Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4828 24.02.2016 (Ausgegeben am 25.02.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothee Berthold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Freiwillige Feuerwehren in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/9070 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die freiwilligen Feuerwehren in Sachsen-Anhalt haben große Probleme, ihre Arbeit zufriedenstellend zu leisten. Die Schwierigkeiten bestehen einerseits darin, nicht mit Sicherheit über genügend Einsatzkräfte zu verfügen. Bedingt durch den demographischen Wandel kommen zu wenig neue Mitglieder nach; durch weit entfernte Arbeitsplätze sind kaum zu jeder Zeit genügend Kameraden verfügbar. Zum anderen werden die gesundheitlichen Anforderungen durch Chemieunfälle u. Ä. größer. Mindestens vier Atemschutzmaskenträger sind je Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr vorgeschrieben ; ansonsten ist der Einsatz nicht erlaubt. Auch das vorgeschriebene Alter bei Nutzung der Masken sowie überhaupt bei Einsätzen begrenzt an vielen Orten die Einsatzmöglichkeit. Dazu kommen in allen Kommunen finanzielle Engpässe, die einen großen Teil der Ortsfeuerwehren nicht wie vorgeschrieben tauglich machen können . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Gemäß Brandschutzgesetz sind die Gemeinden zuständig für den abwehrenden Brandschutz und die Hilfeleistung in ihrem Gebiet. Dazu haben Sie eine leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten, zu unterhalten und einzusetzen. Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises, die lediglich der Rechts- nicht aber der Fachaufsicht des Landes unterliegt. Alle zahlenmäßigen Angaben beruhen auf der Jahresstatistik der Feuerwehren FEU905 des Deutschen 2 Feuerwehrverbandes zum Stichtag 31.12.2014. Die Daten zum Stichtag 31.12.2015 liegen regelmäßig erst im April vor. Zahlen zu den Einsätzen der Feuerwehren sind aus dem Ereignisbericht der Feuerwehr für das Land Sachsen-Anhalt, die Landkreise und kreisfreien Städte, Jahresbericht 2014 (veröffentlicht im Landesportal unter „http://www.idf.sachsen-anhalt.de/, Forschungsinhalte > Publikationen > Ereignisbericht der Feuerwehr“) entnommen. 1. Wie viele Freiwillige Feuerwehren sind in Sachsen-Anhalt registriert? Die 122 Träger des Brandschutzes, 104 Einheitsgemeinden (kreisfreie Städte enthalten) und 18 Verbandsgemeinden, halten zur Sicherstellung des Brandschutzes und der Hilfeleistung 122 Gemeindefeuerwehren mit insgesamt 32.980 aktiven Mitgliedern vor, die sich in 1.574 Ortsfeuerwehren mit dem Status einer Freiwilligen Feuerwehr gliedern. 2. Wie viele Wehren davon sind eingeschränkt einsetzbar wegen veralteter Technik? Zur Brandbekämpfung und einfacher technischer Hilfeleistung sind auch Ortsfeuerwehren mit älterer Technik einsetzbar, solange diese Technik uneingeschränkt funktionsfähig ist und die vorgeschriebenen regelmäßigen Prüfungen erfolgreich bestanden wurden. Ist die Feuerwehrtechnik nicht einsatzbereit, wird die Ortsfeuerwehr für diesen Zeitraum beim Landkreis als nicht einsatzbereit gemeldet. Benachbarte Feuerwehren übernehmen dann die Sicherstellung des Brandschutzes im Ausrückebereich dieser Feuerwehr. Eingeschränkt einsetzbar sind 83 Feuerwehren mit 1146 Mitgliedern im Einsatzdienst , welche nicht mit einem Lösch- oder Sonderfahrzeug ausgestattet sind und nur über einen Tragkraftspritzenanhänger und überwiegend ein MTW als Zugfahrzeug verfügen. 