Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1266 18.04.2017 (Ausgegeben am 19.04.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Detlef Gürth (CDU) Wolf in Deutschland – Konflikte, Aufwand und Nutzen II Kleine Anfrage - KA 7/606 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage vom November 2016 Drs. 7/549 teilte die Landesregierung mit, dass es „keine Methode zur objektiven Ermittlung einer Zahl von Wölfen, die ein Land verkraftet“ gebe. Des Weiteren vertrat die Landesregierung die Auffassung, dass es vom Grad der Aufklärung über den Wolf, die Verteilung und Qualität der ergriffenen Präventionsmaßnahmen, vom tatsächlichen Verhalten der Wölfe, von den regionalen Wildbeständen und vom gesamten Nahrungsspektrum der Rudel und Einzelwölfe abhänge. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Weshalb sind der Landesregierung keine Methoden zur objektiven Ermittlung der Zahl von Wölfen bekannt, welche ein Land verkraftet und hat die Landesregierung keine eigenen Vorstellungen, ab welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen eine Steuerung, gegebenenfalls Begrenzung der Wolfsbestände aus übergeordneten Gründen erforderlich sein könnte? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass es keine Methoden zur objektiven Ermittlung der Zahl von Wölfen gibt, „welche ein Land verkraftet“. Die Kriterien zur Beurteilung des Erhaltungszustandes der Wolfspopulation basieren auf Fakten, die bundes- und europaweit anzuwenden sind. Die Entwicklung von eigenen Vorstellungen zum Umgang mit diesen Fakten ist bei einer notwendigen objektiven Betrachtung der Gesamtpopulation nicht zielführend und wäre spekulativ. Als übergeordnete Gründe können nach Auffassung der Landesregierung nur die Ausnahmeregelungen des Artikels 16 der FFH-Richtlinie und die darauf basierenden 2 Regelungen des § 45 Bundesnaturschutzgesetz gelten. Wenn die darin geregelten Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, sind bereits jetzt entsprechende Maßnahmen anwendbar. 2. Verfügt u. U. die Landesregierung nicht über ausreichend Literatur, Expertise und Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zu diesem Thema, obgleich schon jetzt erkennbar ist, dass das unkontrollierte Wachstum der Wolfpopulation zu steigender Verunsicherung und wachsenden finanziellen Schäden führt und damit auch Akzeptanzprobleme generiert, obgleich Akzeptanz eine wesentliche Voraussetzung für die Wiederansiedlung von Großraubtierarten in dicht besiedelten Räumen ist? Die Landesregierung ist in allen bundländerübergreifenden Spezialistengremien, die sich mit dem Wolf befassen, vertreten. Dort werden aus den bekannten Fakten und den aktuell ermittelten Daten und Sachverhalten entsprechende Schlussfolgerungen gezogen, die bundesweit einheitliche Anwendung finden. Unter anderen werden hier auch die aktuellen wissenschaftlichen Daten und Expertisen zur Populationsökologie des Wolfs ausgewertet. Die Landesregierung geht davon aus, dass sie auf diesem Wege Zugang zu allen erforderlichen seriösen Datenquellen hat. 3. Ist die Landesregierung gewillt, sich auf diesem Gebiet sachkundiger zu machen und wissenschaftliche Erkenntnisse anzueignen, welche das Spektrum der wesentlichsten Forschungsergebnisse einbezieht ohne einseitig im Sinne einer sogenannten „Wolfsromantik“ zu agieren und wenn ja, wann und wie soll dies geschehen bzw. gewährleistet werden? Die Landesregierung ist jederzeit aufgeschlossen für neue, wissenschaftlich belegte Erkenntnisse. Aus diesem Grunde nimmt sie unter anderem aktiv in den in der Antwort zu Frage 2 erwähnten Expertengremien teil. Die Populationsentwicklung des Wolfs im Zuge der Wiederbesiedlung seines ehemaligen Verbreitungsgebietes ist ein wissenschaftlich sowie politisch vielschichtiges und anspruchsvolles Thema, das keinen Spielraum für eine sogenannte „Wolfsromantik“ lässt. 4. Wenn tatsächlich die Landesregierung noch nicht einmal weiß, welche Zahl von Wölfen ohne unverantwortliche Gefährdung von Menschen und Gütern , (beispielsweise Gefährdungspotentiale für Kitas und Grundschulen in Ortsrandlagen im ländlichen Raum oder der Existenzbedrohung von Tierzüchtern und Weidetierhaltern in Sachsen-Anhalt), verträglich ist, wieso wird dann ein unkontrolliertes Wachstum der Wolfspopulation zugelassen ohne eigene Vorstellungen für den Zeitpunkt einer Interventionsverpflichtung zu entwickeln? Es gibt sowohl aus den Ländern Europas, in denen der Wolf kontinuierlich vorkam und nie ausgerottet war, sowie aus den vom Wolf auf natürlichem Wege wiederbesiedelten Gebieten Europas, Deutschland eingeschlossen: a) keine Belege dafür, dass vom Wolf ein gegenüber den allgemeinen, alltäglichen Lebensrisiken signifikant erhöhtes Risiko für Menschen ausgeht. Grundsätzlich sind Gefährdungen von Menschen weltweit als extrem seltene Ereignisse anzu- 3 sehen. In Deutschland sind seit Beginn der Wiederbesiedlung durch den Wolf keine für Menschen gefährlichen Situationen eingetreten. b) keine Belege dafür, dass in Sachsen-Anhalt Existenzgefährdungen von Tierhaltern durch den Wolf zu verzeichnen sind. Bezüglich der bislang zu verzeichnenden Schäden sowie geleisteten Präventionszahlungen des Landes wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 7/251 in der Drucksache 7/549 verwiesen. Insoweit wäre die Antwort spekulativ. 5. Wenn es vom Grad der Aufklärung über den Wolf, der Verteilung und Qualität der ergriffenen Präventionsmaßnahmen, vom tatsächlichen Verhalten der Wölfe, von den regionalen Wildbeständen und vom gesamten Nahrungsspektrum der Rudel und Einzelwölfe abhängt, wie beurteilt Sie dann die Frage einer Obergrenze des Wolfsbestandes in Sachsen-Anhalt und die gegenwärtige Situation anhand dieser Kriterien? Die zitierte Antwort auf die Frage 6 der Kleine Anfragen KA 7/251 bezieht sich auf eine Methode zur objektiven Ermittlung einer Zahl von Wölfen, die ein Land verkraftet. Die Aufzählung sollte verdeutlichen, dass die dafür notwendigen Daten nicht vorhanden beziehungsweise nicht pauschal zu erheben sind. Wie dort und in der obigen Antwort zu Frage 1 ausgeführt, gibt es deshalb eine solche Methode nicht. Die Frage nach einer Obergrenze in Sachsen-Anhalt muss deshalb als nicht zu beantworten beurteilt werden.