Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/887 07.03.2012 (Ausgegeben am 08.03.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Weihrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hochwasserrückhaltebecken Wippra Kleine Anfrage - KA 6/7322 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1. Welche Hochwasserschutzmaßnahmen wurden seit 1994 umgesetzt? Seit 1994 wurden acht Deichabschnitte an der Wipper mit einer Länge von ca. 9,85 km nach dem anerkannten technischen Regelwerk ertüchtigt, beispielsweise Deichneubau Ortslage Mehringen. Als weitere Maßnahmen wurden durchgeführt: - Errichtung Flutmulde Osmarsleben mit Einlaufbauwerk, - Errichtung Einlaufbauwerk Liethe, - Sanierung Gewässerabschnitte an der Wipper in den Ortslagen Friesdorf, Wippra, Wiederstedt, Leimbach, Vatterode, Großörner, Altdorf, - Sanierung Wehr Leimbach, - Umbau der Wipperwehre Vatterode, Klein Schierstedt, Giersleben, Drohndorf sowie - diverse kleinere Unterhaltungsmaßnahmen, die wichtig für den Hochwasser- schutz am Gewässerlauf der Wipper sind. 2. Wann ist nach Planung der Landesregierung mit dem Planfeststellungs- beschluss für das Hochwasserrückhaltebecken Wippra zu rechnen? Liegen alle für die Planfeststellung notwendigen Unterlagen vor? Für welchen Termin ist Baubeginn und -beendigung geplant? Wie hoch werden die Bau- und Planungskosten des Hochwasserrückhaltebecken Wippra eingeschätzt? Das Landesverwaltungsamt ist bestrebt, den Planfeststellungsbeschluss so schnell wie möglich zu erarbeiten. Es liegen alle notwendigen Unterlagen vor. 2 Der genaue Termin für den Baubeginn ist abhängig vom Tag der Planfeststellung und ggf. dagegen erhobener Rechtsbehelfe. Die Bauzeit beträgt voraussichtlich zwei Jahre. Die Planungskosten betragen aus heutiger Sicht 920 T€. Die Baukosten werden sich voraussichtlich auf ca. 16,5 Mio. € belaufen. 3. Welche Alternativen wurden vor Baubeginn des Hochwasserrückhalte- beckens geprüft? Welche Gründe haben zur Ablehnung möglicher Planungsalternativen geführt? In der Vorplanung wurden sechs Varianten betrachtet, wobei erforderliche überregionale Maßnahmen, wie: - Hochwasserrückhalt oberhalb Wippra, - Hochwasserrückhalt Eine, - Hochwasserüberleitung Liethe sowie örtliche Maßnahmen, wie: - Deiche, Uferaufhöhungen, Flussausbau, Veränderung an Wehren und Brücken, Flutmulden, Polder etc. unter dem Ansatz eines Schutzes der bebauten Gebiete gegen ein Hochwasser in der Größenordnung des Hochwassers April 1994 ermittelt und kostenmäßig anhand einer Schätzung hinterlegt wurden. Die Untersuchungen zeigten, dass bei Varianten ohne Hochwasserrückhalt oberhalb der Ortslage Wippra für zehn Bebauungsgebiete ohne Eingriffe in die bestehende Siedlungsstruktur und vertretbare Möglichkeiten eines Flussausbaus nur ein begrenzter Hochwasserschutz erreicht werden kann; der erreichbare Schutzgrad für die genannten Siedlungen bewegt sich in der Größenordnung HQ10 (z. B. Wippra) bis maximal HQ50 (z. B. Klein Schierstedt). Weitere Untersuchungen ergaben, dass ein durchgehender Schutz der Siedlungsgebiete gegen Hochwasserereignisse in der Größenordnung HQ100 zum HQ des Jahres 1994 ohne Hochwasserrückhalt oberhalb Wippra nur durch ausschließlich örtliche Maßnahmen praktisch nicht möglich ist. Der 1996 entwickelte Hochwasseraktionsplan Wipper wurde 2002 zur Umsetzung freigegeben und ist die Grundlage für die Maßnahmen. Nach Festsetzung des Schutzzieles HQ100 wurde in der weiteren Planungsphase der Hochwasserrückhalt oberhalb Wippra in weiteren Varianten (beispielsweise Hochwasserrückhalt nur in der Wipper bzw. in der Schmalen Wipper, mit oder ohne Nutzung der Wipper-Vorsperre) betrachtet. Im Ergebnis dieser Betrachtungen ist festzustellen, dass das geforderte Schutzziel nur durch die zur Planfeststellung eingebrachte Variante (Hochwasserrückhaltebecken oberhalb Wippra und unterhalb der Mündung der Schmalen Wipper in die Wipper) erreicht werden kann. 3 4. Wie erfolgte die Einbeziehung der Bevölkerung? Die Einbeziehung der Bevölkerung erfolgte während der gesamten Planungsphase . Im Rahmen von Informationsveranstaltungen in Wippra und den unterliegenden einzelnen Ortschaften wurde der Stand der Planung referiert und mit anschließender Diskussionsrunde die Fragen der Bürger beantwortet. Zur Veranschaulichung wurde 2006 ein Film erstellt, der die Hochwassersituation von 1994 veranschaulicht und eine Animation über die Betriebsweise des geplanten grünen Beckens beinhaltet. In allen Medien (Zeitung, Radio, Fernsehen) wurde regelmäßig über die Maßnahme berichtet. Des Weiteren besteht eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative „Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Wippra“, die die Interessen der betroffenen Bürger vertritt. Auf der Internetseite des Talsperrenbetriebes Sachsen-Anhalt (www.rueckhaltebecken -lsa.de) kann man sich jederzeit über den Stand der Planung informieren . 5. Wie geht die Landesregierung mit dem von der EG-Wasserrahmenricht- linie geforderten Verschlechterungsverbot um? Das Grüne Becken ist ökologisch durchgängig gestaltet. Im Falle des Einstaus bei Hochwasser eventuell auftretende Verschlechterungen werden nach dem Abstau durch ein Monitoring erfasst und notwendige Maßnahmen gemäß dem Landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) durchgeführt. 6. Welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind geplant? Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind vorwiegend Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur vorgesehen. An der Wipper werden drei biotopaufwertende Maßnahmen durchgeführt. An der Thyra werden drei Maßnahmen ergriffen, um einen guten Erhaltungszustand des Gewässers in diesen Bereichen zu schaffen und eine Maßnahme um die ökologische Durchgängigkeit zu erreichen. Für den im Eingriffsgebiet verloren gehenden Wald wird eine Erstaufforstung an anderer Stelle vorgenommen. 7. Können durch das Vorhaben Natura 2000 Gebiete erheblich beeinträchtigt werden? Existieren in dem geplanten Hochwasserrückhaltebecken prioritäre Arten oder Lebensraumtypen nach Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie , die durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden könnten? Findet begleitend eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen zur ökologischen Durchgängigkeit statt? Werden durch das Vorhaben streng geschützte Arten beeinträchtigt? In den naturschutzfachlichen Planunterlagen sind mögliche Beeinträchtigungen des Natura 2000 Gebietes „Wipper im Ostharz“ erörtert. In dem geplanten Hochwasserrückhaltebecken existieren geschützte Arten bzw. Lebensraumty- 4 pen nach Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie sowie streng geschützte Arten. Über die Erheblichkeit der Beeinträchtigungen befindet die planfeststellende Behörde im Verfahren. Der Vorhabenträger sichert ein baubegleitendes und betriebsbegleitendes Monitoring des Gewässers zur ökologischen Durchgängigkeit mit Erfolgskontrolle zu.