Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1289 21.04.2017 (Ausgegeben am 24.04.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Situation für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH) Kleine Anfrage - KA 7/666 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Patientengruppe der Menschen mit angeborenem Herzfehler wird Dank der medizinischen Entwicklung entgegen ursprünglicher Prognosen der vergangenen Jahrzehnte immer älter. Sie haben den Bedarf der regelmäßigen Behandlung/Betreuung durch eine Kardiologin bzw. einen Kardiologen. Bis zum 18. Lebensjahr ist für sie eine Kinder-Kardiologin bzw. ein Kinder-Kardiologe zuständig. Danach werden sie regelmäßig aufgrund der bestehenden Versorgungsverträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen durch Erwachsenen-Kardiolog_innen betreut. Lediglich einen gewissen – in den Ländern unterschiedlich ausgehandelter – Prozentsatz darf durch Kinderkardiolog_innen behandelt werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration 1. Wie viele Menschen leben in Sachsen-Anhalt, die einen angeborenen Herzfehler haben? Bitte nach Alter und Geschlecht darstellen. Falls es hierfür kein Datenmaterial gibt, wie groß ist die Gruppe dieser Menschen ungefähr (Schätzung) und hält die Landesregierung eine anonymisierte Datenerhebung für sinnvoll? Der Landesregierung liegen Daten aus dem Fehlbildungsmonitoring bei Neugeborenen zu angeborenen Herzfehlern vor. Es gibt dabei eine Vielzahl von Herzfehlern , die oft mit weiteren Fehlbildungen verbunden sind. Im Zeitraum von 2000 bis 2015 wurden in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt jährlich 125 männliche und 112 weibliche Kinder mit einem Herzfehler geboren (siehe Tabelle). Diese Zahlen können lediglich als Orientierung angesehen 2 werden, da nicht alle Herzfehler bei der Entbindung als Fehlbildung erkannt werden. Darüber hinaus bestehen keine Erkenntnisse, wie viele Kinder mit einem Herzfehler erwachsen werden. Eine anonymisierte Datenerhebung – wie sie bereits mit dem Fehlbildungsmonitoring erfolgt – wird als sinnvoll erachtet. Anzahl der Herzfehlbildungen bei Lebendgeburten Geburtsjahr männlich weiblich gesamt 2000 91 76 167 2001 117 83 200 2002 89 75 164 2003 97 59 156 2004 120 129 249 2005 153 169 322 2006 148 126 274 2007 115 127 242 2008 150 112 262 2009 138 101 239 2010 115 109 224 2011 146 131 277 2012 164 129 293 2013 135 129 264 2014 116 108 224 2015 104 121 225 Summe 1.998 1.784 3.782 Durchschnitt 125 112 236 2. Wie viele Kardiolog_innen sind in Sachsen-Anhalt niedergelassen? Bitte differenziert nach Kardiolog_innen für Kinder und Erwachsende und nach Landkreisen und kreisfreien Städten darstellen. Für die Beantwortung dieser Frage sind vertragsärztlich tätige kardiologische Facharztinternisten, diesen gleichgestellte Facharztinternisten und Kinderkardiologen sowie die ermächtigten Ärzte aus diesen Arztgruppen betrachtet worden . Die sogenannten gleichgestellten Facharztinternisten sind ambulant fachärztlich tätige Internisten, mit einem kardiologischen Profil und Versorgungsschwerpunkt in diesem Gebiet. Die regionale Verteilung der Arztsitze der vertragsärztlich tätigen kardiologischen Facharztinternisten und Gleichgestellten sowie der Kinderkardiologen und der ermächtigten Ärzte sind in den nachfolgenden Tabellen dargestellt. 3 Tabelle: zugelassene und bedarfsplanungsrelevant angestellte Ärzte Regionale Verteilung, kardiologische Fachinternisten und Kinderärzte mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie (Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, Stand: 31.12.2016) Raumordnungsregion Landkreis Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie (gleichgestellt) Fachärzte für Kinder und Jugendmedizin oder Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie Perso - nen Versorgungsaufträge Perso - nen Versorgungs - aufträge Perso - nen Versorgungs - aufträge Altmark Altmarkkreis Salzwedel 2 1,25 Stendal 1 1 Anhalt- Bitterfeld/ Wittenberg Anhalt- Bitterfeld 2 1,25 4 4 Dessau- Roßlau, kreisf. Stadt 3 3 1 1 Wittenberg 3 3 3 3 1 1 Halle/Saale Burgenlandkreis 1 0,5 3 3 Halle (Saale), kreisf. Stadt 6 6 1 1 6 3 Mansfeld- Südharz 2 2 1 1 Saalekreis 4 4 Magdeburg Börde 1 1 Harz 7 4,5 1 0,5 1 0,25 Jerichower Land 2 2 Magdeburg, kreisf. Stadt 9 8 2 2 1 1 Salzlandkreis 3 3 Sachsen- Anhalt 43 37,5 19 18,5 9 5,25 4 Tabelle: ermächtigte Ärzte Regionale Verteilung, kardiologische Fachinternisten und Kinderärzte mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie (Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, Stand: 31.12.2016) Landkreis Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Fachärzte für Kinder und Jugendmedizin oder Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie Altmarkkreis Salzwedel 1 Anhalt-Bitterfeld 1 Börde 1 Burgenlandkreis 3 Dessau-Roßlau 1 Harz 1 Mansfeld-Südharz 2 Saalekreis 1 Salzlandkreis 2 Stendal 3 1 Wittenberg 1 Sachsen-Anhalt 17 1 Die Anzahl der durch Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie besetzten Versorgungsaufträge hat sich in den letzten 5 Jahren von 31,75 auf 37,5 erhöht. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Anzahl der Versorgungsaufträge der gleichgestellten Facharztinternisten um 1,5. Damit ergibt sich noch ein Zuwachs um 4,25 kardiologisch besetzte Versorgungsaufträge. Die Anzahl der Versorgungsaufträge, die von Kinderärzten mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie besetzt sind, hat sich in den letzten 5 Jahren leicht von 5,0 auf 5,25 erhöht. 3. Wie ist die Altersstruktur dieser Fachärzt_innen und wie sieht die Nachbesetzung der Praxen bzw. Stellen durch Altersfluktuation für die kommenden zehn Jahre nach dem heutigen Sachstand aus? Bitte ebenfalls differenziert nach Kardiolog_innen für Kinder und Erwachsende und nach Landkreisen und kreisfreien Städten darstellen. Aus Gründen des Sozialdatenschutzes wurden bei der Angabe der Altersverteilung Planungsbereiche und Altersgruppen zusammengefasst. 5 Tabelle: zugelassene und bedarfsplanungsrelevant angestellte Ärzte Altersverteilung, kardiologische Fachinternisten und Kinderärzte mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie (Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, Stand: 31.12.2016) unter 50 Jahre 50 bis 59 Jahre 60 Jahre und älter Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie Raumordnungsregionen „Altmark“ und „Magdeburg “" 7 8 7 Raumordnungsregionen „Anhalt-Bitterfeld /Wittenberg“ und „Halle/Saale“ 6 10 5 Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie (gleichgestellt) Raumordnungsregionen „Altmark“ und „Magdeburg “ - 5 1 Raumordnungsregionen „Anhalt-Bitterfeld /Wittenberg“ und „Halle/Saale“ - 9 4 Fachärzte für Kinder und Jugendmedizin oder Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie Sachsen-Anhalt 5 3 1 Tabelle: ermächtigte Ärzte Altersverteilung, kardiologische Fachinternisten und Kinderärzte mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie (Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, Stand: 31.12.2016) unter 50 Jahre 50 bis 59 Jahre 60 Jahre und älter Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie 7 8 2 Fachärzte für Kinder und Jugendmedizin oder Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie 1 Um die derzeitige Anzahl fachinternistisch-kardiologischer Versorgungsaufträge auch in Zukunft zu erhalten, müssten unter der Annahme, dass Ärzte im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand wechseln, innerhalb der nächsten 5 Jahre 15,5 kardiologische Arztstellen nachbesetzt werden. Innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren wären 44,25 kardiologische Arztstellen nachzubesetzen. Um den erreichten Stand an Kinderkardiologen beizubehalten, müsste unter der Annahme , dass Kinderkardiologen im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand wechseln, 6 in den nächsten 5 Jahren eine Viertelstelle nachbesetzt werden. Innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren wären 2,5 Arztstellen nachzubesetzen. 