Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4861 16.03.2016 (Ausgegeben am 16.03.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothee Berthold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Entwicklung und Beschäftigung im MIBRAG-Unternehmen Theißen ab 2016 Kleine Anfrage - KA 6/9092 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Pläne der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) für ein neues Braunkohlekraftwerk bei Profen im Burgenlandkreis sind vorerst gestoppt. Wie das Unternehmen MDR Sachsen-Anhalt im April 2015 bestätigte, sind wirtschaftspolitische Bedenken Ursache dafür. Das geplante Kraftwerk sollte alleiniger Grund für den Neuaufschluss eines Tagebaues Lützen werden, wie das im Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 20. November 2007 an die Bürgerinitiative Lützen bestätigt worden ist. Die Kohle in Profen/Domsen reicht mindestens bis 2030, wobei durch den Abschaltplan der Bundesregierung für Bestandsanlagen weniger verstromt wird, als zuvor geplant worden war. (Quelle: Verständigung vom 2. November 2015 zwischen der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland und Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH sowie Helmstedter Revier GmbH: Überführung von Braunkohlekraftwerksblöcken in die Sicherheitsbereitschaft). Darüber hinaus hat die MIBRAG GmbH Ende 2015 nach eigenen Angaben ihre Exportlieferungen nach Tschechien eingestellt. Das bedeutet eine noch längere Reichweite der in Profen und Domsen lagernden Kohlevorräte. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Vorbemerkung: Gegenstand der Kleinen Anfrage ist das private Bergbauunternehmen Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (fortan „MIBRAG“). Das Land Sachsen-Anhalt ist an diesem Unternehmen weder beteiligt noch nimmt es Mitgliedschaftsrechte in dessen Organen wahr. Die MIBRAG wird derzeit auch nicht durch das Land gefördert. 2 Gemäß Artikel 53 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt (LSA-Verf) hat die Landesregierung jedem Mitglied des Landtages Auskunft zu erteilen. Dieser Informationspflicht entspricht das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten nach Artikel 53 Abs. 2 und 4 LSA-Verf. Die Landesregierung braucht nur in solchen Angelegenheiten Auskunft zu geben, die in ihre Zuständigkeit fallen. Sie muss also nicht auf Fragen eingehen, die Vorgänge oder Umstände außerhalb ihres Verantwortungsbereichs betreffen. Unbeschadet des Vorstehenden hat die Landesregierung die MIBRAG um Auskunft zu den aufgeworfenen Fragen gebeten. Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele direkte Arbeitsplätze gibt es bei der MIBRAG? Bitte aufgeschlüsselt nach Arbeitsbereichen und Bundesländern mitteilen. Die MIBRAG hat dazu mitgeteilt: „MIBRAG hat 1.768 Beschäftigte (Stand: 31. Januar 2016 ohne Altersteilzeit oder sonstige Inaktive). Nach den Geschäftsfeldern aufgeteilt sind dies 1.497 Beschäftigte im Bergbau und 271 in der Veredlung (Kraftwerke, Staub- und Brikettfabrik). Davon sind 1.123 Arbeitsplätze Sachsen-Anhalt (852 Bergbau und 271 Veredlung) und 645 Sachsen zuzuordnen.“ Frage 2: Was bedeutet für die Beschäftigten im Kraftwerk Buschhaus der Umstand, dass diese Produktionsstätte ab Oktober 2016 weniger Betriebsstunden durch die Überführung in die Sicherheitsbereitschaft arbeiten wird? Welche Auswirkungen , konkret, wie viel Entlassungen oder welche Arbeitszeitverkürzungen kommen auf die Arbeitnehmer in diesem Kraftwerk zu? Die MIBRAG hat dazu mitgeteilt: „Gemeinsames beschäftigungspolitisches Ziel aller an der am 4. November 2015 unterzeichneten Verständigung Beteiligten (Bundesregierung und Kohleunternehmen unter Moderation der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie - IG BCE - und Beteiligung der Braunkohleländer) war, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt. Dies setzt voraus, dass die Bundesregierung und der Bundestag die Verständigung gesetzgeberisch bis