Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/665 14.12.2011 (Ausgegeben am 15.12.2011) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Jugendstrafvollzug in Sachsen-Anhalt (I) Kleine Anfrage - KA 6/7264 Vorbemerkung des Fragestellenden: Gerade die in der Jugendanstalt befindlichen Mehrfach- und Intensivtäter sollen sich mit Hilfe von „Anti-Gewalt-Trainingskursen“ mit ihrer Tat auseinandersetzen, die Verantwortung dafür übernehmen und sich mittels dieser Kurse auch mit den Konsequenzen und Folgen für die Opfer auseinandersetzen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Werden in der Jugendanstalt Raßnitz sogenannte „Anti-Gewalt-Trainings- kurse“ für die Gefangenen angeboten? Wenn ja, in welcher Anzahl und in welchem Zeitraum? In der Jugendanstalt Raßnitz werden zwei konzeptionell unterschiedliche AntiGewalt -Trainingskurse für Jugendstrafgefangene angeboten. Zum einen handelt es sich hierbei um das Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“, das seit 2007 in Kooperation mit dem Verein „Violence Prevention Network e. V.“ durchgeführt wird und sich speziell an rechtsextrem orientierte Gewalttäter richtet. Die Maßnahme findet wöchentlich statt. Jeder Trainingskurs besteht aus mehreren, aufeinander aufbauenden Modulen mit 23 Trainingseinheiten im Umfang von jeweils vier Stunden und erstreckt sich über einen Zeitraum von über fünf Monaten. Das Training wird ergänzt durch Einzelgespräche, Familien- und Angehörigentage sowie Sport. Seit Einführung dieses Programms im Jahr 2007 konnte jährlich ein Kurs angeboten werden. Zum anderen werden in der Jugendanstalt Raßnitz Trainingskurse für Gewaltstraftäter nach dem Anti-Gewalt-Training Magdeburg® mit eigenem, entspre- 2 chend ausgebildetem Personal durchgeführt. Die Zielgruppe dieses Programms sind Jugendstrafgefangene, die mit Gewaltdelikten ohne spezifischen rechtsorientierten Hintergrund auffällig geworden sind. In den Jahren 2008 und 2010 wurde jeweils ein solcher Kurs abgehalten. Das Anti-Gewalt-Training Magdeburg® umfasst sieben Module, die sich auf ca. 30 Sitzungen von je vier Stunden erstrecken. Die Gesamtdauer des Trainings beträgt ca. neun Monate. 2. Wie erfolgt das Verfahren hinsichtlich der Teilnahme am „Anti-Gewalt- Training“? Das maßgebliche Teilnahmekriterium sind die im Gerichtsurteil benannten Gewaltstraftaten . Bei dem Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“ muss daneben ein rechtsorientierter Hintergrund vorhanden sein. Jugendstrafgefangene, bei denen aus therapeutischer Sicht eine Teilnahme an einer solchen Maßnahme angezeigt ist, werden seitens der Jugendanstalt bereits im Zuge der Aufnahmeuntersuchung gezielt angesprochen und für eine Teilnahme motiviert. Die Entscheidung über die Zusammensetzung der Trainingsgruppe treffen die jeweiligen Trainer gemeinsam mit den Anstaltspsychologen. Teilnahmevoraussetzung ist die Bereitschaft, in der Gruppe über das eigene Leben und die begangenen Straftaten zu sprechen sowie die innerhalb der Gruppe verabredeten Regeln einzuhalten. Diejenigen Jugendstrafgefangenen, die für eine Teilnahme am Anti-GewaltTraining Magdeburg® in Betracht kommen, müssen zusätzlich ein standardisiertes Vorverfahren absolvieren. 