Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1256 18.04.2017 (Ausgegeben am 18.04.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Prostitution in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/682 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz) wird am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Zur Ausführung des Gesetzes sind landeseinheitliche Regelungen notwendig (Ausführungsgesetz). Mit dem Gesetz wird auch die Erwartung verknüpft, dass die kriminellen Begleiterscheinungen der Prostitution zurückgedrängt und die Ausstiegsmöglichkeiten für Prostituierte erleichtert werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Vorbemerkung: Die Antwort beruht auf Angaben der Landesministerien der Finanzen, für Inneres und Sport, für Landesentwicklung und Verkehr, für Justiz und Gleichstellung sowie des Landesverwaltungsamtes. Angesichts der erstmaligen administrativen Erfassung dieser Tätigkeiten durch das künftige Prostituiertenschutzgesetz liegen der Landesregierung keine umfassenden abschließenden Erkenntnisse vor. Frage 1: Wie viele Gewerbeanmeldungen für bordellartige Einrichtungen liegen derzeit in Sachsen-Anhalt vor? Bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln . Für bordellartige Einrichtungen in Sachsen-Anhalt liegen derzeit Gewerbeanmeldungen in folgendem Umfang vor: 2 Altmarkkreis Salzwedel 8 Landkreis Anhalt-Bitterfeld 0 Landkreis Börde 1 Burgenlandkreis 6 Landkreis Harz 3 Landkreis Jerichower Land 0 Landkreis Mansfeld-Südharz 1 Saalekreis 0 Salzlandkreis 7 Landkreis Stendal 0 Landkreis Wittenberg 1 Dessau-Roßlau 0 Halle (Saale) 2 Landeshauptstadt Magdeburg 1 Gesamt 30 Frage 2: Wie viele bordellartige Einrichtungen befinden sich in festen Gebäuden, wie viele in nicht der Baugenehmigungspflicht unterliegenden Räumlichkeiten? Bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln. Die bordellartigen Einrichtungen befinden sich überwiegend in festen Gebäuden. Lediglich der Altmarkkreis Salzwedel hat drei nicht der Baugenehmigungspflicht unterliegende Räumlichkeiten (Prostitutionsfahrzeuge) benannt. Altmarkkreis Salzwedel 5 Landkreis Anhalt-Bitterfeld 0 Landkreis Börde 1 Burgenlandkreis 6 Landkreis Harz 3 Landkreis Jerichower Land 0 Landkreis Mansfeld-Südharz 1 Saalekreis 0 Salzlandkreis 7 Landkreis Stendal 0 Landkreis Wittenberg 1 Dessau-Roßlau 0 Halle (Saale) 2 Landeshauptstadt Magdeburg 1 Gesamt 27 Ergänzend ist auf folgende Sachverhaltsangaben aus den unteren Bauaufsichtsbehörden (alphabetisch geordnet) hinzuweisen: Die Stadt Köthen (Anhalt) hat zu der Frage eine Fehlmeldung erteilt. Für die Stadt Naumburg wurde Fehlmeldung abgeben. 3 In der Hansestadt Stendal wurden noch keine bordellartigen Anlagen oder Einrichtungen beantragt und genehmigt. Es sind auch keine der Baugenehmigungspflicht nicht unterliegende Einrichtungen bekannt. Wohnungsprostitution o. ä. wurde bisher von Dritten nicht angezeigt. Die Stadt Weißenfels hat mitgeteilt: Es befinden sich vier bordellartige Einrichtungen in festen Gebäuden. Einrichtungen in nicht der Baugenehmigungspflicht unterliegenden Räumlichkeiten sind nicht vorhanden. Die Stadt Zeitz hat mitgeteilt: Es sind keine bordellartigen Einrichtungen bekannt , die sich in festen Gebäuden bzw. in nicht der Baugenehmigungspflicht unterliegenden Räumlichkeiten befinden. In der Vergangenheit hatte ein Vermieter sich zivilrechtlich erfolgreich gegen eine Wohnungsprostitution gewehrt. Schließlich ergingen aus den Landkreisen folgende ergänzende Hinweise: Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hat mitgeteilt: Aktuell besteht bei einer Einrichtung der Verdacht darauf, ein bordellartiger Betrieb zu sein. Dieser Vorgang befindet sich noch in der Prüfung. Die Landeshauptstadt Magdeburg hat mitgeteilt: Das Bauordnungsamt hat einen bordellartigen Betrieb genehmigt. Es gibt keine Statistik über möglicherweise bestehende