4. Welche Anzahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler können in Sachsen-Anhalt (durch die Krankenkassen finanziert) von Kinderkardiolog _innen behandelt werden? Grundsätzlich dürfen in Deutschland alle hausärztlich tätigen Ärzte Kinder und Jugendliche behandeln. Für Kinder- und Jugendärzte (Pädiater), die als Fachärzte in der hausärztlichen Versorgung eine fünfjährige Weiterbildungszeit absolvieren müssen, gilt dies aber in der Regel nur bis zum 18. Lebensjahr. In Ausnahmefällen dürfen Pädiater junge Erwachsene auch über das 18. Lebensjahr hinaus behandeln, wenn sie bei Allgemeinärzten, Internisten oder Fachärzten keine Versorgungsangebote vorfinden. Dies gilt auch für pädiatrische Spezialdisziplinen wie etwa die Kinderkardiologie. Laut Abrechnungsanweisung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen- Anhalt (§ 3 Abs. 3) können Kinderärzte bis zu 1 v. H. ihrer Behandlungsfälle fachfremd erbringen und abrechnen. Nach Angaben der AOK Sachsen-Anhalt werden im Durchschnitt in Sachsen-Anhalt von kinderheilkundlich tätigen Praxen ca. 1.000 Behandlungsfälle je Quartal erbracht. Es liegen keine Angaben über die Anzahl der erwachsenen Patienten vor, die von kinderkardiologisch tätigen Vertragsärzten tatsächlich betreut werden. 5. Wie sind die entsprechenden Regelungen in anderen Bundesländern? Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 6. Setzt sich die Landeregierung für eine bundeseinheitliche Regelung ein und steht dieses Thema im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz bereits auf der Tagesordnung? Falls ja, welcher Sachstand? Bislang steht das Thema nicht auf der Tagesordnung der Gesundheitsministerkonferenz . Die Landesregierung ist der Auffassung, dass durch eine bundeseinheitliche Regelung keine Verbesserung der Versorgungssituation zu erwarten ist. 7. Teilt die Landesregierung den fachlichen Ansatz, dass Menschen mit angeborenem Herzfehler aufgrund fachlicher Kompetenzen der Kinderkardiolog _innen vorzugsweise durch diese behandelt werden sollten? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass die Regelversorgung von Kindern mit angeborenem Herzfehler durch einen Pädiater in jedem Fall gewährleistet werden sollte. Dieser wird für spezifische Fragestellungen den Kinderkardiologen hinzuziehen oder eine entsprechende Weiterbehandlung empfehlen . Die Regelversorgung für Erwachsene sollte nur in Ausnahmefällen von einem Kinderkardiologen erfolgen. 7 8. Welche Handlungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung, um zu realisieren , dass mehr Menschen mit angeborenem Herzfehler durch Kinderkardiolog _innen behandelt werden? Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass mehr Menschen mit angeborenem Herzfehler durch Kinderkardiolog_innen behandelt werden wollen, oder es hierbei zu Versorgungslücken kommt. Hinsichtlich eventueller Handlungsmöglichkeiten ist festzustellen, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung ist. Sie wird sich insoweit für die Besetzung von Praxen oder Stellen in unterversorgten Regionen einsetzten und für die Nachbesetzung von Praxen bzw. Stellen Sorge tragen. 9. Wie viele Kardiolog_innen absolvierten seit der Möglichkeit der EMAH- Qualifizierung eine solche Weiterbildung? Angaben dazu liegen der Landesregierung nicht vor. 10. Wie erfolgt die Anerkennung der EMAH-Qualifizierung durch die Krankenkassen ? Die EMAH-Zertifizierung ist eine gemeinsame Aktivität der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Die Zertifizierung der Kliniken und Praxen wird von der DGK organisiert, die Zertifizierung der EMAH-Doctores von der DGPK. Durch die Krankenkassen erfolgt keine besondere Anerkennung dieser Zertifizierung . Die EMAH-Qualifikation ist nicht Bestandteil der im Rahmen der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt erwerbbaren Qualifikationen . Insoweit liegen darüber dort keine Daten vor. Nach Angaben der Ärztekammer Sachsen-Anhalt sind die Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie für die Behandlung von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler hoch qualifiziert. Eine Versorgungslücke besteht nicht.