Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/799 10.02.2012 (Ausgegeben am 10.02.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Rüdiger Erben (SPD) Sonderfahrberechtigung für Einsatzfahrzeuge bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 7,5 t der Freiwilligen Feuerwehren, der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste, des Technischen Hilfswerks und sonstiger Einheiten des Katastrophenschutzes Kleine Anfrage - KA 6/7324 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Deutsche Bundestag hat mit dem „Siebten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes “ vom 23. Juni 2011 die Voraussetzungen für eine Sonderfahrberechtigung für Einsatzfahrzeuge bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 7,5 t (einschließlich Fahrzeugkombinationen) der Freiwilligen Feuerwehren, der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste, des Technischen Hilfswerks und sonstiger Einheiten des Katastrophenschutzes geschaffen und die Länder ermächtigt, die nähere Ausgestaltung durch Rechtsverordnung vorzunehmen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Beabsichtigt die Landesregierung von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen? Wenn ja, wann wird dies erfolgen? Wenn nein, aus welchen Gründen wird davon kein Gebrauch gemacht, obwohl sich Sachsen -Anhalt in der Vergangenheit im Bundesrat für eine solche Regelung ausgesprochen hat? Die Landesregierung beabsichtigt derzeit nicht, von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen. Nach Auffassung der Landesregierung ist eine reguläre Fahrschulausbildung und eine externe Prüfung durch amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer aus Gründen der Verkehrssicherheit insbesondere für ehrenamtlich Tätige unter den besonderen Bedingungen bei Einsatzfahrten notwendig. 2 In diesem Zusammenhang ist der tragische Unfall eines Feuerwehrlöschfahrzeugs der Freiwilligen Feuerwehr Wolmirstedt am 19. Juni 2006 in der Nähe von Glindenberg (Landkreis Börde) noch immer gegenwärtig, wobei es im Rahmen einer genehmigten Einsatzübung bei der Fahrt mit Blaulicht und Martinshorn an einer Kreuzung zu einer Kollision mit einem Pkw kam und vier Insassen des Feuerwehrfahrzeugs im Alter zwischen 20 und 24 Jahren noch an der Unfallstelle verstarben und vier weitere Kameraden schwer verletzt wurden. Auch der Landesfeuerwehrband Sachsen-Anhalt hat sich bisher gegen eine Erteilung von derartigen „Fahrberechtigungen“ ausgesprochen, weil diese von Gesetzes wegen nur im Dienst (Einsatz und Ausbildung) nutzbar sind und damit kein Anreiz für die Gewinnung von ehrenamtlich tätigen Nachwuchskräften geschaffen werde. Darüber hinaus lehnt der Landesfeuerwehrband SachsenAnhalt die dem ehrenamtlichen Ausbilder als „Führer des Kraftfahrzeugs“ i. S. v. § 2 Abs. 15 Straßenverkehrsgesetz (StVG) obliegende Haftung aus Gründen der Fürsorgepflicht ab. Vielmehr wird auch von dort ein möglichst kostengünstiger Erwerb einer regulären Fahrerlaubnis der Klasse C 1 favorisiert. Schließlich ist nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt, ob eine landesrechtliche Regelung für Fahrberechtigungen zum Führen von Einsatzfahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t bis 7,5 t mit europäischem Fahrerlaubnisrecht vereinbar wäre. Nach Artikel 4 Abs. 5 Satz 2 der sog. 3. EG-Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG) können die Mitgliedstaaten Fahrzeuge, die vom Katastrophenschutz eingesetzt werden oder seiner Kontrolle unterstellt sind, von der Anwendung dieser Richtlinie ausschließen. Nach Auffassung der