Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/829 21.02.2012 (Ausgegeben am 21.02.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jens Kolze (CDU) Neuordnung des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt - Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau Kleine Anfrage - KA 6/7325 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau ist eine Anstalt des geschlossenen Vollzuges für männliche erwachsene Strafgefangene mit einer Untersuchungshaftabteilung für männliche Erwachsene. Sie besitzt eine Außenstelle in Magdeburg. Die Justizvollzugsanstalt verfügt über insgesamt 395 Haftplätze. 176 in der JVA Dessau-Roßlau und 219 in der Außenstelle Magdeburg. Die Koalitionspartner haben vereinbart, dass die Justizvollzugsstrukturen im Land Sachsen-Anhalt weiter zu optimieren und zu konzentrieren sind. Das Ministerium für Justiz und Gleichstellung hat konkrete Pläne für eine zukunftsfähige Justizvollzugslandschaft erarbeiten lassen. Einen Standort ausbauen, andere im Gegenzug aufgeben - das war die Vorgabe für die Experten, die im Rahmen des Projekts „Justizstrukturreform Sachsen-Anhalt“ Vorschläge für Struktur- und Zeitpläne vorgelegt haben. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie hoch ist der Sanierungsaufwand für die JVA Dessau-Roßlau (mit und ohne Außenstelle Magdeburg) einschließlich des Kostenansatzes für die Realisierung einer gesetzeskonformen Herrichtung der Anstalt? Ich bitte um Aufschlüsselung der Kosten für die Grundsanierung, für die Bewerkstelligung eines ordnungsgemäßen Brandschutzes sowie für den Umbau zur Realisierung der gesetzlich geforderten Einzelunterbringung für Gefangene . Vgl. hierzu die dargestellte tabellarische Übersicht. 2 Übersicht über den Sanierungsaufwand der JVA Dessau-Roßlau einschl. der Außenstelle Magdeburg (Stand: 9. Januar 2012) Anstalt Sanierungskosten mit anschl. Einzelbelegung davon Brandschutz Haftplatzreduzierung durch Einzelunter - bringung Kosten1 der Einzelunterbringung ² durch Ersatzbau an anderem/n Standort/en Gesamtkosten für Investitionen DessauRoßlau 9,1 Mio. € 327.000 € 222 - 85 = 137 HP 15,3 Mio. € für 85 HP 24,4 Mio. € AS Magdeburg 35,9 Mio. € 686.000 € 219 - 47 = 172 HP 8,4 Mio. € für 47 HP 44,3 Mio. € Gesamtsumme : 45 Mio. € 1,013 Mio. € 441 - 132 = 309 HP 23,7 Mio. € für 132 HP 68,7 Mio. € 1 Die Kosten basieren auf einer Berechnung von 180.000 €/Haftplatz (durchschnittliche Neubaukosten für Justiz- vollzugsanstalten in Deutschland als Grundlage der Baukostenkalkulation der Staatshochbauverwaltung). ² Die Kosten für teilweise Ersatzbauten an anderem/n Standort/en ergeben sich aus der bautechnisch/statisch nicht veränderbaren Struktur der alten Gebäude in der JVA Dessau und der Außenstelle Magdeburg und mangelnden räumlichen Kapazitäten an diesen Standorten. 2. Wie hoch sind die Gesamtkosten für die in der JVA Dessau-Roßlau (mit und ohne Außenstelle Magdeburg) bereits getätigten Investitionen seit der Wiedervereinigung? Gemäß der Zuordnungsrichtlinien zum Gruppierungsplan (ZR-GPL) werden mit Ausnahme der Baumaßnahmen (HGr. 7) in der HGr. 8 Sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen Ausgaben zusammengefasst, sofern der Erwerb im Einzelfall den Wert von 5.000 € übersteigt. Entsprechend dieser Wertgrenze sind die Investitionen in den Anstalten in den beiliegenden Tabellen ermittelt worden. a) Investitionen (außerhalb von Bau und Sicherheit): JVA Dessau-Roßlau (ohne Außenstelle) Höhe der Investitionen Jahr Art der Investition beweglich unbeweglich ausgesondert / wirtschaft- lich verschlissen 2006 Ersatz eines Wäschetrockners 7.463,29 € 2006 Ersatz eines Metallsuchrahmens 4.930,00 € 2007 Waschschleuderautomat, Butterportionierautomat , Geschirrspülautomat 28.141,74 € 3 2007 2 Metallsuchrahmen 13.030,50 € 2007 Kommunaltraktor 19.565,93 € 2008 Ersatz der Großküchentechnik (Kippbrat- pfanne, Kochkessel, Mischknet- und Mengenmaschine , Kühlschränke usw.) 58.931,15 € 2008 Ausstattung von 80 PC-Arbeitsplätzen (einschl. Servertechnik) 95.828,00 € 2009 Einrichtung der Arztpraxis und Ambulanz 28.113,36 € 2011 Wäschetrockner 7.651,70 € Ausstattung der Gefangenenküche (Universalküchenmaschine , Kochkessel, usw.) 56.818,14 € JVA Dessau-Roßlau, Außenstelle Magdeburg Höhe der Investitionen Jahr Art der Investition beweglich unbeweglich ausgesondert / wirtschaftlich verschlissen 2007 Wäschetrockner 8.095,00 € 2007 EKG-Diagnostikgerät 23.473,27 € 2008 Mittlerer GTW 68.425,62 € 2008 Zahnmedizinisches Röntgengerät 9.872,51 € 2008 Kippbratpfanne 8.211,00 € 2008 Kühlschrank 10.103,40 € 2008 Schnellkochkochkessel und Arbeitstisch 9.758,00 € 2008 Kochkessel 8.449,00 € 2008 Kochkessel 16.220,00 € 2009 Software Texprint V2008 11.925,33 € 2010 Ausstattung von 80 PC-Arbeitsplät- zen (einschl. Servertechnik) 90.116,00 € 2011 Ersatz Bandgeschirrspülmaschine 48.663,19 € 2011 Ersatz einer Dentaleinheit 35.055,02 € 2011 Ersatz eines Kommunaltraktors 19.982,13 € Die aufgeführten Investitionen sind für die Bewertung von Schließungsentscheidungen irrelevant, weil die entsprechenden Wirtschaftsgüter jederzeit an einen anderen Standort verbracht werden können und in absehbarer Zeit vor der Aussonderung stehen. Bücher und Rechnungsunterlagen sind zehn Jahre, Belege sechs Jahre aufzubewahren (vgl. lfd. Nr. 4.6.2 der VV zu §§ 70 bis 72 und 74 bis 80 LHO). Aussagen zu noch weiter in der Vergangenheit liegenden Investitionen können nicht getätigt werden. In der Regel sind diese Wirtschaftsgüter abgeschrieben und wären ohnehin ebenfalls beweglich. 4 b) Bau und Sicherheitsinvestitionen: JVA Dessau-Roßlau (ohne Außenstelle) Außensicherung 1.985.346,37 Umbau Speisesaal und Küche 571.624,32 Neubau Wäscherei / Nahwärme 1.633.066,27 Dachsanierung 243.046,17 Einbau von Duschen und Dachfenster Hafthaus 3 113.506,80 Prov. Herrichtung des Hauses 4 als Abt. des offenen Vollzuges 40.903,35 Sanierungsmaßnahmen in den Hafthäusern 1 - 3 255.645,94 Installation Zellenkommunikationsanlage, PSS und Videoüberwachung 1.957.518,96 Herrichtung Freistundenhof für U-Haft 35.790,43 Umbau Geb. 6.15.3 (7 zusätzl. Haftplätze) 107.371,30 Einbau von Etagenduschen im Hafthaus 1 196.336,08 Sanierung des Beratungsraumes im Verw.-gebäude 30.677,51 Brandschutztechnische Maßnahmen (einschl. Geophone) 309.500,00 Einbau von Duschen im Hafthaus 2 einschl. Erweiterung Außensicherung 363.600,00 Einbau eines zweiten Rettungsweges im Hafthaus 2 143.161,73 Installation einer Videoüberwachungsanlage in den Besuchsräumen 30.000,00 Bauunterhaltung in 2004 465.000,00 Bauunterhaltung in 2005 331.670,00 Bau eines zweiten Rettungsweges im Hafthaus 3 218.200,00 Einrichten einer SEK-Befehlsstelle in 2006 101.000,00 Hafthaus 2: Umbau Gemeinschaftsduschen in zwei b.g.H. 68.000,00 Hafthaus 3: Erneuerung der Stahltreppe 80.000,00 Installation eines neuen PSS 810.000,00 Bauunterhalt 2007 850.000,00 Bauunterhalt 2008 696.000,00 Bauunterhalt 2009 421.000,00 Bauunterhalt 2010 270.000,00 Bauunterhalt 2011 288.675,45 Sanierung Dach der Verwaltung u. U-Haft-Gebäude 330.000,00 Hafthaus 2 - Einbau v. WC-Modulen u. HR.-Türen 760.311,92 Umbau Anstaltszentrale 524.022,79 Neubau Produktionshalle 1.046.703,36 Installation eines Alarmmanagementsystems 230.000,00 Aufrüstung des Alarmmanagementsystems 89.863,00 Heizungsumstellung Vw.