Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/891 07.03.2012 (Ausgegeben am 08.03.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Gudrun Tiedge (DIE LINKE) Fußball und Rechtsextremismus Kleine Anfrage - KA 6/7361 Vorbemerkung des Fragestellenden: Neonazis versuchen immer wieder, in Fußballvereinen Fuß zu fassen und dort Anhänger zu werben. Bei betroffenen Vereinen herrscht oft eine typische Mischung aus Ahnungslosigkeit, Hilflosigkeit, aber teilweise auch Ignoranz und Verharmlosung, die in der Auseinandersetzung mit Neonazis oft auch in anderen Zusammenhängen vorherrscht. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen, die derzeit in der Datei „Gewalttäter Sport“ in Sach- sen-Anhalt gespeichert sind, haben einen rechtsextremen Hintergrund bzw. sind der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen. In der Datei „Gewalttäter Sport“ sind derzeitig 508 (Stand 14. Februar 2012) Personen in Sachsen-Anhalt gespeichert. Im Rahmen von Ermittlungen der Polizei sind 52 dieser gespeicherten Personen als Tatverdächtige bei politisch motivierten Straftaten - rechts - durch die Polizei erfasst worden. Von den Personen, die in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert sind, sind sieben Personen zugleich auch in der Datei „Gewalttäter rechts“ gespeichert. 2 2. Wie viele der sogenannten Problemfans (Kategorie A, B, C, Hooligans und Ultras) gehören nach Einschätzung der Landesregierung in Sachsen-Anhalt rechtsextremen Organisationen bzw. der rechtsextremen Szene an? Der Landesregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse zur Anzahl des in der Fragestellung genannten Personenkreises vor. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Fans der Kategorie A durch die Polizei nicht als Problemfans bezeichnet werden. Diese Fans dieser Kategorie werden als friedlich eingestuft. 3. Wie viele rechtsextrem durchsetzte Hooligangruppen gibt es bei welchen Vereinen in Sachsen-Anhalt? Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Inwieweit gibt es Erkenntnisse über eine rechtsextreme Unterwanderung von Ultragruppen? Bitte gegebenenfalls Vereine bzw. Ultragruppen nennen . Es liegen keine Erkenntnisse über ein gezieltes „Unterwandern“ von Fußballvereinen oder Fanclubs durch Rechtsextremisten vor. Soweit Rechtsextremisten im Zusammenhang mit gewalttätigen Auseinandersetzungen von „Fußballfans“ festgestellt werden, handelt es sich nach bisherigem Kenntnisstand um Täter, deren Handlungen nur bedingt im Zusammenhang mit ihrer politischen Ausrichtung stehen. 5. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Landesregie- rung seit dem Jahr 2009 gegen gewaltbereite Fußballfans wegen Verstoßes gegen § 86 des Strafgesetzbuchs (StGB) (Verbreitung von Propagandamaterialen verfassungswidriger Organisationen) bzw. § 130 StGB (Volksverhetzung) im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen durchgeführt ? Bitte nach Vereinen aufschlüsseln. Im Abgleich der Ermittlungsverfahren gemäß §§ 86 und § 130 StGB seit dem Jahr 2009 mit dem Datenbestand „Gewalttäter Sport“ ist festzustellen, dass vier Ermittlungsverfahren gemäß § 130 StGB gegen sechs gewaltbereite Fußballfans eingeleitet wurden. Vier Tatverdächtige können keinem Verein zugeordnet werden. Zwei Tatverdächtige bei einer Straftat können den Vereinen SV Dessau 05 und 1. FC Weißenfels zugeordnet werden. Ermittlungsverfahren gemäß § 86 StGB im Sinne der Anfrage wurden nach Erkenntnisstand der Landesregierung nicht eingeleitet. 3 6. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über gezielte Unterwanderungsversuche der rechtsextremen Szene (NPD, Kameradschaften, Autonome Nationalisten) bei Fußballvereinen, Fanclubs oder Ordnerdiensten vor? Bitte nach Vereinen und rechtsextremen Gruppierungen aufschlüsseln . Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über ein gezieltes „Unterwandern “ der rechtsextremistischen Szene bei Fußballvereinen, Fanclubs oder Ordnerdiensten vor. 7. Welche Erkenntnisse gibt es über die Teilnahme von organisierten Hooli- gans und Ultras an rechtsextremen Aufmärschen und Versammlungen seit dem Jahr 2009? Es ist nicht auszuschließen, dass Personen, die politisch rechts motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen begangen haben, auch an von Rechtsextremisten organisierten Aufmärschen und Versammlungen teilnahmen . Da eine systematische Erfassung der Teilnehmer nicht erfolgt, kann hierzu weder eine weitere inhaltliche noch eine quantitative Aussage getroffen werden . 8. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit dem Jahr 2009 ergriffen, um den Einfluss fremdenfeindlich und rechtsextrem motivierter Gruppen im Umfeld von Fußballfans zurückzudrängen? Die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Extremismus in Form von Rassismus , Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit stellt für die Gesellschaft und insbesondere für den organisierten Sport eine Herausforderung dar. In Sachsen-Anhalt wird seit dem Jahr 2011 das Projekt „Menschlichkeit und Toleranz “ (MuT) als Teil des Bundesprogramms „Zusammenarbeit durch Teilhabe“ durch das Land kofinanziert. Projektträger ist der Landessportbund e. V., Kooperationspartner sind der Fußballverband Sachsen-Anhalt e. V., Kreis- und Stadtsportbünde (KSB/SSB) sowie weitere Landesfachverbände (LFV). Im Projektbeirat für MuT wirken u. a. Vertreterinnen und Vertreter folgender Institutionen mit: Miteinander e. V., Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Hochschule Magdeburg-Stendal, Land Sachsen-Anhalt (Ministerium für Gesundheit und Soziales, Ministerium für Inneres und Sport, Landeszentrale für Politische Bildung). Neben der Projektleiterin beim LSB ist eine zweite Projektstelle direkt beim Fußballverband Sachsen-Anhalt e. V. angebunden. Zielrichtung des Projektes im Fußballverband sind insbesondere - Stärkung des Fair-Play-Gedankens, - Bildung von Fair-Play-Arbeitsgruppen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, - Qualifizierungsmaßnahmen für Sportrichter, Schiedsrichter, Fair-Play-Beauf- tragte, - Bildungsarbeit für Trainer Übungsleiter, Vereinsfunktionäre zu den Themen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, - Beratung von Sportvereinen. 4 Das Projekt „MuT“ wird deswegen auch im „Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit“ angeführt werden. Der Verfassungsschutz unterstützt die gegen Rechtsextremismus gerichteten Initiativen der Landesregierung durch Bereitstellung von Erkenntnissen. Beispielsweise hat sie im Interministeriellen Arbeitskreis (IMAK) „Extremismusprävention “, der mit Beschluss der Landesregierung vom 13. Dezember 2011 in den IMAK „Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit überführt worden ist, zum Thema „Rechtsextremismus im Sport - Erkenntnisse des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt“ vorgetragen. Ziel ist es, die Verantwortungsträger für die Problematik zu sensibilisieren und zu ermutigen, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen.