Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/921 14.03.2012 (Ausgegeben am 16.03.2012) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Biogaserzeugung in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 6/7364 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Biogasnutzung ist einer von vielen Bausteinen bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien. Die Umwelt- und Klimawirkungen werden durch die Einsatzstoffe, die Anlagengröße sowie die Art des Gärrestlagers bestimmt. Mit den folgenden Fragen soll der Status von Sachsen-Anhalt ermittelt werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Vorbemerkung: Biogasanlagen bedürfen entweder einer Genehmigung nach Baurecht oder nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Genehmigungsbehörde sind die Landkreise bzw. kreisfreien Städte oder das Landesverwaltungsamt. Die Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) enthält eine enumerative Aufzählung immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen. Biogasanlagen sind in dieser Verordnung nicht explizit aufgeführt, sondern gegebenenfalls nur mittelbar genehmigungsbedürftig wegen der Feuerungswärmeleistung des Motors bei Verstromungsanlagen, der Masse des gelagerten brennbaren Gases, des Volumens der gelagerten Gülle oder der Menge der eingesetzten Abfälle. Ferner ist die Genehmigungsbedürftigkeit für Biogasanlagen als Nebeneinrichtung zu einer genehmigungsbedürftigen Tierhaltung möglich. Für die rechtliche Einordnung und die Zuständigkeiten in der Umweltüberwachung sind somit ganz unterschiedliche Leistungsparameter ausschlaggebend. Mangels ei- 2 nes einheitlichen Genehmigungstatbestandes für Biogasanlagen gibt es auch keine einheitliche Erfassung durch die zuständigen Behörden. Deshalb liegen einige der in der Kleinen Anfrage abgefragten Daten der Landesregierung nicht vor. Zu Fragen der Umwelt- und Klimaauswirkungen bei der Biogaserzeugung in Sachsen -Anhalt laufen gegenwärtig zwei Projekte beim Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt: 1. Untersuchungen zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2020 im Rahmen der Studie „Wirtschaftsdünger und Gärreste aus der Biogaserzeugung“ Zu den Leistungen zählen eine detaillierte Charakterisierung der Biogasanlagenstandorte sowie die Ermittlung des Emissionspotenzials und die Ableitung von Emissionsminderungsmaßnahmen. 2. Fortführung der Biomassepotenzialstudie durch die „Biomassepotenzialstudie Sachsen-Anhalt - biogene Stoffe und Abfälle in ausgewählten Wirtschaftszweigen “ Im Vordergrund stehen Untersuchungen des Ernährungsgewerbes sowie der biogenen Abfälle aus Haushaltungen. Die Ergebnisse dieser Studien liegen Ende 2012 vor. 1. Wie viele Biogasanlagen mit welcher elektrischen Gesamtleistung (Vor-Ort- Verstromungsanlagen) und wie viele Biogasanlagen mit welcher Gaseinspeiseleistung (Biomethananlagen) sind in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2009, 2010 und für 2011 in Betrieb? Bitte für die Vor-OrtVerstromungsanlagen die Anzahl für folgende Leistungsklassen angeben: kleiner 70 kWel, 70 kWel bis 150 kWel, größer 150 kWel bis 500 kWel, größer 500 kWel bis 1000 kWel, größer 1000 kWel. 2009 2010 2011 Gesamtanzahl Biogasanlagen 179 211 234 Gesamtleistung [MWelektrisch ] 97 115 125 Anzahl nach Leistungsklassen [kWelektrisch] < 70 70 – 150 > 150 – 500 > 500 – 1.000 > 1.000 1 2 83 82 7 1 3 102 92 8 1 3 116 99 8 Anzahl Biomethananlagen 4 5 7 Bei den Biomethananlagen befinden sich fünf Anlagen im Leistungsbereich von 650 – 700 m³ Biomethan/h, eine Anlage bei 1.500 m³ Biomethan/h und eine Anlage bei 2.500 m³ Biomethan/h. 3 2. Wie hoch war die gesamte Strom- und Wärmeerzeugung (in GWh) der Vor- Ort-Verstromungs-Biogasanlagen in den Jahren 2009, 2010 und 2011? Bitte differenziert nach Strom und Wärme jeweils für allgemeine Versorgung – 066 k, Industriekraftwerk – 067 und Netzeinspeiser – 070 angeben. Folgende Daten des Statistischen Landesamtes stehen bis zum Jahr 2010 zur Verfügung: 3. Wie viele der Vor-Ort-Verstromungsanlagen führen die entstehende Wärme – über den eigenen Wärmebedarf hinaus – einer Nutzung zu und arbeiten damit im Kraft-Wärme-Kopplungs-Betrieb (KWK-Betrieb)? Möglichst angeben für die unter Frage 1 angegebenen Leistungsklassen. Wie hoch war die genutzte Wärme (in GWh) – ohne Eigenbedarf – in den Jahren 2009, 2010 und 2011? Möglichst angeben für die unter Frage 1 angegebenen Leistungsklassen . Darüber hinaus wird um die durchschnittlichen Stromvollbenutzungsstunden dieser Vor-Ort-Verstromungsanlagen gebeten. Aufgrund bundesweiter Befragungen durch das Deutsche Biomasse Forschungszentrum (DBFZ) Leipzig erhalten ungefähr 80 % der Betreiber einen KWK-Bonus. Weitergehende Daten in der gewünschten Aufschlüsselung speziell für SachsenAnhalt sind nicht bekannt. Angaben zu den Volllaststunden der Biogasanlagen streuen sehr weit. Gemäß Erhebungen des DBFZ liegt die mittlere Volllaststundenzahl bei ca. 7.600 h/a. 4 4. Welche der folgenden Einsatzstoffe: Mais (Energiemais), Schweine- und Rindergülle, Grassilage, Getreide, Abfälle aus der Biotonne, Hühnermist, Schweinemist, Rindermist, Zuckerrübenschnitzel, Grünschnitt, Holz aus Kurzumtriebsplantagen, pflanzliche Fette und sonstige trugen in welchem Umfang zur Biogasgewinnung in den Jahren 2009, 2010 und 2011 bei? Bitte jeweils angeben als eingesetzten Masseanteil und als Anteil am gesamten erzeugten Biogas (Verstromung, KWK-Betrieb und Gaseinspeisung). Beim Substrateinsatz in Biogasanlagen dominieren massebezogen die nachwachsenden Rohstoffe und die tierischen Exkremente (bundesweit ca. 90 % des Substratinputs). Daten zu den Einsatzstoffen in Sachsen-Anhalt für das Bezugsjahr 2010 werden mit der in Arbeit befindlichen Studie erhoben. 5. Wie groß waren in den Jahren 2009, 2010 und 2011 die gesamten Anbauflä- chen für Mais (für alle Anwendungen) und für Energiemais zum Einsatz in Biogasanlagen? Wie groß war die durchschnittliche Schlaggröße für den Anbau von Energiemais? Separate Erfassungen für Energiemais liegen nicht vor. 6. Welche durchschnittlichen Anlieferungsdistanzen bestehen für die Substrate Energiemais und Gülle? Welche Anteile kommen aus Sachsen-Anhalt, aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland? Soweit möglich, bitte auch die Anlieferungsdistanzen für die anderen unter Frage 4 genannten Substrate angeben. In der Regel werden flüssige Substrate wie Gülle über relativ kurze Distanzen (wenige km Abstand) angeliefert. Konkrete Daten liegen dazu nicht vor, weil entsprechende Statistiken nicht geführt werden. 7. Inwieweit erfolgt auf Dauergrünland in Auengebieten, die nicht mit Natur- schutzauflagen belegt sind, eine sehr intensive Mähgrasnutzung für Biogasanlagen ? Wie hoch ist dort die Stickstoffdüngung? Hierzu liegen keine Daten vor. 8. Wie viele Biogasanlagen verfügen über ein offenes/nicht gasdichtes Gär- restlager und wie viele Biogasanlagen verfügen über ein geschlossenes /gasdichtes Gärrestlager (ggf. Schätzung)? Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2009 ist für neu in Betrieb genommene und nach dem BImSchG genehmigte Biogasanlagen eine gasdichte Abdeckung des Gärrestlagers erforderlich geworden. Eine Erfassung zum Stand in Sachsen-Anhalt soll mit der in Arbeit befindlichen Studie erfolgen. 2009 2010 2011 Körnermais einschl. CCM [ha] 18.323 17.706 19.400 Silomais einschl. Lieschkolbenschrot [ha] 79.574 98.346 113.200 Maisanbau gesamt [ha] 97.897 116.052 132.600 5 9. Wie viele Biogasanlagen (Vor-Ort-Verstromungsanlagen und Biomethanan- lagen) mit welcher elektrischen Gesamtleistung bzw. Gaseinspeiseleistung befinden sich aktuell in Bau? Es befinden sich 20 Anlagen im Bau, davon neun Biomethananlagen (drei Anlagen im Leistungsbereich 350 m³/h und sechs Anlagen im Leistungsbereich von 650 – 700 m³/h). Die Gesamtleistung der Anlagen mit einem Blockheizkraftwerk beträgt 7,8 MWelektrisch. 10. Wie viele Biogasanlagen (Vor-Ort-Verstromungsanlagen und Biomethanan- lagen) mit welcher elektrischen Gesamtleistung bzw. Gaseinspeiseleistung befinden sich aktuell (schätzungsweise) in Planung? Von 21 Anlagen ist ein Planungs- bzw. Genehmigungsverfahren bekannt, davon 14 Anlagen mit einem Blockheizkraftwerk. Soweit bekannt, ist damit eine Gesamtleistung von 18,4 MW Feuerungswärmeleistung verbunden. Zwei Biomethananlagen sind mit einer Kapazität von jeweils 700 m3/h geplant. 11. Mit welchem Ausbau und welcher Entwicklung bei der Biogasnutzung wird nach dem Jahr 2011 im Zusammenhang mit dem novellierten Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gerechnet? Welcher Ausbau ergibt sich für Sachsen -Anhalt im Falle einer linearen Fortschreibung aus den dem EEG zugrunde liegenden Prognosen für die Biogasnutzung? Mit der Novelle des EEG zum 01.01.2012 sind wesentliche Änderungen im Biomasse - und damit auch im Biogasbereich vollzogen worden, deren Auswirkungen erst mit längerer Wirksamkeit des EEG erkennbar werden. Der weitere Biogasanlagenausbau wird sehr unterschiedlich eingeschätzt. Eine lineare Fortschreibung erscheint nicht realistisch. 12. Inwieweit hat die Landesregierung an der im Koalitionsvertrag vereinbarten Erstellung eines Masterplans zur Nutzung von Biomasse gearbeitet? Im Koalitionsvertrag zur Bildung einer Koalition in der sechsten Legislaturperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt 2011 bis 2016 ist hierzu folgendes ausgeführt : „Die Koalitionspartner wollen die Erstellung eines Masterplans im mitteldeutschen Wirtschaftsraum zur Nutzung von Biomasse unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten und Einflussnahme auf Rahmenbedingungen des Bundes und der EU zur effizienten Nutzung einheimischer Ressourcen.“ Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft fördert das Cluster Chemie /Kunststoffe Mitteldeutschland mit Sitz in Leuna, das sich zum Ziel gesetzt hat, künftig in verstärktem Maße Biomasse für die Herstellung chemischer Grundstoffe nutzen zu wollen. 6 Das Clustermanagement hat sich zum Ziel gestellt, einen „Biomasse-Masterplan Mitteldeutschland“ zu entwickeln, der die großindustrielle Einführung dieser Verfahren unterstützen soll. Zu den vordringlichsten Aufgaben zählt die inhaltliche Zieldefinition eines solchen Masterplans und die Klärung fachspezifischer Fragen. Die Erarbeitung einer Zielstellung wird jedoch dadurch erschwert, dass zum jetzigen Zeitpunkt weder bekannt ist, welche Prozesse wann bis zur großtechnischen Umsetzung entwickelt sein werden, noch welche Biomassearten dann in welcher Menge und mit welchen Eigenschaften benötigt werden. Aus diesem Grunde wurde mit dem Clustermanagement abgestimmt, vorerst im Rahmen einer mitteldeutschen Biomassepotentialstudie die derzeitig vorhandenen Potentiale sowie bereits gegebenen Nutzungen aufzuzeigen. Dazu hat das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-Anhalt eine Projektskizze „Biomasse-Potentialstudie für die Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen“ erarbeitet und mit den beteiligten Ländern abgestimmt. Diese Projektskizze ist dem Clustermanagement bereits zugeleitet worden und soll nun Grundlage für die Beantragung von Fördermitteln bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe sein.