-Gebäude 174.418,49 JVA Dessau-Roßlau, Außenstelle Magdeburg Erneuerung der Außensicherung 3.926.210,36 Abriss des Schornsteins (alte Heizung) 35.790,43 Bau eines zentralen Heizwerks 3.617.901,35 Einbau eines Stärke- und Fettabscheiders im Küchengebäude 178.952,16 Schließung der Außenmauer 209.629,67 Installation Zellenkommunikationsanlage, PSS und Videoüberwachung 1.750.456,00 Abriss der Garagen 30.677,51 Sanierung des Küchengebäudes, der med. Abteilung u. Hafthaus 1+2 1.102.856,59 Sanierung des Südflügels Hafthaus 1 (80 Haftplätze) 5.064.857,38 Brandschutztechnische Maßnahmen 290.385,15 5 Einrichtung einer Abt. des offenen Vollzuges (OLG-Container) 1.122.000,00 Sanierung der Sanitärleitungen im Hafthaus 2 370.000,00 Sanierung der Wäscherei 58.851,22 Trockenlegung Werkstättenbereich 72.976,84 Verkehrsweg Küchenhof / Beseitigung einer Havarie 70.879,36 Dachsanierungen 31.611,28 Sanierung Trapezblechverkleidung der Außenmauer 24.638,69 Sanierung und Umbau der Toiletten im Verw.-gebäude 75.601,30 Sanierung Wäscherei (Schimmelbildung) 115.000,00 Vergrößerung der Feuerwehrzufahrt Industriehof-Süd 2.500,00 Wehrung und Setzen neuer Zaunelemente 261.783,75 Sanierung des Ver- und Entsorgungsnetzes (Freiflächen) im Haftbereich 700.000,00 Sanierung der Freihöfe Haus II und Schaffung eines Sportplatzes 62.444,55 Freihofgestaltung (Innenbereich, nahe Küchengebäude) 89.198,08 Umbau von 29 Durchgangstüren mit Schlosstaschen und STUV- Schlössern 35.761,88 Fassadensanierung Küche Einbau von Kellerfenstern zur Belüftung 78.826,00 Umbau des Fensteraufschlages im Hafthaus 1 (Dreh-Kipp zu Drehfenstern ) 8.811,18 Erneuerung der Fußböden Hafthaus 1 + 2 39.753,62 Sanierung der Gefangenendusche Haus 1 Nordflügel 60.096,69 Umbau des Besuchereingangs Haus 2 5.970,39 Herrichtung eines kameraüberwachten Haftraumes und Besucherraumes 6.521,71 Wiederinbetriebnahme DSS-PNA (KEMAS) 14.969,01 Erneuerung der Türsteuerungsanlage im Pfortenbereich 16.060,71 Bauunterhaltung in 2004 und 2005 578.802,61 Bauunterhaltung in 2006 zzgl. nachfolgender Maßnahmen: 270.073,72 Bauunterhaltung in 2007 600.117,67 Bauunterhaltung in 2008 297.166,14 Bauunterhaltung in 2009 188.689,95 Bauunterhaltung in 2010 106.900,83 Bauunterhaltung in 2011 65.432,81 Anders als unter a) liegen diese Daten auch längerfristiger vor. Alle Investitionen in diesem Bereich sind lediglich auf das allernotwendigste Maß zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes gerichtet. Grundlegende Substanz verbessernde Maßnahmen sind bisher nicht vorgenommen worden. Im Schnitt wurden über 19 Jahre gerechnet so 830 T€ pro Jahr investiert. Wesentliche Teile der Investitionen sind schon abgeschrieben . Ein Teil der Investitionen ist zudem vergleichbar zu a) beweglich und an andere Standorte verbringbar. Die sonstigen Kaufwerte dürfen eine Entscheidung über Fortbestand oder Schließung eines Standortes nicht beeinflussen, weil über diese Investitionen nicht mehr disponiert werden kann. Für heutige Investitionsentscheidungen kommt es nur darauf an, was in die unterschiedlichen Varianten ab jetzt noch investiert werden muss. Im Übrigen kann für tatsächlich noch nutzbare Substanz durch das LIMSA nach Folgelösungen gesucht werden. 6 3. Hat das Ministerium für Justiz und Gleichstellung in dem Projekt Justiz- vollzugsreform eine alternative Modellrechnung vorgenommen, die den Erhalt der JVA Dessau-Roßlau (mit oder ohne Außenstelle Magdeburg) beinhaltet ? Wie sind die Eckdaten für eine solche alternative Modellrechnung kalkuliert? Nein. Die Projektgruppe „Justizvollzugsreform Sachsen-Anhalt“ ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beide Vollzugseinrichtungen - nach erfolgter Sanierung und vollständiger Herrichtung mit verfassungskonformen Einzelhafträumen - bereits unter baulichen/räumlichen Gesichtspunkten nicht entwicklungsfähig sind und mit Blick auf die verbleibenden geringen Belegungszahlen weder wirtschaftlich noch personalwirtschaftlich effizient betrieben werden können. Darüber hinaus wäre der Weiterbetrieb dieser künftig nur noch sehr kleinen Vollzugseinrichtungen auch aus vollzugsorganisatorischer Sicht ineffizient. Die Lebenssituation und Bedürfnisse der unterschiedlichen Gefangenengruppen bei der Unterbringung, Vollzugsgestaltung sowie bei Behandlungs- und sonstigen Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Vollzuges können erst in Justizvollzugsanstalten mit einer Kapazität von mind. 400 Haftplätzen angemessen berücksichtigt werden. Gleiches gilt für eine strukturierte, behandlungsorientierte Binnendifferenzierung, die strikte Umsetzung von gesetzlichen Trennungsgeboten und die Einrichtung spezieller Wohngruppen (z. B. nach alters- bzw. deliktspezifischen sowie therapeutischen Aspekten). Ferner können nur in Vollzugseinrichtungen mit einer entsprechenden Mindestgröße differenzierte Bildungs-, Ausbildungs - und Beschäftigungsmöglichkeiten für Gefangene vorgehalten werden, die eine eigenständige Ausbildung mit entsprechenden Abschlüssen gewährleisten . 4. Wäre ein Umbau der JVA Dessau-Roßlau (mit oder ohne Nebenstelle Magdeburg) zur Durchführung der Sicherungsverwahrung (mit und ohne Verwaltungsvereinbarung zur gemeinsamen Sicherungsverwahrung der Freistaaten Thüringen und Sachsen und des Landes Sachsen-Anhalt) möglich? a) Eine gemeinsame Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen- Anhalt und den Freistaaten Thüringen und Sachsen in der JVA DessauRoßlau - Stammanstalt - wäre in der derzeitigen Raumstruktur nicht möglich , da die dafür zur Verfügung stehenden Haftraumkapazitäten nicht die Vorgaben der Rechtssprechung erfüllen. Ein Umbau wäre möglich, aber unwirtschaftlich. Gleiches würde für die gemeinsame Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt und den Freistaaten Thüringen und Sachsen in der JVA Dessau-Roßlau - Außenstelle Magdeburg - gelten. b) Eine ausschließliche Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sach- sen-Anhalt in der JVA Dessau-Roßlau - Stammanstalt - ist für sich betrachtet baulich möglich, wird jedoch als unwirtschaftlich eingeschätzt. Gleiches würde für die ausschließliche Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt in der JVA Dessau-Roßlau - Außenstelle Magdeburg - gelten . 7 5. Hat das Ministerium für Justiz und Gleichstellung Eckdaten für einen Neubau zur Durchführung der Sicherungsverwahrung (mit und ohne Verwaltungsvereinbarung ) in Dessau-Roßlau berechnet? Wie hoch sind die Kosten für einen solchen Neubau? a) Nein. Die Projektgruppe „Justizvollzugsreform Sachsen-Anhalt“ hat keine Eckdaten für einen separaten Neubau am Standort Dessau-Roßlau zur gemeinsamen Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt und den Freistaaten Thüringen und Sachsen bzw. zur ausschließlichen Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt berechnet. Da die JVA Dessau-Roßlau weder baulich noch räumlich entwicklungsfähig ist, müsste ein separater Neubau außerhalb des derzeitigen Anstaltsgeländes , aber dennoch im Stadtzentrum (mit angrenzendem Wohngebiet) errichtet werden. Hiergegen sprechen - ungeachtet eines erhöhten Sicherheitsrisikos (z. B. in Form von Überwürfen u. ä.) - bereits personelle und wirtschaftliche Aspekte. Sowohl für einen gemeinsamen als auch für einen ausschließlichen Vollzug sachsen-anhaltinischer Sicherungsverwahrter in einer gesonderten Vollzugseinrichtung steht das benötigte (Fach)Personal nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung. Um Sicherungsverwahrte - entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 -) - angemessen zu behandeln und zu betreuen, ist insbesondere