch Fördergruppen an Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) wurde Anfang der 90er Jahre eingeführt, um schwerstmehrfach behinderte Menschen mit einem Hilfsangebot zu erreichen, die familiengestützt in der häuslichen Umgebung leben und (noch) nicht in einer WfbM beschäftigt werden können. Das Angebot der Fördergruppe soll auch eine entlastende Wirkung für die betreuenden Familien entfalten und dadurch die häusliche Situation stabilisieren. Diese Aufgabe erfüllt das Angebot der Fördergruppe an der WfbM seit vielen Jahren in ganz hervorragender Weise. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Versorgungssituation wurde der Erlass aus dem Jahr 1993 (MS-Rundschreiben Nr. 3-7/93 (WfB) vom 16.06.1993) in 2014 geändert, um eine bedarfsgerechtere und flexible Inanspruchnahme der Förderangebote zu unterstützen. 2 Die Änderung betrifft Satz 3 der Ziffer I (Allgemeines) des Rundschreibens. Danach wurde vor dem bisherigen Satz 4 ein weiterer Satz eingefügt. Der geänderte Passus lautet nunmehr wie folgt: „Die Fördergruppen sind für Menschen mit schwersten Behinderungen gedacht, die im Familienverband leben und von ihren Eltern oder sonstigen Angehörigen betreut werden, oder die bisher familiengestützt gelebt haben und in einer Fördergruppe betreut worden sind, aber nunmehr auf eine betreute Wohnform angewiesen sind. Zuvor ist zu prüfen, ob die Aufnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen noch immer nicht in Frage kommt.“ 1. In wie vielen Fällen konnte durch die Änderung des Runderlasses das Zwei-Milieu-Prinzip realisiert und damit der Besuch einer Fördergruppe auch bei stationärer Unterbringung ermöglicht werden? Bitte differenziert nach Landkreisen und kreisfreien Städten angeben. Die Angaben sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen. Herangezogene Gebietskörperschaft (hGk) Anzahl der Fälle Landkreis Harz 0 Landkreis Mansfeld Südharz 0 Landkreis Jerichower Land 0 Landkreis Stendal 0 Landkreis Salzwedel 2 Landkreis Salzlandkreis 1 Landkreis Wittenberg 0 Landkreis Burgenlandkreis 0 Landkreis Anhalt-Bitterfeld 0 Landkreis Saalekreis 0 Landkreis Bördekreis 0 Stadt Dessau-Roßlau 0 Stadt Halle 2 Stadt Magdeburg 0 (Quelle: Angaben hGk; Datenerhebung zum Stichtag 30.10.2015) 2. In wie vielen Fällen konnte seit Änderung des Runderlasses das ZweiMilieu -Prinzip nicht realisiert und damit der weitere Besuch einer Fördergruppe bei Aufnahme einer stationären Unterbringung nicht realisiert werden? Nach den Angaben der herangezogenen Gebietskörperschaften gab es zum Stichtag 30.10.2015 zwei derartige Fälle im Landkreis Jerichower Land: Bei einem der genannten Fälle, musste unverzüglich aufgrund eines tragischen, unvorhergesehenen Notfalls auf ein Wohnheim nach dem Leistungstyp 2a zurückgegriffen werden. In dem zweiten Fall wäre der Verbleib in der Fördergruppe , kombiniert mit der Unterbringung in einem entfernt liegenden Wohnheim möglich gewesen. Allerdings erkannte der Betreuer der Leistungsberechtigten diese Lösung, aufgrund der durch das Pendeln zu erwartenden Belastung für die Betreute, verständlicherweise als unzumutbar. 3 Im Ergebnis wohnt auch diese Person nunmehr in einem Wohnheim nach dem Leistungstyp 2a des Rahmenvertrages. Wohnheime nach dem Leistungstyp 2a sind so konzipiert, dass die Angebote des Wohnens und der Tagesförderung räumlich voneinander getrennt sind. Die Tagesstruktur folgt also auch dort dem Zwei-Milieu-Prinzip. Aktuell überprüft der überörtliche Träger der Sozialhilfe die Angebotsstruktur des Landkreises. Wie viele ehemalige Besucher/innen einer Fördergruppe sind mittlerweile einzig stationär untergebracht? Bitte differenziert nach Landkreisen und kreisfreien Städten angeben. Hierzu konnte die Sozialagentur keine Daten erheben. Zur Beantwortung bedarf es der Ermittlung der ehemaligen Besucher/innen aller Fördergruppen und eines einzelfallbezogenen Abgleichs mit der derzeitigen Bedarfsdeckung. Dies wäre auch unter Ausschöpfung der zweimonatigen Beantwortungsfrist nicht möglich. 3. Wie gestaltet sich das Kostenniveau in Fällen eines realisierten ZweiMilieu -Prinzips im Kontrast zur umfänglichen stationären Unterbringung? In den in der Antwort zu Frage 1 aufgeführten Fällen gestaltet sich das Kostenniveau wie folgt: Herangezogene Gebietskörperschaft Kosten pro Monat Fördergruppe + Wohnheim Kosten pro Monat Stationäre Unterbringung Landkreis Salzwedel Fall 1: 2.925,97 € Fall 2: 2.953,17 € zwischen 2.851,27 € und 3.348,63 € Landkreis Salzlandkreis 3.695,79 € 1.834,37 € Stadt Halle 5.610,00 €* 6.373,00 €* * Summe beider Fälle 4. Inwieweit steht die Landesregierung mit der Sozialagentur und den Sozialamtsleitern und -leiterinnen in Kontakt zur Umsetzung des neuen Runderlasses ? Die Sozialagentur hat mit den Sachgebietsleiterinnen und Sachgebietsleitern der herangezogenen Gebietskörperschaften den überarbeiteten Fördergruppenerlass anlässlich der Dienstberatung im November 2014 thematisiert. Vorausgegangen war eine Verfügung an alle herangezogenen Gebietskörperschaften zur Umsetzung der Erlasslage. Darüber hinaus gab es im Rahmen von Anfragen einzelner herangezogenen Gebietskörperschaften gegenüber der Sozialagentur Sachsen-Anhalt bilaterale Erörterungen zur Umsetzung der Regelung . Im Jahr 2015 besucht das zuständige Referat des Ministeriums für Arbeit und Soziales gemeinsam mit Vertretern der Sozialagentur alle Sozialämter der Landkreise und Kreisfreien Städte. Gegenstand der Besprechungen in den Sozialämtern sind das Gesamtplanverfahren und die Hilfebedarfsfeststellung in 4 der Eingliederungshilfe. Hierbei werden auch Fragen zu dem hier in Rede stehenden Zusammenhang erörtert. 5. Findet von Seiten der Landesregierung eine Wirkungsanalyse bzw. eine Evaluation der Änderung des Runderlasses statt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis bzw. wann ist mit dem Ergebnis zu rechnen ? Die mit der Umsetzung des Erlasses entstehenden Fragen werden zusammengetragen , ausgewertet und ggf. zur Grundlage weiterer Maßnahmen gemacht. Dies geschieht fortwährend. 6. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Fragen 1 und 2 die Umsetzung der Änderung des Runderlasses? Die Daten alleine lassen keine abschließende Einschätzung zu. 7. Entspricht diese Umsetzung der Intention der Landesregierung? Wenn nein, warum nicht und mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung die Umsetzung des Zwei-Milieu-Prinzips fördern? Belastbare Erkenntnisse die nahelegen, dass die Umsetzung nicht der Intention der Landesregierung entspricht, liegen nicht vor.