spätestens 30. September 2016 umsetzen und die Kosten der politisch gewollten Sicherheitsbereitschaft wie verabredet erstattet werden. Das Kraftwerk Buschhaus ist das erste in Deutschland, das ab 1. Oktober 2016 in die Sicherheitsbereitschaft überführt wird. Zugleich wird der Tagebau Schöningen wie geplant stillgelegt. Nach den derzeitigen Plänen der Geschäftsleitung der Helmstedter Revier GmbH wird sich zu diesem Zeitpunkt der Arbeitskräftebedarf von derzeit 450 auf 125 verringern, die für Sicherheitsbereitschaft und die Sanierung des Tagebaus benötigt werden. Ein Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer scheiden auf der Grundlage eines bestehenden Sozialplanes altersbedingt bis zu diesem Zeitpunkt und für eine Übergangszeit darüber hinaus aus dem Unternehmen aus. Bei den verbleibenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird es zu Änderungen 3 der Schichtsysteme kommen. Arbeitszeitverkürzungen oder betriebsbedingte Kündigungen sind nicht vorgesehen.“ Frage 3: Die MIBRAG GmbH hat am 4. Dezember 2015 angegeben, dass allein wegen der Überführung von Buschhaus in die Sicherheitsbereitschaft der Braunkohleabbau im Tagebau Profen um 25 % zurückgehen wird. Eine Verkleinerung der Belegschaftsstärke bei der MIBRAG GmbH scheint naheliegend. Inwiefern kann diese Vermutung bestätigt werden? Die MIBRAG hat dazu mitgeteilt: „Mit der Überführung des Kraftwerkes Buschhaus in die Sicherheitsbereitschaft entfallen die geplanten Braunkohlelieferungen aus dem MIBRAG-Tagebau Profen und damit der entsprechende Arbeitskräftebedarf. Auch hier galt für alle an der Verständigung Beteiligten, dass keiner der derzeitigen Beschäftigten der MIBRAG ,ins Bergfreie fallen‘ soll. Dessen ungeachtet führt die politisch gewollte Sicherheitsbereitschaft bereits kurz- und mittelfristig zu einem erheblichen Verlust tariflich bezahlter Arbeitsplätze in der Region. Die Betriebsparteien, Geschäftsleitung und Betriebsrat der MIBRAG, zusammen mit der IG BCE als Tarifpartnerin arbeiten derzeit daran, diesen Arbeitsplatzabbau sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen zu gestalten. Fehlende und inkonsistente energiepolitische Rahmenbedingungen auf Bundesebene erschweren hierbei die Erarbeitung einer verlässlichen Unternehmensstrategie als unabdingbare Voraussetzung für eine wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Planung des Unternehmens.“ Frage 4: Gibt es Pläne, diese Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen? Wenn ja, in welcher Form? Die MIBRAG hat dazu mitgeteilt: „Der Abbau der durch die Sicherheitsbereitschaft verlorenen Arbeitsplätze soll ebenfalls ohne betriebsbedingte Kündigungen der derzeitig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgen. Die Diskussionen und Planungen zielen hier insbesondere auf das altersbedingte Ausscheiden in den Jahren bis 2020 und darüber hinaus bis 2023. Dieser demografische Wandel, der ursprünglich weiterhin für einen Generationswechsel genutzt werden sollte, dient jetzt nur noch dem Arbeitsplatzabbau . In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Ausbildung junger Menschen (770 seit der Privatisierung), für die die MIBRAG mehrfach ausgezeichnet wurde, nicht mehr in diesem Umfang fortgeführt werden kann. Bereits 2016 werden rund 30 % weniger Jugendliche einen Ausbildungsplatz bei MIBRAG erhalten. Damit entfällt für eine nicht unerhebliche Zahl Jugendlicher das Angebot einer sehr guten, wohnortnahen Ausbildung bereits jetzt. Diejenigen der 145 Auszubildenden, die zum 31. Januar 2016 in einem Ausbildungsverhältnis bei MIBRAG stehen, werden anders als die weit über 500 anderen erfolgreichen Auslernenden nicht mehr eine unbefristete, sondern nur noch eine befristete Beschäftigung im Unternehmen finden.“ 4 Frage 5: Weitere Umsatzeinbußen gehen inzwischen aus der Beendigung der Braunkohleexporte nach Tschechien Ende 2015 hervor. Wie können diese für die einzelnen Jahre der Exporttätigkeit beziffert werden? Die MIBRAG hat dazu mitgeteilt: „In den Jahren 2012 und 2013 wurde etwa 1 % der jährlichen Braunkohlenförderung von MIBRAG an tschechische Kraftwerke geliefert. 