Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4862 16.03.2016 Hinweis: Die Anlage ist als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick im Netz den Acrobat Reader. (Ausgegeben am 16.03.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothee Berthold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Quecksilberbelastungen in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/9091 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Gutachten „Quecksilber-Emissionen aus Kohlekraftwerken“, das am 21. Dezember 2015 vom Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) herausgegeben wurde, zählt Deutschland mit zehn Tonnen Quecksilberfreisetzung pro Jahr zusammen mit Griechenland und Polen mit je 14 % der Gesamtemissionen zu den größten Verursachern von Quecksilberemissionen in Europa. Rund 70 % davon stammen in Deutschland aus Kohlekraftwerken. Vor 1990 wurden jedoch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, z. B. in Buna und Bitterfeld , bei der Karbidherstellung mittels alkoholischer Gärung mit hochtoxischen Quecksilber(II)-Verbindungen als Katalysator verunreinigte Abwässer unter Missachtung geltender Umweltnormen in die Flüsse Saale und Mulde eingeleitet. Die hohe Reichweite der dadurch hervortretenden Folgeschäden wird dadurch erkennbar, dass sich die Emissionen aus Bitterfeld und Schkopau unter anderem auf die Fischbestände in schwedischen Seen ausgewirkt haben, wie das im Beitrag „Unfassbar giftig“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 28. Januar 2016 erläutert wird. Es ist nicht auszuschließen, dass manche Gesundheitsfolgen erst in der zweiten oder in der dritten Generation auftreten werden, da die Bildung von organischem Methylquecksilber über längere Zeit durch Kontakt mit Wasser erfolgt. Wasserbiotope mit niedrigem pH-Wert, wie sie in den Bergbaugebieten vorkommen können, weisen oft erhöhte Methylquecksilberkonzentrationen auf (U. S. Geological Survey Fact Sheet 146-00, Oktober 2000). 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Welche Konzentrations-Höchstwerte an Quecksilber gibt es in Bodenproben an den Standorten Bitterfeld, Salzwedel, Dessau, Halle, Zeitz, Schkopau, Sangerhausen, Eisleben und Hettstedt? Dem Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) liegen folgende Höchstwerte zu Quecksilberkonzentrationen in Böden (oberster Bodenhorizont) vor, die im Ergebnis der von Bodenzustandserfassung und Bodendauerbeobachtung seit 1990 an einzelnen Standorten in der Umgebung der genannten Orte erfasst wurden: Bitterfeld 1,15 mg/kg TS (Trockensubstanz), Salzwedel 0,3 mg/kg TS, Dessau 1,2 mg/kg TS, Halle 0,6 mg/kg TS, Zeitz 0,22 mg/kg TS, Schkopau 2,5 mg/kg TS, Sangerhausen 0,4 mg/kg TS, Eisleben 0,7 mg/kg TS und Hettstedt 0,7 mg/kg TS. Bei der Beprobung von Auenböden wurden als Höchstgehalte an einem Standort im Bereich Bitterfeld 2,78 mg/kg TS (1992) und an einem Standort im Bereich Dessau 9,83 mg/kg TS (1995) gemessen. Am Altlaststandort Bitterfeld-Wolfen (Ökologisches Großprojekt) waren Maximalbelastungen von bis zu 7.900 mg/kg TS angetroffen worden. Höchstwerte in Schkopau im Ökologischen Großprojekt BUNA von bis zu 170.000 mg/kg TS waren auf dispers verteiltes metallisches Quecksilber zurückzuführen. Oberflächliche Bodenbelastungen lagen bei bis zu 10.000 mg/kg TS. Die hochbelasteten Flächen sind an beiden Standorten vollständig saniert. Im Ökologischen Großprojekt „Erdgasfelder Altmark“ (Salzwedel) traten bei kleinräumigen Belastungen des Bodens meist Konzentrationen unter 50 mg/kg TS auf. Bei einer Beprobung von Oberböden im Nahbereich der Hütten in Eisleben, Helbra und Hettstedt im Jahr 1991 im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens im Auftrag des UBA und des BMU wurden Quecksilberkonzentrationen bis max. 10 mg/kg TS nachgewiesen. Vom Landesamt für Umweltschutz (LAU) wird seit 1993 jährlich der zuvor ausgetauschte Boden auf dem Gelände einer Kindertagesstätte (KITA) in Hettstedt untersucht. In der Tiefenstufe 0-10 cm lag der höchste gemessene Quecksilbergehalt 1997 bei 0,35 mg/kg TS (Durchschnitt 1993-2014 bei 0,12 mg/kg TS), in der für die inhalative Aufnahme bedeutenden Tiefenstufe 0-2 cm bei 0,16 mg/kg TS (Durchschnitt 1993-2014 bei 0,10 mg/kg TS). 