3. Wie viele der Wehren sind eingeschränkt einsetzbar wegen nicht ständiger Verfügbarkeit der Mitglieder? Regelmäßig sind nicht alle im Einsatzdienst tätigen Mitglieder ständig verfügbar . Unterschiedliche Verfügbarkeiten sind je nach Wochentag und Uhrzeit die Regel. Gemäß § 2 der Verordnung über die Mindeststärke und -ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehren (MindAusrVO-FF) vom 13. Juli 2009 (GVBl. LSA S. 376) sind durch den Träger der Feuerwehr folgende Mindestanforderungen einzuhalten: Die Einsatzstärke der Gemeindefeuerwehr muss zur Gewährleistung des Grundschutzes mindestens durch eine Gruppe (1/8) nach Feuerwehr- Dienstvorschrift 3 mit mindestens einem Löschgruppenfahrzeug oder mehreren Lösch- und Sonderfahrzeugen, die zusammen mindestens dem Einsatzwert eines Löschgruppenfahrzeuges entsprechen, sichergestellt werden und die Einsatzstärke einer Ortsfeuerwehr soll mindestens mit einer Staffel (1/5) sichergestellt werden. 3 Die Forderung zur Gewährleistung des Grundschutzes kann der Träger der Feuerwehr durch planmäßige gemeinsame Alarmierung mehrerer Ortsfeuerwehren in Zeiten der eingeschränkten Verfügbarkeit an Wochentagen in der Zeit von 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr und einen gemeinsamen Einsatz aller verfügbaren Einsatzkräfte, auch wenn die Staffelstärke einer Ortsfeuerwehr nicht zu jedem Zeitpunkt erreicht wird, erfüllen (Additionsprinzip). Samstag, Sonntag und Feiertags sind in 1.468 Ortsfeuerwehren Einsatzkräfte in mindestens Staffelstärke und davon in 1.091 Ortsfeuerwehren Einsatzkräfte in mindestens Gruppenstärke verfügbar. Wochentags in der Zeit von 18:00 Uhr bis 06:00 Uhr sind in 1397 Ortsfeuerwehren Einsatzkräfte in mindestens Staffelstärke und davon in 915 Ortsfeuerwehren Einsatzkräfte in mindestens Gruppenstärke verfügbar. Rund um die Uhr an allen Tagen der Woche stellen 550 Ortsfeuerwehren die Einsatzbereitschaft mit mindesten einer Staffel sicher; davon 211 mit mindestens einer Gruppe und davon 79 mit mindestens einem Zug (12 Einsatzkräfte) und mehr Einsatzkräften. 4. Wie viele der Wehren sind nicht einsetzbar wegen einer Anzahl an Atemschutzmaskenträgern unter vier? 175 Ortsfeuerwehren sind nicht mit umluftunabhängigen Atemschutzgeräten ausgestattet, die eine Ausbildung als Atemschutzgeräteträger nach Feuerwehrdienstvorschrift 7 erfordern. 1399 Ortsfeuerwehren sind mit umluftunabhängigen Atemschutzgeräten ausgestattet . Davon verfügen 360 nicht über mindestens vier Atemschutzgeräteträger nach FwDV 7 für einen Einsatz mit Atemschutzgeräten. Diese Feuerwehren müssen im Einsatz (nach dem Additionsprinzip) mindestens mit einer weiteren Ortsfeuerwehr , die ebenfalls über ausgebildete Atemschutzgeräteträger verfügt, eingesetzt werden, um die notwendige Anzahl Atemschutzgeräteträger an der Einsatzstelle zu erreichen. 5. Wie viele der Wehren sind nicht einsetzbar wegen zu weniger Mitglieder? 23 Ortsfeuerwehren verfügen über weniger als 6 Mitglieder im Einsatzdienst, davon sind 5 generell nicht einsetzbar. 6. Wie viele der Wehren sind seit Januar 2014 zu Einsätzen gefahren? Vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 sind von den 1574 Ortsfeuerwehren insgesamt 1518 Ortsfeuerwehren (Freiwillige Feuerwehren) zu Einsätzen gefahren. 4 7. Verfügt jede Einheitsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft über die Anzahl von einsatzfähigen Wehren, die nötig sind, um alle Verantwortungsbereiche innerhalb der vorgegebenen Zeit von zwölf Minuten zu erreichen ? Die erforderliche Anzahl von einsatzfähigen Feuerwehren in den Gemeinden des Landes ist vorhanden. Eine statistische Erfassung zur Frage 7 wird vom Land allerdings nicht erhoben. Mit der Neufassung der Verordnung über die Mindeststärke und -ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehren (MindAusrVO-FF) wurden die Träger des Brandschutzes nochmals verpflichtet, eine leistungsfähige, den örtlichen Gegebenheiten angemessene Feuerwehr vorzuhalten. Eine Freiwillige Feuerwehr einer Einheits- oder Verbandsgemeinde gilt als leistungsfähig, wenn die gemäß Risikoanalyse notwendige Ausrüstung einsatzbereit vorgehalten wird und die notwendigen Funktionen jederzeit besetzt werden können. Die Einheits- und Verbandsgemeinden haben zur Überprüfung der ihr als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises obliegenden Pflichten der Sicherstellung des Brandschutzes und der Hilfeleistung in ihren Gemeinden die Pflicht, im Rahmen einer Risikoanalyse und der sich daran anschließenden Aufstellung des Brandschutzbedarfsplanes unter anderem festzustellen, dass die Gebiete der Gemeinden von den Ortsfeuerwehren, gegebenenfalls durch die Alarmierung mehrerer Ortsfeuerwehren, innerhalb des im Brandschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt genannten Zeitkriteriums von 12 Minuten erreicht werden. Die Risikoanalysen und die Brandschutzbedarfspläne sind den Landkreisen vor dem Beschluss durch die Gemeinden zur fachlichen Stellungnahme zu geben. 8. Sollte man als Einschätzung des Ergebnisses dieser Befragung überlegen , den Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften empfehlen (evtl. damit verbunden auch Vorschriften ändern), kleine, nicht einsetzbare Ortsfeuerwehren zusammenzuschließen und dadurch wieder zum Einsatz zu ertüchtigen? Mit Inkrafttreten der Verordnung über die Mindeststärke und –ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehren (MindAusrVO-FF) besteht die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Feuerwehren zu größeren, leistungsfähigen Feuerwehren . Den Einheits- und Verbandsgemeinden, vor allem den Gemeinde- und Stadtwehrleitern ist die Verfahrensweise bekannt. Bereits im Jahr 2013 wurden in Auswertung des Abschlussberichtes FEUER- WEHR 2020 auf Regionalkonferenzen umfassende fachliche Hinweise zur Optimierung des flächendeckenden Brandschutzes in Sachsen-Anhalt - unter Einbeziehung der Träger des Brandschutzes - gegeben. Eine Empfehlung im nachgefragten Sinne ist nicht erforderlich, da durch die Neufassung der MindAusrVO-FF den Gemeinden bereits selbst die Möglichkeit gegeben ist, auf den individuellen Brandschutzbedarf durch Organisation ihrer Wehr zu reagieren. 5 9. Wäre die Einrichtung einer Feuerwehrabgabe durch die Familien, aus denen kein Mitglied der FFW kommt, wie in einigen alten Bundesländer praktiziert , nicht gerecht und damit einführbar? Sie würde dazu beitragen, die finanziellen Mittel zur Erhaltung der Feuerwehrtechnik bereitzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 24. Januar 1995 die Feuerwehrabgabe für verfassungswidrig erklärt (1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94). Die Feuerwehrabgabe verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau. Zudem liege das Feuerlöschen im Interesse der Allgemeinheit, wofür nur allgemeine Steuern heranzuziehen seien. Die Feuerwehrabgabe wäre eine Sonderabgabe. Vor diesem Hintergrund wurden die in den Bundesländern Bayern, Baden- Württemberg, Sachsen und Thüringen erhobenen Feuerwehrabgaben abgeschafft .