ein multidisziplinäres Team von qualifizierten Fachkräften erforderlich , da vor allem im therapeutischen Bereich alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden, da mögliche Therapien nicht nur deshalb unterbleiben dürfen, weil sie im Hinblick auf Aufwand und Kosten über das standardisierte Angebot der Anstalten hinausgehen (Individualisierungsund Intensivierungsgebot). Zwar hat der Vollzug der Sicherungsverwahrung grundsätzlich in vom Strafvollzug getrennten besonderen Gebäuden oder Abteilungen zu erfolgen (Abstandsgebot). Er muss jedoch nicht unbedingt vollständig räumlich vom Strafvollzug abgelöst sein. Daher ist unter personellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorrangig eine Anbindung an eine bereits bestehende große Vollzugseinrichtung in Betracht zu ziehen. Hierdurch ist es möglich, deren Personal, Infrastruktur und Sicherheitsmanagement zu nutzen und die ein differenziertes Arbeits- und Freizeitangebot zu gewährleisten, welches den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Sicherungsverwahrten hinreichend Rechnung trägt. Im Gegensatz dazu würde eine separate Vollzugseinrichtung zu einem eklatant hohen Personalbedarf führen, da Anstalten - unabhängig von der Anzahl der dort untergebrachten Sicherungsverwahrten - eine Grundversorgung sowie Schlüsselfunktionen (u. a. Pforten-, Küchen-, Kammer- und Abteilungsdienste ) vorhalten müssen, die in großen Einrichtungen effizienter zu organisieren sind. Gerade in Zeiten knapper bzw. zurückgehender Per- 8 sonalressourcen ist es daher notwendig, das benötigte Personal auf wenige , aber große Standorte zu konzentrieren. b) Die Kosten für einen Neubau würden sich bei gemeinsamer Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt und den Freistaaten Thüringen und Sachsen mit 90 Einzelhaftplätzen auf etwa 24.116.000 € belaufen (rd. 20.000.000 € an einmaligen Bau-/Investitionskosten und 4.116.000 € jährlich an Personalkosten). Dabei wäre ein Personalbedarf i. H. v. 98 Stellen anzusetzen. Bei einer ausschließlichen Unterbringung von Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt in einem Neubau in Dessau-Roßlau mit 25 Einzelhaftplätzen würden sich die Kosten auf etwa 7.029.000 € belaufen (rd. 6.000.000 € an einmaligen Bau-/Investitionskosten und 1.029.000 € jährlich an Personalkosten ). Dabei wäre ein Personalbedarf i. H. v. 35 Stellen anzusetzen. Der in beiden Varianten darüber hinaus zu erwartende Mehraufwand im gerichtlichen Bereich aufgrund der verstärkten Überprüfungs- und Kontrolldichte des Vollzuges der Strafhaft und der Sicherungsverwahrung oder der jährlichen Betriebskosten, lässt sich derzeit nicht konkret beziffern. 6. Sieht das Ministerium für Justiz und Gleichstellung im Falle der Verlegung der weiblichen Gefangenen aus Sachsen-Anhalt von der JVA Chemnitz zurück nach Sachsen-Anhalt eine alternative Unterbringung in der JVA Dessau-Roßlau (Haupt- oder Außenstelle Magdeburg) vor? Wäre eine Unterbringung der weiblichen Gefangenen in der JVA Dessau-Roßlau baulich möglich? a) Nachdem die Landesregierung mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 die Verwaltungsvereinbarung mit den Freistaaten Sachsen und Thüringen über den gemeinsamen Vollzug der Sicherungsverwahrung zum 31. Dezember 2012 gekündigt hatte, beendete der Freistaat Sachsen seinerseits die Verwaltungsvereinbarung über die gemeinsame Unterbringung der weiblichen Gefangenen aus Sachsen-Anhalt in JVA Chemnitz (SN) - ebenfalls zum 31. Dezember 2012. Vor diesem Hintergrund erwägt Sachsen-Anhalt nunmehr mit Brandenburg künftig einen gemeinsamen Frauenvollzug in der dortigen Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben zu praktizieren. Die Aufnahme der ersten