Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1310 27.04.2017 (Ausgegeben am 27.04.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Matthias Büttner (AfD) Geburtenrate Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/705 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Land Sachsen-Anhalt gehört zu den Bundesländern in Deutschland, die ein großes demographisches Problem haben. Es sterben mehr Menschen als Kinder geboren werden. Die bisher verfolgte Lösung, die fehlenden Geburten durch Migration von z. B. nordafrikanischen, hauptsächlich jungen Männern auszugleichen, kann nicht funktionieren und ist somit als gescheitert anzusehen. Nur eine Steigerung der Geburtenrate von einheimischen Kindern kann das Problem lösen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung der Landesregierung: Die Geburtenentwicklung wird üblicherweise durch die zusammengefasste Geburtenrate oder auch Geburtenziffer gemessen. Sie gibt an, wie viele Kinder durchschnittlich je Frau (im Alter zwischen 15 und 49 Jahren) in einem Jahr zu Welt kamen . Bei der Berechnung der Geburtenrate wird in Sachsen-Anhalt nicht zwischen deutscher und ausländischer Bevölkerung unterschieden. Die zusammengefasste Geburtenziffer in Sachsen-Anhalt ist seit dem Jahr 2010 von 1,4 Kindern je Frau auf 1,5 Kinder je Frau gestiegen. Zuwanderung kann kein Geburtendefizit ausgleichen, sie kann den Bevölkerungsrückgang kompensieren. Damit wird lediglich die Anzahl der Gesamtbevölkerung beeinflusst und hilft diese zu stabilisieren. Die Geburtenrate wird von sehr vielen Faktoren beeinflusst. Deshalb ist das Zusammenspiel zahlreicher Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate entscheidend. 2 Die Entscheidung für Kinder ist zu allererst eine sehr private Entscheidung. Familiengründungen sind von den sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft abhängig. Einen Baustein bilden beispielsweise die familienpolitischen Maßnahmen. Diese sind jedoch im Kontext von ökonomischen , familienpolitischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen zu sehen. Hochwertige Betreuungsangebote, das Elterngeld und auch eine familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung - einhergehend mit gut bezahlten Arbeitsplätzen - helfen jungen Paaren, sich für Kinder zu entscheiden. 1. Welche Förderung und Fördermöglichkeiten bestehen, um gegen den demographischen Wandel in Sachsen-Anhalt anzugehen? Der Einbruch der Geburtenrate zu Beginn der 1990er Jahre war im Wesentlichen auf die unsichere (wirtschaftliche) Lebensperspektive der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt zurückzuführen. In dem Maße, wie Sachsen-Anhalt eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen erreicht hat, werden Unsicherheiten in Bezug auf die Lebensperspektive minimiert. Dies wirkt sich positiv auf die Geburtenrate aus. Insbesondere die Stärkung der weichen Standortfaktoren trägt zur Familienbildung in Sachsen-Anhalt bei. Die Familienbildung ist im Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) rechtlich verankert. Unter der Überschrift „Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie“ wird im § 16 festgelegt, dass „Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen“ unterstützende und begleitende Leistungen angeboten werden. Unterstützend wirken auch die 1.774 Kindertageseinrichtungen und 185 Tagespflegepersonen 1 in Sachsen-Anhalt, die Familien vielfältige Hilfe für gelingendes Familienleben anbieten. Es besteht ein flächendeckendes Angebot an Kindertageseinrichtungen als verlässliche Rahmenbedingung für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Für jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Sachsen Anhalt besteht ab Geburt bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang ein Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Platz in einer Kindertageseinrichtung oder Tagespflegestelle. Im Sozialraum von Familien bieten Familienzentren und Kindertageseinrichtungen , die sich im Rahmen ihres pädagogischen Konzeptes zum Kinder-Eltern- Zentrum entwickelt haben, Angebote der Familienbildung. Die Arbeit der Familienzentren des Landes Sachsen-Anhalt ist konzeptionell auf verschiedene Zielgruppen ausgerichtet. Die Angebote reichen von der Geburtsvorbereitung, über die Begleitung in verschiedenen Familienphasen zu Informationen über aktuelle familiäre oder auch politische Themen, oft in Kooperation mit verschiedenen Partnern wie den Krankenkassen oder den Jobcentern. Darüber hinaus werden Familien in Sachsen-Anhalt vielfältig durch öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe unterstützt. Neben Beratungsleistungen zu Schwangerschaft und Geburt, kindlicher Entwicklung, Familie, Erziehung, Partnerschaft , Gesundheit und wirtschaftlichen Hilfen gibt es Angebote der Familienbildung und Familienbegegnung. Letztere richten sich besonders an ein- 1 http://www.stala.sachsen-anhalt.de/download/stat_berichte/6K504_j_2016.pdf 3 kommensschwache Familien. Unter dem Einfluss des demografischen Wandels wird der Bedarf an Information zu Pflege und Betreuung Familienangehöriger immer größer, so dass Familienbildung heute vier Generationen betrachtet. Der demografische Wandel ist ein stetiger gesamtgesellschaftlicher Prozess, der durch Bevölkerungsverluste oder Bevölkerungswachstum gekennzeichnet ist. Für die Gestaltung des demografischen Wandels bietet die Landesregierung unter anderem nachstehende Fördermöglichkeiten an: 2010 hat Sachsen-Anhalt erstmals eine „Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen für die Gestaltung des demografischen Wandels“ aufgelegt. Mit Hilfe dieser Richtlinie sollen vor allem kommunale und gesellschaftliche Akteure bei der Durchführung von Projekten zur Gestaltung des demografischen Wandels unterstützt werden. Sie soll Hilfe zur Selbsthilfe sein, bürgerschaftliches Engagement aktivieren und zu kreativen Projektideen und zur Entwicklung neuer Lösungsansätze anregen. Die Integrierten Entwicklungskonzepte bieten im Bereich der Städtebauförderung , die Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepte (ILEK) bzw. die partizipativen Instrumente wie LEADER-Konzepte oder Dorfentwicklungsplanungen die Möglichkeit, die Bürger für die Entwicklung ihrer Gemeinden zu interessieren, sie einzubeziehen und sich mit eigenen Ideen und Projekten zu beteiligen. Die Wohneigentumsförderung, die neben dem Baudarlehen attraktive Kinderzuschüsse - unter Einhaltung von Einkommensgrenzen - gewährt. Familien mit Kindern können damit bei der Wohneigentumsbildung Unterstützung erfahren . Wohneigentum ist ein Haltefaktor. Förderung der altengerechten Anpassung von Wohnraum durch das Programm „Sachsen-Anhalt MODERN“ vor dem Hintergrund der zunehmend älter werdenden Bevölkerung. Gemäß Landtagsbeschluss ist derzeit das sogenannte „Aufzugsprogramm“ in Arbeit, das zur Verbesserung des barrierefreien Zugangs zu Wohngebäuden und Wohnraum beitragen soll. Dies verbessert insgesamt die Qualität des vorhandenen Wohnraums, insbesondere für ältere Personen, Personen mit Bewegungseinschränkungen und Familien mit Kindern. 2. Welche Förderungen und Fördermöglichkeiten können durch das Land Sachsen-Anhalt in Zukunft entwickelt werden, um die Geburtenrate zu erhöhen und um junge Menschen im Land Sachsen-Anhalt zu halten? Die Zahl der Geburten ist in Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 2010 leicht angestiegen . Im Jahr 2010 wurden in Sachsen-Anhalt 17.300 Kinder und im Jahr 2015 lag die Zahl der Geburten bei 17.415 Kindern. Die Zahlen für das Jahr 2016 liegen noch nicht vor, jedoch zeichnet sich eine positive Trendentwicklung ab. Um ungewollt kinderlosen Paaren die Familiengründung zu erleichtern, unterstützt die Landesregierung seit 2010 und auch künftig Paare mit unerfülltem Kinderwunsch bei der Finanzierung von Maßnahmen der assistierten Repro- 4 duktion. Sachsen-Anhalt ist eines der ersten Bundesländer, das neben verheirateten Paaren auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften von Frau und Mann eine Unterstützung für die Behandlungen zur künstlichen Befruchtung gewährt. Dieses Programm stößt auf großes Interesse, wie die steigenden Antragszahlen zeigen. So wurden im Jahr 2016 Mittel für 405 erfolgte Behandlungen in Höhe von insgesamt 280.990 Euro ausgezahlt. Das sind im Durchschnitt rd. 700 Euro pro Behandlung. Die Qualität der Kindertagesbetreuung in Sachsen-Anhalt wird ständig weiterentwickelt . Im Kinderförderungsgesetz ist festgelegt, dass das Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt „Bildung: elementar - Bildung von Anfang an“ verbindliche Grundlage für die pädagogische Arbeit in allen Kindertageseinrichtungen ist und jede Kindertageseinrichtung nach einer Konzeption und einem durch den Träger frei zu wählenden Qualitätsmanagementsystem zu arbeiten hat. Derzeit wird das Kinderförderungsgesetz evaluiert. Die in diesem Rahmen gewonnenen Erkenntnisse werden in die Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung einfließen. Allein durch finanzielle Anreize wird die Geburtenrate nicht zu erhöhen sein. Das zeigt die Studie „Familienland Sachsen-Anhalt“, die die Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2016 publiziert hat. Danach machen junge Menschen in Sachsen- Anhalt die Entscheidung für ein Kind, insbesondere für mehrere Kinder, abhängig von einer gesicherten wirtschaftlichen Perspektive für die eigene Familie. Das heißt, es bedarf u. a. einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, die eine ausreichende Zahl hochwertiger bzw. gut bezahlter Arbeitsplätze entstehen lässt bzw. sichern hilft. 3. Welche konkreten Vorschläge und Forderungen würde die Landesregierung gegenüber dem Bund und der Bundesregierung machen bzw. stellen , um die Geburtenrate in Sachsen-Anhalt zu erhöhen und junge Menschen im Land zu halten? Derzeit gibt es keine konkreten Vorschläge und Forderungen, die die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung stellt. In Bezug auf die Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung steht die Landesregierung mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in engem Kontakt. Auf der Bund-Länder-Konferenz „Frühe Bildung - Mehr Qualität für alle Kinder“ im November 2016 haben die zuständigen Ministerinnen und Minister in einer gemeinsamen Erklärung ihr Ziel bekräftigt , die Qualität in der Kindertagesbetreuung durch gemeinsame Qualitätsentwicklungsziele und eine solide Finanzierungsgrundlage dauerhaft zu sichern. Grundlage dafür ist der auf dieser Konferenz vorgestellte erste Zwischenbericht von Bund und Ländern „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“2. Insgesamt bringt sich Sachsen-Anhalt in den einschlägigen Gremien, die sich auf Bundes- und Bund-Länder-Ebene mit familienpolitischen Fragen und denen von Kindern und Jugendlichen befassen entsprechend ein. 2 https://www.bmfsfj.de/blob/114052/076b2053be513c4c9384a419b73faac0/fruehe-bildungweiterentwickeln -und-finanziell-sichern-zwischenbericht-2016-von-bund-und-laendern-data.pdf