3 2. Welche Konzentrations-Höchstwerte an Methylquecksilber gibt es an diesen Standorten? Messungen von Methylquecksilber-Konzentrationen an diesen Standorten liegen nicht vor. 3. Wie haben sich an diesen Standorten die Konzentrationswerte für Quecksilber seit 1990 verändert? Im Rahmen der Bodendauerbeobachtung erfolgten bisher nur an wenigen Standorten Wiederholungsmessungen. Am Standort Salegaster Aue (nördlich Bitterfeld) wurden in Proben aus dem obersten Bodenhorizont Quecksilbergehalte 1992 von 2,78 mg/kg TS, 1997 von 2,37 mg/kg TS und 2007 von 1,14 mg/kg TS gemessen. Am Standort Seeben bei Halle wurde im obersten Bodenhorizont 1996 ein Quecksilbergehalt von 0,60 mg/kg TS und 2006 von 0,46 mg/kg TS festgestellt. Durch Sanierung der ehemals hoch belasteten Flächen im Bereich der Altlastenstandorte Bitterfeld-Wolfen und BUNA sind die vorhandenen Belastungen mit Quecksilber beseitigt worden. Davon unabhängig gibt es an den Standorten diffus verteilte Quecksilberbelastungen im Boden, die im Falle von Baumaßnahmen im Rahmen der bodenschutzrechtlichen bzw. abfallrechtlichen Behandlung der ausgehobenen Böden entsorgt werden. In den für den Expositionspfad Boden-Mensch relevanten Teufenbereichen (0-10 cm) liegen die Quecksilberbelastungen deutlich unter dem Prüfwert der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) für die Nutzungsart Industrie- und Gewerbegrundstücke (80 mg/kg TS). Über den Pfad Boden-Mensch bestehen keine Risiken . Im Zuge des Rückbaus von Einrichtungen und Lokationen sind im Erdgasförderfeld in der Altmark seit 2000 rund 200 Sondenplätze und etliche Gassammelpunkte sowie weitere Teilflächen so saniert worden, dass die für die Nachnutzung als Ackerfläche geltenden Prüfwerte der BBodSchV unterschritten werden. Die Veränderungen der Quecksilbergehalte am Standort der KITA Hettstedt- Altdorf können der beigefügten Anlage entnommen werden. 4. Wie haben sich an diesen Standorten die Konzentrationswerte für Methylquecksilber seit 1990 verändert? Siehe Antwort zu Frage 2. 5. Welche Methylquecksilbergrenzwertüberschreitungen an welchen Standorten zeichnen sich in der Vergangenheit oder in der Zukunft ab? Für Methylquecksilber enthält die BBodSchV keine Grenzwerte. 4 6. Welche Quecksilberbelastungen zeichnen sich im Bereich der Forstwirtschaft Sachsen-Anhalts ab? Das forstliche Umweltmonitoring für Sachsen-Anhalt deckt sieben Schwermetalle ab. Quecksilber gehört nicht dazu. Aus der Bodenzustandserfassung und Bodendauerbeobachtung des LAGB an Waldböden außerhalb von Flussauen liegen die Quecksilberkonzentrationen in der Humusauflage zwischen 0,11 - 0,81 mg/kg TS und im Oberboden zwischen 0,06 - 0,35 (in einem Fall 0,72) mg/kg TS vor. In Flussauen von Elbe und Mulde wurden im obersten Bodenhorizont Gehalte von 1,09 - 2,73 mg/kg TS festgestellt . 7. Welche Quecksilbermengen pro Hektar können bei Waldbränden freigesetzt werden? Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 8. Womit ist es zu erklären, dass die Quecksilberbelastung bei jungen Erwachsenen in Ostdeutschland um etwa 40 % höher ist, als bei ihren Altersgenossen in Westdeutschland? Im Auftrag des Umweltbundesamtes hat das Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) und der QuoData GmbH - Quality & Statistics - im Rahmen der Umweltprobenbank-Begleitforschung ein Projekt zur integrierten Bewertung von Quecksilber bearbeitet und Proben der Jahre 1995 bis 2013 ausgewertet (Schlussbericht Juli 2015). Es zeigte sich, dass junge Erwachsene in Deutschland immer weniger mit Quecksilber belastet sind. Dabei ergab sich aber auch, dass die mittlere Quecksilberfracht der in Ostdeutschland geborenen Studierenden circa 40 % höher ist als die westdeutscher Studierender. Dieser Ost-West-Unterschied wird im Wesentlichen auf die Eintragsquelle „Amalgam“ zurückgeführt: Die Zähne ostdeutscher Studierender weisen mehr mit Amalgam behandelte Flächen auf als die westdeutscher Studierender . 9. Im Jahr 2013 haben die Kohlekraftwerke mit den höchsten Quecksilberemissionen zusammen fünf Tonnen ausgestoßen. 85 % dieser Menge kann mit quecksilberspezifischen Techniken gemindert werden. Würden die entsprechend strengen Emissionsgrenzwerte für Quecksilberemissionen in Anlehnung an US-Vorschriften (MATS Mercury and Air Toxics Standards, EPA 40 CFR Part 63, 16. Dezember 2011) einen erhöhten Schutz der menschlichen Gesundheit bewirken? Eine weitere Senkung der derzeitigen Emissionen an Quecksilber im Abgas aus Kohlekraftwerken ist grundsätzlich technisch möglich. Dabei sind aber mögliche mediale Verlagerungseffekte zu bedenken. Die Fachdiskussionen dazu laufen derzeit. Insofern kann die gestellte Frage nicht abschließend beantwortet werden . Anlage Konzentrationsänderungen eines Oberbodens zwischen 1993 und 2014 in einem Kindergarten der Stadt Hettstedt Jahr der Probennahme Hg mg/kg TS Boden (0-2 cm) Hg mg/kg TS Boden (0-10 cm) 1993 0,09 0,09 1994 0,14 0,10 1995 0,13 0,11 1996 0,07 0,10 1997 0,10 0,35 1998 0,14 0,14 1999 0,09 0,10 2000 0,16 0,13 2001 0,15 0,15 2002 0,13 0,16 2003 0,13 0,13 2004 0,06 0,10 2005 0,13 0,12 2006 0,10 0,08 2007 0,08 0,07 2008 0,06 0,08 2009 0,09 0,07 2010 0,10 0,13 2011 0,09 0,19 2012 0,08 0,08 2013 0,08 0,07 2014 0,10 0,09 Mittelwert 0,10 0,12