weiblichen Gefangenen aus Sachsen-Anhalt könnte ab dem 2. Januar 2013 erfolgen. Die JVA Luckau-Duben bietet zusammen mit seiner Außenstelle Spremberg optimale Unterbringungsbedingungen sowie umfassende Behandlungs -, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die weiblichen Gefangenen beider Länder. Die Anzahl von derzeit 71 weiblichen Inhaftierten aus Sachsen-Anhalt macht deutlich, dass eine eigenständige Vollzugsanstalt in angemessener Größe für Sachsen-Anhalt nicht wirtschaftlich vorgehalten werden kann, um darin die zahlenmäßig gering vertretenen weiblichen Gefangenen unterzubringen und nach den Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes bzw. des Ju- 9 gendstrafvollzugsgesetzes zu behandeln. Darüber hinaus steht, insbesondere bis zum 1. Januar 2013, das erforderliche - überwiegend weibliche - Vollzugspersonal nicht zur Verfügung. Allein die Ausbildung für den allgemeinen mittleren Vollzugsdienst dauert zwei Jahre. Ein Zusammenziehen von weiblichen Bediensteten aus anderen Anstalten würde aufgrund von Zwangsversetzungen an Grenzen stoßen. Darüber hinaus würde der Abzug dieser Bediensteten in den übrigen Anstalten die ohnehin schon prekäre Personalsituation verschärfen und insbesondere aus Gründen der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung nicht verantwortbar sein. Die Herstellung entsprechender Vollzugsbedingungen wie in Luckau-Duben in einem separaten Frauenvollzug in Sachsen-Anhalt würde - angesichts der vorgenannten Gefangenenzahlen - einen unangemessen hohen und daher wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand erfordern. Ungeachtet dessen wären Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten (etwa der jugendlichen weiblichen Gefangenen) bereits dadurch erschwert, dass keine ausreichend großen Schulklassen geschaffen werden könnten, um eine eigenständige Ausbildung mit entsprechenden Abschlüssen gewährleisten zu können. b) Eine Unterbringung der weiblichen Gefangenen in der JVA Dessau-Roßlau - Stammanstalt - wäre möglich. Eine Unterbringung in Einzelhafträumen ist nicht möglich, da Hafträume in ausreichender Anzahl nicht zur Verfügung stehen. Für den Fall einer Unterbringung weiblicher Gefangener müssten umfangreiche Baumaßnahmen vorgenommen werden. Aufgrund der vorhandenen Gebäudestruktur ist, besonders aus statischen Gründen, eine Einrichtung von Einzelhafträumen nur begrenzt möglich. Gleiches gilt bei Unterbringung der weiblichen Gefangenen in der JVA Dessau-Roßlau - Außenstelle Magdeburg -. 7. Hat das Ministerium für Justiz und Gleichstellung für den Fall der unaus- weichlichen Schließung der JVA Dessau-Roßlau ein alternatives Nachnutzungskonzept für die Gebäude bzw. die Flächen erarbeitet? Ein alternatives Nachnutzungskonzept für die Gebäude und Flächen der JVA Dessau-Roßlau wurde durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung nicht erarbeitet. Für den Fall der unausweichlichen Schließung der JVA Dessau-Roßlau werden die Gebäude und Flächen zuständigkeitshalber an das Liegenschafts - und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt (LIMSA) bzw. zukünftig Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA) übergeben. Das LIMSA (bzw. zukünftig BLSA) wird die Liegenschaften nach einer Bedarfsabfrage in der Landesverwaltung anderen Behörden zur Verfügung stellen bzw. am Markt verwerten. 8. Besteht im Falle der unausweichlichen Schließung der JVA Dessau-Roß- lau durch die Justizvollzugsreform die Gefahr der Rückforderung von bereits ausgezahlten EU-Fördermitteln für durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen ? Da keine EU-Fördermittel für Modernisierungsmaßnahmen verwendet wurden, besteht auch nicht die Gefahr einer Rückforderung.