3. Gibt es Gefangene, die trotz ihres Wunsches nicht am „Anti-Gewalt-Trai- ningskurs“ während ihrer Haftzeit teilnehmen können? Falls ja, warum? In Einzelfällen kommt es vor, dass Jugendstrafgefangene an einem solchen Training trotz ihres Wunsches nicht teilnehmen können. Neben Kapazitätsbeschränkungen der Trainingskurse und einer längerfristigen Erkrankung einer ausgebildeten Trainerin liegen die Gründe auch in dem Umstand begründet, dass sich diese Kurse primär an Jugendstrafgefangene richten, die eine längere , im Regelfall über zwei Jahre dauernde, Freiheitsstrafe zu verbüßen haben. Straftäter mit einer kürzeren Freiheitsstrafe kommen daher nur in Ausnahmefällen für ein solches Training in Betracht. Darüber hinaus erfüllt nicht jeder junge Gewaltstraftäter die unter Ziffer 2. genannten Teilnahmekriterien. Für diejenigen Jugendstrafgefangenen, die aus den genannten Gründen nicht in eines der beiden Trainingsprogramme aufgenommen werden können, wird die Gewaltproblematik im Rahmen der Deliktaufarbeitung behandelt, die in jedem Fall stattfindet. Hierzu werden im Bedarfsfall auch psychotherapeutische Einzelsitzungen unter Einbeziehung externer Fachkräfte durchgeführt. 3 4. Wer führt das „Anti-Gewalt-Training“ in der Jugendanstalt Raßnitz durch? Das Trainingsprogramm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“ führen mindestens zwei externe Trainer des Vereins „Violence Prevention Network“ aus Berlin sowie ein Psychologe der Jugendanstalt Raßnitz durch. Das Anti-Gewalt-Training Magdeburg® wird ebenfalls von zwei Trainern durchgeführt . In der Jugendanstalt Raßnitz wurden hierfür seit 2007 insgesamt vier Mitarbeiter ausgebildet, von denen zwei dem allgemeinen Vollzugsdienst, einer dem sozialen Dienst und einer dem psychologischen Dienst angehören. Bei der Durchführung dieses Trainings wirken zudem punktuell externe Fachkräfte (z. B. Gerichtsmediziner) sowie kontinuierlich ca. zehn ehrenamtliche Personen mit. 5. In welchem Umfang wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 „Anti-Gewalt -Trainingskurse“ in der Jugendanstalt Raßnitz durchgeführt? Im Jahr 2009 haben zwei Anti-Gewalt-Trainingskurse nach dem Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“ stattgefunden. Im Jahr 2010 haben ein Anti-Gewalt-Trainingskurs nach dem Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“ sowie ein Trainingskurs nach dem Anti-Gewalt-Training Magdeburg® stattgefunden. Im Jahr 2011 hat ein Anti-Gewalt-Trainingskurs nach dem Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“ stattgefunden. 6. Wie viele Gefangene nahmen in diesen Jahren daran (erfolgreich) teil? An dem Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt “ haben seit dem Jahr 2009 insgesamt 32 Jugendstrafgefangene teilgenommen . Davon haben 31 Gefangene das Training erfolgreich bis zum Ende absolviert. An dem Anti-Gewalt-Training Magdeburg® haben seit dem Jahr 2009 insgesamt acht Jugendstrafgefangene teilgenommen. Davon haben vier Gefangene das Training erfolgreich bis zum Ende absolviert. 7. Wie wird die Sicherheit während des „Anti-Gewalt-Trainings“ für die Teil- nehmenden an diesen Kursen wie auch für die Durchführenden dieser Kurse gewährleistet? Die an der Durchführung der Kurse beteiligten Bediensteten (vgl. dazu die Ausführungen zu Ziffer 4.) sind im Umgang mit jungen Gefangenen geschult und erfahren. Darüber hinaus werden die Trainingsgruppen in überschaubaren Größen gehalten und auf Fehlverhalten einzelner Gefangener wird konsequent und angemessen reagiert. Alle Trainingseinheiten werden in Räumen der Jugendanstalt Raßnitz durchgeführt, die mit Notrufanlagen ausgestattet sind. Alle Trainer tragen darüber hinaus ständig ein mobiles Personensicherheitssystem bei sich, über das sie im Bedarfsfall sofort einen Hilferuf absetzen können.