weitere bordellartige Betriebe. Frage 3: Sind der Landesregierung bzw. den zuständigen Polizei- und Ordnungsbehörden bordellartige Einrichtungen im Land bekannt, die wider dem gültigen Gewerbe -, Bau- oder Abgabenrecht unterhalten werden und wenn ja, welche? Den Polizeidirektionen Sachsen-Anhalt Nord, Süd und Ost sowie dem Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt sind keine bordellartigen Einrichtungen im Land bekannt, die wider dem gültigen Gewerbe-, Bau- oder Abgabenrecht unterhalten werden. Auch den Gewerbeämtern der Landkreise und kreisfreien Städte sind keine Verstöße gegen das Gewerberecht bekannt. Auch Verstöße gegen das Bau- und Abgabenrecht konnten nicht benannt werden. Frage 4: Wie viele selbstständige sexuelle Dienstleisterinnen und Dienstleister, und zwar a) Prostituierte, b) Hostessen, c) Masseusen, d) Erotikanbieterinnen und -anbieter sind derzeit bei den Finanzämtern des Landes Sachsen-Anhalt registriert? Die Finanzämter des Landes Sachsen-Anhalt führen derzeit 32 Personen, denen im Rahmen der Registrierung die Gewerbekennzahl für selbstständig ausgeübte Prostitution zugewiesen ist. Eine gesonderte steuerliche Erfassung von Hostessen, Masseusen , Erotikanbieterinnen und -anbietern findet nicht statt. Diesbezüglich bestehen keine speziellen Gewerbekennzahlen. 4 Auf Grund fehlender Zuständigkeiten konnten die Gewerbeämter der Landkreise und kreisfreien Städte insoweit keine Angaben machen. Frage 5: Wie viele nicht selbstständige Prostituierte sind derzeit durch Betreiberinnen und Betreiber von Prostitutionsstätten bei den entsprechenden Ämtern gemeldet ? Die Finanzämter in Sachsen-Anhalt verfügen zur Zahl der durch Betreiberinnen und Betreiber von Prostitutionsstätten gemeldeten nicht selbständigen Prostituierten über keine Informationen. Daten hierzu existieren nicht, da es für die Erhebung der Lohnsteuer keine Rolle spielt, welchen Beruf der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin ausübt. Die Gewerbeämter der Landkreise und kreisfreien Städte konnten zu dieser Frage auf Grund fehlender Zuständigkeiten keine Angaben machen. Frage 6: Wie hoch waren die Steuereinnahmen hinsichtlich Einkommensteuer, Umsatzsteuer sowie der Gewerbesteuern aus bordellartigen Einrichtungen und selbstständiger Prostitution in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016? Angaben zur kassenmäßigen Höhe der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016, die aus bordellartigen Einrichtungen und selbständiger Prostitution stammen, liegen nicht vor. Eine Erfassung, aus welcher Betätigung die Steuern stammen, erfolgt insoweit nicht. Bei den Landkreisen und kreisfreien Städten wurden keine Gewerbesteuern veranlagt und eingenommen. Frage 7: Welche Projekte oder Initiativen zur Beratung und Begleitung von Prostituierten in Sachsen-Anhalt sind der Landesregierung bekannt und wie bewertet und unterstützt die Landesregierung deren Arbeit? Zurzeit liegen der Landesregierung lediglich Informationen zum Projekt „MAGDALE- NA“ in Magdeburg vor. Eine finanzielle Förderung des Projektes durch die Landesregierung erfolgt nicht. Magdalena ist eine Beratungsstelle für junge Frauen und Trans*Frauen, die in der Prostitution oder im erotischen Dienstleistungsgewerbe arbeiten. Diese Beratungsstelle wurde im Januar 2017 eröffnet und ist landesweit die erste Beratungsstelle. Träger des Projektes ist der AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e. V. Gefördert wird die Beratungsstelle Magdalena durch die Aktion Mensch und hat eine Laufzeit von 3 Jahren. Das Team der Beratungsstelle MAGDALENA in Magdeburg besteht aus zwei Sozialarbeiterinnen. MAGDALENA ist eine Informations-, Beratungs- und Begegnungsstätte für junge Frauen und Trans*Frauen. Die Angebote sind niedrigschwellig. Die Frauen erhalten Beratung, Unterstützung und Informationen zu verschiedenen Themenbereichen. 