2014 und 2015 betrug der Anteil ca. 5 %. Dementsprechend gestaltete sich die Umsatzentwicklung. Diese Lieferungen trugen immer nur zeitweiligen Charakter und überbrückten Lieferengpässe innerhalb der Tschechischen Republik. Die anhaltenden politischen Diskussionen zu Rohstoffexporten aus Deutschland in den europäischen Wirtschaftsraum ließen MIBRAG und ihre tschechischen Schwesterunternehmen Abstand davon nehmen, über das Jahr 2015 hinaus Braunkohle nach Tschechien zu liefern. Dementsprechend können durch diese Lieferungen keine Arbeitsplätze in Deutschland gehalten werden.“ Frage 6: Zurzeit erlebt die beim Braunkohlenabbau und der Verstromung tätigen Bevölkerung in der Lausitz durch die Milliardenverluste von Vattenfall beim Ausstieg aus dem Braunkohlengeschäft einen Strukturbruch. Wie wird der notwendige Strukturwandel im Einzugsbereich der MIBRAG GmbH eingeleitet, um Ähnliches zu vermeiden? Die Landesregierung bekennt sich im Energiekonzept 2030 dazu, dass die Braunkohleförderung und -verstromung mittelfristig erhalten bleibt, also mindestens so lange sie systemtechnisch notwendig ist. Unabhängig davon setzt die stoffliche Nutzung der Braunkohle deren Förderung auch weiterhin voraus. Ein Strukturbruch findet - jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen - zum jetzigen Zeitpunkt nicht statt. Frage 7: Seit 2006 steht die Ankündigung der Einrichtung eines Tagebaues Lützen und hemmt damit die Entwicklung dieser Stadt. Bedeutet die Aufgabe des Kraftwerkvorhabens folgerichtig auch die Aufgabe des geplanten Tagebauvorhabens und damit eine normalisierte Zukunft der Stadt? Die MIBRAG hat dazu mitgeteilt: „Derzeit unterhält MIBRAG zu 45 Firmen der Stadt Lützen Lieferbeziehungen mit einem Umsatzvolumen von rund 750.000 Euro pro Jahr Der Anteil an der Ausschüttung von Gewerbesteuern liegt für die Stadt Lützen bei 1,5 % des Gesamtaufkommens dieser Steuerart in der MIBRAG. Aufgrund des Verteilungsschlüssels für die Gewerbesteuer würde bei Aufschluss des Tagebaues Lützen-Süd, der sich ausschließlich südlich der A 38 befinden würde, das anteilige Steueraufkommen auf etwa 7 % ansteigen.“ Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 5 Frage 8: Eine entsprechende Aussage könnte den erforderlichen Umstrukturierungsprozess in der Region wesentlich beschleunigen. Der jetzige Ministerpräsident und damalige Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff war am 3. September 2009 im Rathaus Lützen und machte folgende Aussage: Ohne die Milliardeninvestition für ein neues Kraftwerk in Profen wird es auch keinen Neuaufschluss eines Tagebaues geben. (MZ 4. September 2009) Wie steht der Ministerpräsident heute zu dieser Aussage? Unverändert gilt, dass ein Kraftwerksneubau und ein etwaiger Tagebauneuaufschluss der unternehmerischen Entscheidung der MIBRAG vorbehalten bleibt. Entsprechende Anträge werden vom Land ordnungsgemäß bearbeitet und nach geltendem Recht entschieden. Frage 9: Wie werden die, in Lützen seit 2006, bezifferten Einnahmeminderungen des kommunalen Haushalts wieder ausgeglichen, die z. B. durch Wegzüge, Schließungen und fehlende Ansiedlung von Investoren entstanden sind? Die Stadt Lützen geht davon aus, dass im Zusammenhang mit dem angekündigten Neuaufschluss eines Tagebaus Lützen keine konkreten Einnahmeminderungen beziffert werden können. Den beiden Gewerbegebieten in Lützen und Zorbau fehlt nach Auskunft der Stadt ein räumlicher Bezug zu dem geplanten Tagebau. Aufgrund der hypothetischen Fragestellung ist es der Stadt zudem nicht möglich, Aussagen zu evtl. erzielbaren zusätzlichen Einnahmen zu treffen. Es ist auch nicht nachvollziehbar , dass die in der Frage angeführten Beispiele maßgebliche Gründe für ihre Haushaltskonsolidierung sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen.