Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4767 28.01.2016 (Ausgegeben am 28.01.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hans-Jörg Krause (DIE LINKE) Einsatz von Hyperthermie zur Bekämpfung der Varroose Kleine Anfrage - KA 6/9025 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Einsatz von thermischen Verfahren zur Bekämpfung der Varroose hat bereits längere Tradition in der Bienenzucht. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Welche Position hat die Landesregierung zum Einsatz thermischer Verfahren zur Bekämpfung der Varroose? 2. Welche dieser Verfahren bzw. welche Systeme, die mit Hyperthermie arbeiten , sind der Landesregierung bekannt und wie schätzt sie deren Erfolg ein? 3. Ist der Landesregierung die „Bienensauna“ von der Apisystems GmbH bekannt, welche kürzlich mit dem Next Economy Award der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Rates für Nachhaltige Entwicklung und des DIHK ausgezeichnet wurde? Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 gemeinsam beantwortet. Bereits in den 1980er Jahren sind Untersuchungen zur Thermobehandlung von Bienenvölkern durchgeführt worden. 2 Die Verfahren basieren auf Unterschieden der Temperaturempfindlichkeiten von Varroamilben und Bienen, insbesondere gegenüber höheren Temperaturen . Dazu werden die verdeckelten Brutwaben mit den darin befindlichen Varroamilben den Völkern entnommen und für den Zeitraum von zwei Stunden in einem speziellen Brutschrank einer höheren Temperatur ausgesetzt. Bei nur geringen Schäden an der Brut stirbt der größte Teil der darin befindlichen Milben ab. Aufgrund des damit verbundenen Arbeitsaufwandes, der Kosten und des begrenzten Erfolges - schließlich werden die auf den Bienen sitzenden Milben nicht erreicht - konnte sich das Verfahren jedoch nicht durchsetzen. a) Varroa-Controller (Prinzip: Behandlung entnommener Brutwaben im separatem Kasten) Den Bienenvölkern werden die Brutwaben entnommen und die Bienen abgefegt . Die nun bienenfreien Brutwaben werden in einer Thermo-Truhe kontrolliert einer zweistündigen Wärmebehandlung unterzogen. Der damit verbundene hohe Arbeitsaufwand, die Anschaffungskosten in Höhe von ca. 2.400 € und die erforderliche Stromversorgung am Bienenstand, behindern eine weite Verbreitung dieses als wirksam erprobten Gerätes. b) Mit dem „Mite-Zapper“ wird die Brut gleich im Bienenvolk behandelt, allerdings nur in der speziell zu diesem Zweck mit einer Heizplatte versehenen Wabe, dem „Mite-Zapper“. Sofern diese von den Bienen ausgebaut und mit Drohnenbrut belegt wird, ist die Behandlung mittels Stromzufuhr von außen möglich. Für jedes Bienenvolk ist ein Gerät zum Preis von ca. 45 € erforderlich . Zudem wird für mehrere Bienenvölker ein Steuergerät benötigt. Die Behandlung der Völker muss mehrmals im Laufe des Frühsommers erfolgen. Da Bienenvölker in dieser Zeit grundsätzlich für verschiedene Kontrollen und Pflegemaßnahmen wiederholt geöffnet werden, ist es für die Imker in der Regel einfacher, sicherer und kostengünstiger, die verdeckelte Drohnenbrut auszuschneiden und damit die darin sitzenden Milben zu entfernen. c) „Bienensauna“ (Behandlung ganzer Bienenvölker in einer aufgeheizten Beute ) Gemäß Herstellerangaben bei zweimaliger Anwendung im Abstand von 16 Tagen > 95%-ige Wirksamkeit, nicht repräsentativ Hier wird versucht, das gesamte Bienenvolk einer Wärmebehandlung zu unterziehen . Der Behandlungserfolg des Verfahrens kann nach den vorliegenden Publikationen, ohne standardisierte Vergleichsuntersuchungen, nicht sicher beurteilt werden. Diese Vergleichsuntersuchungen sollten 2015 am Fachzentrum Bienen in Veitshöchheim stattfinden. Der vom Fachzentrum geplante Versuchsaufbau (Vergleich verschiedener bekannter Thermoverfahren) wurde vom Hersteller der Bienensauna nicht akzeptiert, so dass ein gemeinsames Projekt anscheinend nicht zustande kam. Ein Briefwechsel mit dem Bayerischen Staatsministerium wurde diesbezüglich auszugsweise veröffentlicht. Zur Vermeidung Varroa-bedingter Völkerverluste kommt es aber darauf an, die Milben möglichst frühzeitig zu bekämpfen, von April bis Juli, damit sich gar nicht erst eine schädigende Milbenpopulation aufbauen kann. Offensichtlich konnten die ersten Geräte jedoch erst nach diesem Zeitraum ausgeliefert werden, was allein schon eine fundierte herstellerunabhängige Prüfung bisher ausschloss. 