EU-Kommission fallen Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehren nicht unter den Begriff „Katastrophenschutz“ (s. Bundesratsdrucksache zu Drucksache 602/08 (Beschluss) vom 5. Februar 2009). Fahrzeuge fallen nach Auffassung der EUKommission nur dann unter die Ausnahmevorschrift des Artikel 4 Abs. 5 Satz 2 der 3. EG-Führerscheinrichtlinie, wenn sie integraler Teil des Katastrophenschutzes sind und nicht nur gelegentlich für den Katastrophenschutz eingesetzt werden. Nach Kenntnis der Landesregierung hat die EU-Kommission bislang noch nicht abschließend über ein anhängiges EG-Vertragsverletzungsverfahren entschieden, so dass eine landesrechtliche Fahrberechtigungsregelung in einer rechtlich unklaren Situation für Unsicherheit bei den vielen ehrenamtlichen Tätigen in den Freiwilligen Feuerwehren, den Rettungsdiensten, dem Technischen Hilfswerk und den sonstigen Einheiten des Katastrophenschutzes sorgen würde . Da die Fahrberechtigung nicht - wie ursprünglich geplant nach zweijährigem Besitz - in eine reguläre Fahrerlaubnis der Klasse C 1 umgetauscht werden kann und damit nur im Dienst nutzbar ist, wird mit dem Modell der Fahrberechtigung weder ein Anreiz für die Gewinnung von ehrenamtlich tätigen Nachwuchskräften geschaffen noch die politisch gewollte Stärkung des Ehrenamtes erreicht. Auch deshalb hat die Landesregierung bisher von der Ermächtigung des § 6 Abs. 5 StVG keinen Gebrauch gemacht. Nach Auffassung der Landesregierung ist ein kostengünstiger Erwerb regulärer Fahrerlaubnisse der Klasse C 1 sowohl über frei verhandelbare Angebote von „zivilen“ Vor-Ort-Fahrschulen als auch durch kommunale „Behördenfahrschu- 3 len“ möglich. Der Erwerb von regulären Fahrerlaubnissen der Klasse C 1 könnte anteilig durch die nach dem Brandschutzgesetz verantwortlichen kommunalen Träger der Freiwilligen Feuerwehr finanziert werden. Vom Ministerium für Inneres und Sport wird derzeit geprüft, inwieweit sich auch das Land an der Finanzierung beteiligen kann. Die dem Fahrlehrerverband des Landes SachsenAnhalt e. V. angehörenden Fahrschulen werden den Trägern der Organisationen kostengünstige Angebote für den Fahrerlaubniserwerb der ehrenamtlich tätigen Mitglieder unterbreiten. Nach Einschätzung der Landesregierung ist es durchaus vorstellbar, dass die mit Haftungsfragen zu befassenden Gerichte im Falle einer unzulänglichen - vom Deutschen Bundestag aus Kostengründen zugelassenen - organisationsinternen Ausbildung (sog. „Laienausbildung“) zu einer Erhöhung der Haftungsquote für die kommunalen Träger der Freiwilligen Feuerwehr bzw. die Träger der sonstigen Organisationen und damit zu wesentlich höheren Kosten als für den Erwerb der regulären Fahrerlaubnis der Klasse C 1 führt. 2. Für den Fall, dass die Landesregierung von der Verordnungsermächti- gung Gebrauch macht: Soll in die Regelung auch die sog. „kleine Fahrberechtigung “ für Einsatzfahrzeuge bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 4,5 t einbezogen werden? Siehe Antwort zu 1. 3. Für den Fall, dass die Landesregierung von der Verordnungsermächti- gung Gebrauch macht: Soll es den betroffenen Organisationen ermöglicht werden, im Rahmen der bestehenden Strukturen - auch organisationsübergreifend - ihre ehrenamtlichen Angehörigen selbst zum Führen von Einsatzfahrzeugen (auch mit Fahrzeugkombinationen) bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 7,5 t auszubilden und zu prüfen oder wird dies ergänzend oder auch ausschließlich an einer zentralen Einrichtung (z. B. der Brand- und Katastrophenschutzschule Heyrothsberge) erfolgen? Siehe Antwort zu 1.