5 Damit wird ein offenes Angebot für Frauen und Trans*Frauen in der Sexarbeit bis 27 Jahre mit deutscher und nicht-deutscher Staatsangehörigkeit geschaffen. Die Beratung erfolgt anonym und kostenfrei. Des Weiteren wird im Projekt der Streetworkansatz verfolgt. Zwischen dem Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung und den zwei Sozialarbeiterinnen der Beratungsstelle MAGDALENA erfolgt ein gelegentlicher Informationsaustausch. Frage 8: Was ist der Landesregierung qualitativ und quantitativ über Prostituierte nichtdeutscher Staatsbürgerschaft bekannt? Zu Prostituierten nichtdeutscher Staatsbürgerschaft liegen der Landesregierung derzeit keine Erkenntnisse vor. Auch die Landkreise und kreisfreien Städte verfügen auf Grund der teilweise großen Fluktuation über keine gesicherten Kenntnisse. Die Landesregierung weist jedoch darauf hin, dass das Ministerium für Justiz und Gleichstellung zuständig für die Fachstelle gegen Frauenhandel und Zwangsverheiratung in Sachsen-Anhalt „Vera“ ist. Dieses Projekt befindet sich in der Trägerschaft des AWO-Landesverbandes Sachsen-Anhalt e. V. Durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung erfolgt eine finanzielle Förderung des Projektes. Die Fachstelle „Vera“ ist u. a. für die sozialpädagogische Unterstützung der Betroffenen von Menschenhandel und ehrbezogener Gewalt in ganz Sachsen-Anhalt zuständig. Sie bietet den Klientinnen ein niedrigschwelliges, umfassendes Beratungs- und Begleitungsangebot an. Das Beratungskonzept basiert auf einem menschenrechtlichen, interkulturellen Ansatz. Im Jahr 2016 hat die Fachstelle 52 neue Klientinnen beraten und begleitet . Frage 9: Welche Auswirkungen ergeben sich aus dem eingangs benannten Gesetz für Sachsen-Anhalt und wann ist das Landesausführungsgesetz zu erwarten? Das zukünftige Prostituiertenschutzgesetz sieht erstmalig eine persönlich durchzuführende Anmeldepflicht jeder in Deutschland in der Prostitution tätigen Person vor. Dadurch sollen etwaige Abhängigkeitsverhältnisse im konkreten Fall erkannt werden. Angesichts des in einem Teilbereich dieses Tätigkeitsgebietes bestehenden sehr hohen Interesses an Anonymität (verdeckte Gelegenheitsprostitution etc.) ist davon auszugehen, dass nur die offene Prostitution zur Anmeldung und somit zur Registrierung kommt. Parallel sollen Prostitutionsbetriebe und Prostitutionsveranstaltungen durchgehend einem Genehmigungserfordernis unterworfen werden, wobei auch die jeweiligen Betriebskonzepte einer Prüfung unterzogen werden sollen. Die Umsetzung des Gesetzes stellt die erstmalige administrative Regulierung dieses Tätigkeitsfeldes dar. Dies ist mit hohen Anlauf- und Dauerkosten und auch mit ständigem zusätzlichem personellem Einsatz sowie noch entsprechend zu qualifizierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbunden. Auf der Arbeitsebene erscheint eine Übertragung der Zuständigkeit für die endgültige Aufgabenwahrnehmung auf die Landkreise und kreisfreien Städte als zweckmäßig. 6 Angesichts des Zeitbedarfs für die administrative Schaffung der dafür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere auch in Gestalt eines Zuständigkeitsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt, der Prüfung einer Finanzierung oder Teilfinanzierung der Kosten über Gebühren und der erforderlichen Bereitstellung erheblicher zusätzlicher Haushaltsmittel, wird nach gegenwärtiger Prognose angestrebt, diese neue Verwaltungsaufgabe in der endgültigen Struktur möglichst zu Beginn des Jahres 2018 „anlaufen “ zu lassen. In der Zwischenzeit sind ab dem 01.07.2017 Übergangsregelungen des Prostituiertenschutzgesetzes zu nutzen bzw. Interimsmaßnahmen zu ergreifen , die derzeit noch zwischen den betroffenen Landesressorts abgestimmt werden. Die Auswirkungen für Sachsen-Anhalt aus dem eingangs benannten Gesetz können die Landkreise und kreisfreien Städte größtenteils noch nicht abschätzen.