Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4868 30.03.2016 (Ausgegeben am 31.03.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Anwendung der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) hinsichtlich Brandschutz für die Schweinezuchtanlage der JRS Hybrid Deutschland GmbH in Maasdorf („Schweinehochhaus“) Kleine Anfrage - KA 6/9096 Vorbemerkung des Fragestellenden: In den Antworten auf eine Kleine Anfrage, mit der Drucksache 6/4271 vom 23. Juli 2016 gibt die Landesregierung zu Frage 7 an, dass § 14 der BauO LSA für das „Schweinhochhaus“ keine Anwendung finde, da es im Umfang der erfolgten baurechtlichen Zulassung formellen und materiellen Bestandsschutz genieße. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. In § 86 Abs. 1 BauO LSA heißt es, dass verlangt werden kann, dass bestehende Anlagen an dieses Gesetz und damit an das neue Recht angepasst werden, wenn dies wegen der Sicherheit oder Gesundheit erforderlich ist. Die Bestimmungen des Brandschutzes zählen zu denen der Sicherheit oder Gesundheit, wobei das Gesetz nicht zwischen Menschen und Tieren differenziert. Daher kann der Anwendung des § 14 BauO LSA Bestandsschutz nicht entgegengehalten werden. Inwieweit ist die Landesregierung der Ansicht, dass trotz § 86 Abs. 1 BauO LSA die Einhaltung der Vorgaben des § 14 BauO LSA im „Schweinehochhaus“ nicht verlangt werden kann? Nachträgliche Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzes können nicht geltend gemacht werden, weil die Voraussetzungen für ein Anpassungsverlangen nach § 86 Abs. 1 BauO LSA (Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt) nicht gegeben sind. 2 Nach § 86 Abs. 1 BauO LSA kann verlangt werden, dass bestehende oder nach genehmigten Bauvorlagen begonnene bauliche Anlagen angepasst werden, wenn in der BauO LSA oder aufgrund der BauO LSA erlassener Vorschriften andere Anforderungen als nach früherem Recht gestellt werden und wenn dies wegen der Sicherheit oder Gesundheit erforderlich ist. Das Gesetz knüpft die Anwendbarkeit der Norm daran, dass andere Anforderungen als nach früherem Recht gestellt werden. Im Einzelfall ist daher die neue Rechtslage mit dem früher geltenden Recht zu vergleichen. Für bestehende bauliche Anlagen ist auf die Rechtslage abzustellen, wie sie sich im Zeitpunkt ihrer Entstehung dargestellt hat. Aufgrund der weiteren tatbestandlichen Voraussetzung der Erforderlichkeit des Anpassungsverlangens wegen der Sicherheit oder Gesundheit kann nicht jegliche Änderung dieser Anforderungen ein Anpassungsverlangen rechtfertigen, sondern es muss sich um Verschärfungen durch erhöhte oder andersartige Anforderungen gegenüber dem bisherigen Recht handeln (OLG NRW, Beschluss vom 13. Juli 1990, 7 B 855/90, BRS 50 Nr. 203). Eine derartige Änderung der Rechtslage ist seit Entstehung der Schweinezuchtanlage im Verhältnis zu den im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage geltenden „Technischen Normen. Gütevorschriften und Lieferbedingungen -TGL“ der ehemaligen DDR (hier: TGL 10685 „Bautechnischer Brandschutz, Gebäude und Anlagen der tierischen Produktion“), die Gesetzescharakter hatten, nicht eingetreten . Weder die BauO LSA, noch auf deren Grundlage erlassene Rechtsverordnungen beinhalten konkrete brandschutzrechtliche Anforderungen für Tierhaltungsanlagen . § 14 Abs. 1 BauO LSA formuliert die allgemeine Anforderung, dass bauliche Anlagen u. a. so zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren möglich ist. Hierin ist keine Verschärfung der Rechtslage gegenüber den TGL 10685 zu sehen. Über § 14 Abs. 1 BauO LSA hinaus gibt es keine Rechtsvorschriften, die mit den damaligen TGL vergleichbar konkrete brandschutzrechtliche Anforderungen beinhalten. Vielmehr muss in jedem Einzelfall eine sachverhaltsbezogene Darstellung der zur Gewährleistung des Schutzzweckes vorgesehenen Maßnahmen in den Bauvorlagen, insbesondere im Brandschutznachweis, der nach Maßgaben des § 65 BauO LSA bauaufsichtlich zu prüfen ist, erfolgen. Zur sinngemäßen Anwendung von Vorschriften der BauO LSA auf Tierhaltungsanlagen verweise ich ergänzend auf die Ausführungen zu Frage 7 in der Antwort der Landesregierung vom 23. Juli 2015 zu KA 6/8811. Zudem muss die Anpassung wegen der Sicherheit oder der Gesundheit erforderlich sein, um eine Anordnung mit dem Ziel der Veränderung rechtmäßig bestehender Bausubstanz zu rechtfertigen. Das Erfordernis einer Anpassungsanordnung ist dann zu bejahen, wenn über das Vorliegen einer rein abstrakten Gefahr hinaus im konkreten Einzelfall nach Ermittlung der individuellen Gegebenheiten des betreffenden Objekts und deren fachlicher Bewertung in überschaubarer Zukunft nach fachkundiger Feststellung der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht ganz unwahrscheinlich ist (so: BVerwG, Urteil vom 3 12. Juli 1993, I C 23.72, DVBl. 1973, 857). Davon ist vorliegend nicht auszugehen . Insbesondere hinsichtlich der geringen Brandlast verweise ich auf die Antwort der Landesregierung vom 23. Juli 2015 auf die KA Nr. 6/8811 zu Frage 7. 2. Ist ein behördliches Anpassungsverlangen bezüglich der gegenüber dem Zeitpunkt der Errichtung der Anlage geänderten Rechtslage erfolgt? Nein. 3. Das OVG Nordrhein-Westfalen hatte sich in einer Entscheidung vom 22. Juli 2002, Az. 7 B 508/01, mit der Frage auseinanderzusetzen, ob auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 BauO NRW (wortgleich mit § 86 Abs. 1 BauO LSA) wegen einer Verschärfung der Rechtslage nach Erteilung der Baugenehmigung weitere Maßnahmen in Bezug auf den Brandschutz verlangt werden können, und hat dies ausdrücklich bejaht. Das OVG NRW stellt in dem Zusammenhang fest, dass Brandgefahren solche sind, die unter § 87 Abs. 1 BauO NRW- und damit unter § 86 Abs. 1 BauO LSA- zu subsumieren sind, da mit der Entstehung eines Brandes jederzeit gerechnet werden kann und ein Feuer grundsätzlich zur Gefährdung von Leben und Gesundheit führt. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass es sich beim Brandschutz nicht um Fragen der Sicherheit oder Gesundheit im Sinne des § 86 Abs. 1 BauO LSA handelt? Nein. Zweifellos handelt es sich beim Brandschutz um sicherheitsrechtliche Anforderungen im Sinne von § 86 Abs. 1 BauO LSA. Der in der Fragestellung benannte Beschluss des OVG NRW vom 22. Juli 2002 (7 B 508/01 juris) betraf einen Sachverhalt, der mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar war. Im vom OVG NRW zu entscheidenden Fall war eine Verschärfung der Rechtslage eingetreten. Es ging darum, an einem Wohnhaus eine Nottreppe als zweiten Rettungsweg anzubringen. Während nach der alten Rechtslage der zweite Rettungsweg für gefährdete Personen mit von der Feuerwehr vorgehaltenen Rettungsgeräten als ausreichend angesehen wurde, war nach der Neuregelung des § 17 BauO NRW 1984 das Erfordernis zweier voneinander unabhängiger Rettungswege erstmals gesetzlich festgeschrieben worden. 4. Die Drucksache 6/1805 vom 13. Februar 2013 enthält einen Gesetzentwurf zur Änderung der BauO LSA. Auf Seite 33 anerkennt die Landesregierung ausdrücklich die Anpassung bestehender Anlagen an neues Recht und weist die Anregung von Haus & Grund zurück, derartige Anpassungsverlangen von deren Wirtschaftlichkeit abhängig zu machen. Warum soll das Verlangen nach Anpassung des „Schweinehochhauses“ an geltende Brandschutzbestimmungen aus Bestandsschutzgründen ausgeschlossen sein? Ich verweise insofern auf die Erläuterungen zu Frage 1. 4 5. Auf die Frage 9 in der Drucksache 6/4271 vom 23. Juli 2016 nach der Gewährleistung der Tierrettung aus allen Etagen im Falle eines Brandes gibt die Landesregierung an, dass eine Rettung der Tiere in kurzer Zeit nicht durchgeführt werden könne. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass eine Tierhaltungsanlage betrieben werden darf, wenn eine Rettung der Tiere im Brandfall nicht möglich ist? Oder hat die Landesregierung die Absicht, dass die Schweine aus dem „Schweinehochhaus“ im Brandfall doch gerettet werden können? Wenn ja, wie soll die Rettung dann erfolgen? Hierzu verweise ich auf die Ausführungen zu Frage 7 und Frage 9 in der Antwort der Landesregierung vom 23. Juli 2015 auf die Kleine Anfrage Nr. 6/8811.