Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4639 04.12.2015 (Ausgegeben am 07.12.2015) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dagmar Zoschke (DIE LINKE) Barrierefreie Zugänglichkeit der Wahllokale in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/8977 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Wahllokale sind nach Kenntnis der Landesregierung zur Europaund Kommunalwahl im Mai 2014 eingerichtet worden und wie viele waren für mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger barrierefrei zugänglich ? In Sachsen-Anhalt waren zur Europawahl am 25. Mai 2014 insgesamt 2 332 Wahllokale eingerichtet. Die Anzahl der für mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger barrierefrei zugänglichen Wahllokale ist der Landesregierung grundsätzlich nicht bekannt. Nach Angaben der Kreiswahlleiterinnen und Kreiswahlleiter für die Europawahl 2014 gegenüber dem damaligen Landeswahlleiter des Landes Sachsen-Anhalt waren 1 163 Wahllokale, also fast 50 % der landesweit eingerichteten Wahllokale, barrierefrei. Hinsichtlich der zeitgleich mit der Europawahl durchgeführten Kommunalwahlen liegen der Landesregierung keine Angaben zu den eingerichteten Wahllokalen vor. 2. Mit welchen Maßnahmen (Informationen, Investitionshilfen oder Sonstiges ) hat die Landesregierung sichergestellt bzw. wird die Landesregierung sicherstellen, dass zur Landtagswahl im März 2016 alle wahlberechtigten Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt ihr Wahlrecht möglichst ohne fremde Hilfe am Wahltag wahrnehmen können? Die Landesregierung hat im Rahmen der Durchführung der Landtagswahl nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (LWG) und der Landeswahlordnung (LWO) keine Zuständigkeiten. Die Beantwortung der 2 Fragen 2 und 3 erfolgt daher im Einvernehmen mit der Landeswahlleiterin des Landes Sachsen-Anhalt. Für die Auswahl von Wahlräumen für die Landtagswahl sind gemäß § 41 Absatz 1 LWO ausschließlich die Gemeinden zuständig. Soweit möglich, haben die Gemeinden Wahlräume in Gemeindegebäuden zur Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes, insbesondere der §§ 5 und 12 Absatz 1, zur Herstellung einer umfassenden Barrierefreiheit sollen die Wahlräume so gelegen sein, dass allen Wahlberechtigten die Teilnahme an der Wahl möglich ist. Die Gemeindebehörden informieren frühzeitig und in geeigneter Weise über die Barrierefreiheit der Wahlräume (§ 41 Absatz 2 Satz 2 LWO). Vorgaben für die von den Gemeinden zu versendenden Wahlbenachrichtigungen enthalten zum Beispiel § 15 Absatz 1 LWO sowie die Musterwahlbenachrichtigung für die Landtagswahl in Anlage 1 LWO. Danach soll die Wahlbenachrichtigung unter anderem die Angabe des Wahlraumes und seiner Barrierefreiheit enthalten. Ebenso soll die Wahlbenachrichtigung eine Telefonnummer enthalten, unter der Auskünfte zu barrierefreien Wahlräumen gegeben werden. Auch soll auf der Wahlbenachrichtigung eine Telefonnummer angegeben werden, wo Wahlberechtigte Auskünfte zu Hilfsmitteln für Blinde und Sehbehinderte erhalten (zum Beispiel die landesweite Telefonnummer des Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes Sachsen-Anhalt e. V.). Damit können alle wahlberechtigten Menschen mit Behinderungen selbst entscheiden, ob sie ein behindertengerechtes Wahllokal aufsuchen (gegebenenfalls mit einem Wahlschein) oder per Briefwahl an der Landtagswahl teilnehmen. Blinde oder sehbehinderte Wählerinnen und Wähler, die sich bei der Stimmabgabe nicht der Hilfe einer anderen Person bedienen wollen, können sich bei der Landtagswahl zur Kennzeichnung des Stimmzettels auch einer Stimmzettelschablone (Wahlschablone) bedienen (§ 50 Absatz 4 LWO). Damit für die Landtagswahl im März 2016 - wie auch bei den vorangegangenen Landtagswahlen - landesweit einheitliche Stimmzettelschablonen hergestellt werden können, sollen die von den Kreiswahlleiterinnen und Kreiswahlleitern zu beschaffenden Stimmzettel den von der Landeswahlleiterin empfohlenen Standardmaßen, die über die Vorgaben der Landeswahlordnung hinausgehen, entsprechen. Die Stimmzettel sollen daher durch ein eingestanztes Loch am oberen rechten Rand landesweit identisch gekennzeichnet werden, um blinden und sehbehinderten Wählerinnen und Wählern das selbstbestimmte und passgenaue Einlegen des Stimmzettels in eine Wahlschablone zu ermöglichen, damit sie ihren Stimmzettel unbeobachtet und ohne Hilfe einer anderen Person ausfüllen können . Die Wahlschablonen für die Landtagswahl im März 2016 werden vom Blinden- und Sehbehinderten-Verband Sachsen-Anhalt e. V. hergestellt und verteilt und können dort kostenfrei angefordert werden. Herstellung und Verteilung der Stimmzettelschablonen werden gemäß § 52 Absatz 4 LWG vom Land Sachsen-Anhalt finanziert. Hinsichtlich der Gestaltung der Stimmzettel fordert die Landeswahlordnung darüber hinaus, dass Schriftart, Schriftgröße und Kontrast so gewählt werden sollen, dass die Lesbarkeit ermöglicht wird (§ 40 Absatz 4 LWO). 