Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1293 24.04.2017 (Ausgegeben am 24.04.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Stefan Gebhardt (DIE LINKE) Provenienzforschung in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/655 Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei/dem Ministerium für Kultur Frage 1 Zu welchen Ergebnissen führte der sogenannte „Erst-Check NS-Raubgut“ in fünf Museen im Rahmen eines Projektes in Zusammenarbeit von Deutschem Zentrum Kulturgutverluste und Museumsverband Sachsen-Anhalt? Wie bewertet die Landesregierung diese Ergebnisse insgesamt? Antwort zu Frage 1: Der Erstcheck wurde für kleinere und mittlere Museen mit geringen personellen und finanziellen Ressourcen entwickelt. Ein erster Durchlauf 2016 in Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass der Erstcheck eine effiziente Methode ist, um sammlungsbezogene Hinweise auf NS-Raubgut offenzulegen. Daher soll der Erstcheck in weiteren Museen Anwendung finden. Frage 2 In welchen der fünf Museen konnte mit dem „Erst-Check NS-Raubgut“ Bedarf an einer weitergehenden, langfristigen Provenienzforschung ermittelt werden? In welchen der Museen konnte ein solcher Bedarf ausgeschlossen werden? Antwort zu Frage 2: Der Erstcheck wurde durchgeführt in den Museen - Städtisches Museum Aschersleben - Gleimhaus Halberstadt - Danneil-Museum Salzwedel - Altmärkisches Museum Stendal - Museum Schloß Moritzburg Zeitz 2 In jedem der Museen wurden Hinweise auf weiterergehenden Forschungsbedarf gefunden . Frage 3 Wie schätzt die Landesregierung die Potentiale der betreffenden Museen ein, an erforderlicher vertiefender Provenienzforschung wie auch Forschungen zum Kontext (z. B. Kunsthandel in der NS-Zeit in unserer Region) zu ihren Beständen mitzuwirken ? Sieht die Landesregierung die Gefahr, dass in den betreffenden Museen aus Gründen der Haushaltssanierung der Kommunen ein weiterer Stellenabbau vollzogen werden muss, in dessen Folge eine Fortführung der vertiefenden Provenienzforschung NS-Raubgut gefährdet wäre? Wenn ja, welche Möglichkeiten der Unterstützung sieht sie, um die Fortführung der vertiefenden Provenienzforschung NS-Raubgut an diesen Einrichtungen zu gewährleisten? Antwort zu Frage 3: Die vorgenannten Museen sind personell wie finanziell nicht in der Lage, Maßnahmen zur vertiefenden Provenienzforschung durchzuführen; dies verbindet sie mit einer Vielzahl kommunaler Museen in Sachsen-Anhalt. Mit der 1999 geschlossenen „Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ hat sich das Land Sachsen-Anhalt dazu verpflichtet, „NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu suchen und zu restituieren“. Ob dieser Verpflichtung erachtet es die Landesregierung als notwendig, die betroffenen Kommunen soweit erforderlich bei der vertiefenden Provenienzforschung zu unterstützen. Die Staatskanzlei und Ministerium für Kultur hat vor diesem Hintergrund den Museumsverband Sachsen-Anhalt e. V. um Bündelung und Koordinierung der vertiefenden Provenienzforschung an allen fünf Museen gebeten. Zum 30. März 2017 hat der Museumsverband einen entsprechenden Antrag für ein „Modellprojekt zur Provenienzforschung in Sachsen-Anhalt“ beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eingereicht. Beginnend zur Jahresmitte 2017 sollen im Rahmen dieses Modellprojekts mehrere Wissenschaftler in diesen fünf Museen vertiefte Forschungen durchführen . Die Staatskanzlei und Ministerium für Kultur hat die Übernahme des Eigenanteils für den Antrag in Aussicht gestellt, sodass die Träger der Museen von allen Kosten freigestellt werden. Die Ergebnisse aus den Erstchecks wie auch aus dem Modellprojekt werden abschließend daraufhin geprüft, ob und in welchen Bereichen eine Kontextforschung etwa zur Rolle des Kunst- und Antiqitätenhandels in unserer Region erforderlich sein wird. Frage 4 Sind der Landesregierung weitere Museen und andere kulturgutbewahrende Einrichtungen bekannt, die Interesse an der Durchführung eines „Erst-Check NS-Raubgut“ geäußert haben bzw. einen diesbezüglichen Antrag stellten? Wenn ja, um wie viele Fälle und um welche Einrichtungen handelt es sich? 3 Antwort zu Frage 4: Es haben 17 weitere Museen ihr Interesse an der Durchführung des Erstchecks angemeldet . Die Staatskanzlei und Ministerium für Kultur hat in Zusammenarbeit mit dem Museumsverband Sachsen-Anhalt e. V. im Rahmen des schon genannten „Modellprojekts zur Provenienzforschung in Sachsen-Anhalt“ die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die ersten dieser Museen noch im laufenden Jahr mit einem Erstcheck beginnen können - eine positive Förderentscheidung der Stiftung Deutschen Zentrum Kulturgutverluste vorausgesetzt. Auch hierfür trägt die Landesregierung die üblicherweise kommunalen Eigenanteile. Es handelt sich um folgende 17 Museen: ‐ Museum Schloss Bernburg ‐ Kreismuseum Bitterfeld ‐ Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau ‐ Freilichtmuseum Diesdorf ‐ Museum Schloß Neuenburg ‐ Museum Heineanum Halberstadt ‐ Prignitz-Museum Havelberg ‐ Museum im Schloss Lützen ‐ Kreismuseum Osterburg ‐ Spengler-Museum Sangerhausen ‐ Salzlandmuseum, Schönebeck ‐ Winckelmann-Museum Stendal ‐ Städtische Museen Tangermünde ‐ Börde-Museum Burg Ummendorf ‐ Museum Schloss Neu-Augustusburg, Weißenfels ‐ Harzmuseum Wernigerode ‐ Museum Zörbig Ein weiterer Erstcheck wird vom Bibliotheksverband Sachsen-Anhalt durchgeführt werden in den Bibliotheken ‐ Anhaltische Landesbücherei Dessau ‐ Stadtbibliothek Magdeburg ‐ Neue Deutsche Rosenbibliothek - Europa-Rosarium Sangerhausen ‐ Harzbücherei Wernigerode ‐ Historische Bibliothek Francisceum Zerbst. Es handelt sich hierbei um das bundesweit erste Projekt eines Erstchecks in kommunalen Bibliotheken, ein Ausweis der besonderen Bemühungen der Landesregierung zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes. Frage 5 Wie viele nennenswerte Projekte hat das Land im Bereich der Provenienzforschung NS-Raubgut wie Kontextforschung NS-Raubgut an kulturgutbewahrende Einrichtungen in Sachsen-Anhalt seit Bestehen der Washingtoner Prinzipien von 1998 und der Gemeinsamen Erklärung von 1999 gefördert? Wie hat es zur Verbreitung der Ergebnisse beigetragen? 4 Antwort zu Frage 5: Die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste ist Ende 2014 zu wesentlichen Teilen aus der bundesweiten „Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg“ hervorgegangen. 20 Jahre lang, seit ihrer Gründung im Jahr 1994, war die Koordinierungsstelle organisatorisch wie räumlich in das Kultusministerium Sachsen-Anhalt eingebunden. Die Landesregierung hat entsprechend frühzeitig und langfristig auf die Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung von 1999 in allen Bereichen der Kulturverwaltung hingewirkt. Die Anstrengungen der Landesregierung bezogen sich hauptsächlich auf die Erforschung der Bestände der beiden großen Kulturgutdepots in Sachsen-Anhalt nach dem zweiten Weltkrieg - der Moritzburg in Halle (Saale) und des Schlosses Wernigerode . Beide befinden sich heute in Trägerschaft der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, die diese Forschungsaufgaben mithilfe institutioneller Landesförderung langfristig wahrnimmt. Für das Kunstmuseum Moritzburg wurden ergänzende Bundesmittel eingeworben für das Projekt „Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken unter den Ankäufen des Kunstmuseums Moritzburg in den Jahren 1933-1949“ in den Jahren 2011 bis 2013. Die Projektzusammenfassung ist im Projektfinder des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste der Öffentlichkeit zugänglich. Alle nicht zuzuordnenden Objekte werden ordnungsgemäß in der Datenbank Lost Art eingestellt und damit ebenfalls öffentlich zugänglich. Frage 6 Wie hoch war die Anzahl der Anträge beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen auf Rückgabe beweglicher Sachen aus Privatvermögen gemäß § 5 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) im Jahr 1995? Wie hoch ist die Zahl der noch nicht abgearbeiteten Anträge jetzt (Stichtag 31. Dezember 2016)? Wenn möglich, bitte aufteilen nach Stiftungen des Landes und nach kommunalen Einrichtungen. Antwort zu Frage 6: Zum Stichtag 31. Dezember 2016 lagen dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen 348 Anträge auf Rückgabe beweglicher Vermögenswerte gemäß § 5 AusglLeistG vor. Diese Anträge beziehen sich zum Stichtag auf 157.161 Vermögenswerte . Ein Großteil der Rückgabeanträge weist nicht Einzelgegenstände aus, sondern bezieht sich auf Sachgesamtheiten (z. B. Schlossinventar, Gutsarchive), die wiederum aus einer großen Zahl von Vermögenswerten bestehen können. Zum 31. Dezember 2016 waren noch186 Anträge bezogen auf 8.873 Vermögenswerte offen. Die Anzahl der tatsächlich noch betroffenen Vermögenswerte kann erst nach Abschluss der aufwändigen Recherchen genau beziffert werden, da sich die Anträge in der Regel allgemein auf das konfiszierte bewegliche Vermögen beziehen. Eine Aufteilung nach Stiftungen des Landes und kommunalen Einrichtungen ist nicht möglich. 5 Frage 7 Sind die Stiftungen des Landes und die kommunalen Archive, Bibliotheken und Museen in der Lage, die erforderliche aufwändige Provenienzforschung zu Anträgen gemäß § 5 AusglLeistG (siehe Frage 6) in absehbarer Zeit zu bewältigen? Fördert das Land Provenienzforschung zu diesen Fällen in den Archiven, Bibliotheken und Museen? Wenn ja, aus welchen Haushaltstiteln erfolgt das und welche Höhe des Eigenanteils der kommunalen Antragsteller wird jeweils gefordert? Antwort zu Frage 7: Der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur ebenso wie dem Museumsverband lagen und liegen keine Anfragen oder Anträge kommunaler Einrichtungen vor, die auf eine Unterstützung bei der Provenienzforschung zu Anträgen gemäß § 5 AusglLeistG gerichtet sind; dies legt nahe, dass die genannten Einrichtungen diese Aufgaben eigenständig bewältigen. Zur Förderung von Provenienzforschung in Museen des Landes stehen im Doppelhaushalt 2017/18 Haushaltsmittel in Höhe von 50.000 € jährlich bei Kapitel 1786 Titel 685 63 zur Verfügung. Im Rahmen der allgemeinen Kulturförderung sind die Stiftungen des Landes sowie die kommunalen Bibliotheken und Museen zur Antragstellung berechtigt; ein Eigenanteil von mindestens 10 % der zuwendungsfähigen Gesamtkosten ist erforderlich.