3 Zudem werden vom Vertreiber folgende Einschränkungen bezüglich Behandlung und Behandlungserfolg eingeräumt: Das Gerät wurde in Schweden entwickelt. Die Angaben zur Wirkung beziehen sich auf brutfreie Bienenvölker, die in Deutschland aber oft erst während der Winterruhe der Bienenvölker im Dezember auftritt oder ganz unterbleibt. In diesem Zusammenhang ergibt sich ein weiteres Problem. „Entgegen unseren Anweisungen im Handbuch wurden immer wieder Waben mit Winterfutter während der Behandlung in der Zarge belassen und nicht vorher entfernt. Die Folge ist ein Wärmestau, bei dem Waben schmelzen, Futter in die Bienensauna tropft und im schlimmsten Fall Bienen sterben“ (www.bienensauna.de, 22.12.2015). In Deutschland werden aber - orientiert an der natürlichen Nahrungsversorgung - die Bienenvölker ab Juli bis September mit dem nötigen Winterfutter versorgt . Fazit: • Der alleinige Einsatz thermischer Verfahren an Brutwaben gewährleistet keinen ausreichenden Schutz der Bienenvölker vor Varroaschäden. • Ein ganzjähriges Behandlungskonzept und der Einsatz anderer Behandlungsverfahren zur Milbenreduktion erscheint notwendig. • Die Bildung von Jungvölkern aus den zu behandelnden Bienenvölkern und deren Behandlung mit einer zugelassenen organischen Säure ist wesentlich weniger arbeits- und kostenintensiv. Aus diesen Gründen kann der „Varroa- Controller“ nur eine Lösung für besondere Fälle sein. • Hoffnungen der Imker, durch die Anwendung thermischer Verfahren ein einfaches Behandlungsschema ohne Beachtung weiterer Maßnahmen zu bekommen , werden nicht erfüllt. • Bei Einsatz der „Bienensauna“ kann die Gefahr einer Überhitzung, z. B. bei technischem Versagen der Regeltechnik, nicht ausgeschlossen werden. Ein Verbrausen und Absterben ganzer Bienenvölker ist folglich möglich. • Die hohen Anschaffungskosten für bislang angebotene Geräte (ca. 1.200 bis 2.500 €) werden für die breite Masse der Imker als nicht akzeptabel eingeschätzt . 4. Inwiefern kann der Einsatz thermischer Verfahren bzw. die Anschaffung dazu notwendiger Geräte über die Richtlinie Bienenzuchtsektor gefördert werden? Eine generelle Förderung zur Anschaffung von Geräten zur thermischen Behandlung von Bienenvölkern erscheint nach dem derzeitigen Stand dieser Technik angesichts etablierter alternativer Behandlungsmaßnahmen nicht ziel- 4 führend. Sofern ein besonders begründeter Bedarf am „Varro-Controller“ besteht , ist die Beschaffung über die Bewilligungsbehörde zu prüfen. Nach der Richtlinie Bienenzuchtsektor ist eine Förderung jedenfalls nicht generell ausgeschlossen . 5. Inwiefern kann der Einsatz thermischer Verfahren bzw. die Anschaffung dazu notwendiger Geräte über andere Förderinstrumente gefördert werden ? Imker ab 100 Bienenvölker können für Investitionen in langlebige Wirtschaftsgüter darüber hinaus das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) in Anspruch nehmen. Als Zuwendung kann ein Zuschuss bis zu 20 % der beihilfefähigen Kosten ab einem Mindestinvestitionsvolumen von 20.000 € gewährt werden. Förderschwerpunkte sind Investitionen für die Erzeugung oder Verarbeitung und Vermarktung von Honig aus eigener Produktion, die Errichtung und den Erwerb von unbeweglichem Vermögen sowie den Kauf neuer Anlagen und Maschinen.