3 3. Welche Maßnahmen waren oder sind darüber hinaus aus Sicht der Landesregierung gemeinsam mit den Kommunen zu ergreifen, damit bis zur Landtagswahl im März 2016 die Wahllokale barrierefrei (sowohl für mobilitäts - als auch für sinnesbehinderte Bürgerinnen und Bürger) nutzbar sind? Die Wahllokale für eine Landtagswahl müssen im Regelfall nur alle fünf Jahre bereitgestellt werden. Dazu werden Räume in Gebäuden genutzt, die ansonsten eine andere Zweckbestimmung haben (zum Beispiel Schulen, Rathäuser). Die Gemeinden sind grundsätzlich bemüht - auch in Abstimmung mit den Behindertenbeauftragten vor Ort - barrierefreie Wahlräume zur Verfügung zu stellen . Die Durchführung von Baumaßnahmen einschließlich der Maßnahmen zur Verbesserung des barrierefreien Zugangs in Gemeindegebäuden kann durch die Gemeinden aber nur im Rahmen der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel erfolgen. Aufgrund dieser finanziellen Grenzen wird die Schaffung der Barrierefreiheit , insbesondere in Altbauten, auch weiterhin nur schrittweise und über einen längeren Zeitraum, keinesfalls aber bis zu der am 13. März 2016 stattfindenden Landtagswahl umzusetzen sein. Die Landesregierung wirkt im Rahmen ihrer Zuständigkeit darauf hin, dass sich der Anteil barrierefreier Wahllokale schrittweise erhöht. Das Kriterium der Barrierefreiheit wurde in der Bauordnung und im Behindertengleichstellungsgesetz des Landes verankert. Dieser Rechtsrahmen gilt für die Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr sowie für die Bereitstellung von barrierefreien Wahlräumen. Im Übrigen geht die Landesregierung entsprechend der Zielformulierung im Landesaktionsplan Sachsen-Anhalt zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vor (Beschluss der Landesregierung vom 15. Januar 2013). In Vorbereitung der Landtagswahl 2016 erfolgt dementsprechend eine Sensibilisierung der Kommunen als Wahlbehörden sowohl im Hinblick auf die Auswahl barrierefreier Wahlräume als auch auf den möglichen Einsatz von Wahlschablonen. Hinweise hierzu wurden den Kommunen in der Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 4. September 2015 zur Vorbereitung und Durchführung der Landtagswahl am 13. März 2016 gegeben, die im Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt (MBl. LSA 2015 S. 553) und auf der Internetseite der Landeswahlleiterin (www.wahlen.sachsen-anhalt.de/Landtagswahlen) veröffentlicht wurde. Insbesondere wird auf die Informationen in Abschnitt 2 Nr. 6 (Wahlbenachrichtigungen ), Nr. 9 (Stimmzettel und Stimmzettelschablonen), Nr. 12 (Wahlräume) und Nr. 13 (Stimmabgabe) der Bekanntmachung hingewiesen. In der Bekanntmachung wurden zudem Hinweise des Landesbehindertenbeauftragten zur barrierefreien Gestaltung von Wahldokumenten und Unterlagen (Anlage 1) sowie ein zwischen dem Landesbehindertenbeauftragten und dem Landesbehindertenbeirat abgestimmter Kriterienkatalog mit Hinweisen für ein barrierefreies Wahllokal (Anlage 3) zur Kenntnis gegeben. Zudem hat die Landesregierung geprüft, inwieweit das Wahlrecht im Land gewährleistet, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben können. Hierzu wurde das Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt mit Hilfe eines sogenannten Normenscreenings am Maßstab der UN-Behindertenrechtskonvention im Hinblick auf gesetzgeberischen Änderungsbedarf geprüft. 4 Die Landeswahlleiterin wird die langjährige Zusammenarbeit mit dem Blindenund Sehbehinderten-Verband Sachsen-Anhalt e. V. sowie die anlässlich der Bundestagswahl 2013 begonnene Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit in Sachsen-Anhalt weiter fortsetzen. In diesem Rahmen ist - wie bei der Europawahl im vergangenen Jahr - wieder eine gemeinsame Pressekonferenz vorgesehen, in der der Öffentlichkeit die Wahlschablonen und gegebenenfalls ein Fragebogen zur Barrierefreiheit der Landtagswahl 2016 vorgestellt werden sollen.