Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/138 30.06.2016 (Ausgegeben am 30.06.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hendrik Lange (DIE LINKE) Salze in Oberflächengewässern Kleine Anfrage - KA 7/10 Vorbemerkung/Begründung des Fragestellenden: Sauberes Wasser ist für Menschen ein essentielles Lebensmittel und notwendiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie und weitere Richtlinien tragen dem Rechnung und schreiben einen umfassenden nachhaltigen Gewässerschutz vor. Oberflächengewässer sollen nach einheitlichen Kriterien bewertet und - wenn notwendig - in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden. Für bestimmte Stoffe, die ein Risiko für die Umwelt darstellen, werden mit der novellierten Verordnung auch aktualisierte Umweltqualitätsnormen für Jahresmittelwerte und Maximalkonzentrationen vorgegeben. Die Verordnung zum Schutz von Oberflächengewässern der Bundesregierung dient der Umsetzung verschiedener EU-Vorgaben in nationales Recht. Dazu wurde die Bundesratsdrucksache 627/15 beraten. Medienberichten zufolge hat die Landesregierung Sachsen-Anhalts im Wirtschaftsausschuss einen Antrag mit dem Ziel gestellt , keinen Grenzwert für Chlorid in Oberflächengewässer anzugeben oder diesen Wert mit 400 mg/l anzusetzen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Welche Bemühungen unternimmt die Landesregierung, Grenzwerte für die Chloridkonzentration von Oberflächengewässern zu erforschen? Sachsen-Anhalt unterstützt und begleitet im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser - LAWA - auch Projekte, die insbesondere seit 2012 die Korrelation zwischen biologischen Qualitätskomponenten und allgemeinen physikalisch -chemischen Parametern in Fließgewässern untersuchen. Zu den allge- 2 meinen physikalisch-chemischen Parametern gehört unter anderem auch Chlorid . Ziel dieser Projekte ist die Ableitung von gewässertyp- und biokomponentenspezifischen Schwellenwerten, die Auskunft darüber geben, ob ein chemischphysikalischer Parameter wahrscheinlich eine Verfehlung des guten ökologischen Zustands bewirkt oder nicht. Darüber hinaus hat der Gewässerkundliche Landesdienst im Jahr 2010 untersuchen lassen, wie sich Chlorid in Fließgewässern auf aquatische Kleinlebewesen , das sogenannte Makrozoobenthos, auswirkt. In diesem Zusammenhang sind die im Land vorhandenen Daten für Makrozoobenthos und Chlorid für den Zeitraum von 2005 bis 2008 analysiert und statistisch ausgewertet worden. 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung im Hinblick auf die Chloridkonzentration eines Oberflächengewässers und mögliche Auswirkungen auf aquatische Organismen? Salzgehalt und Ionenzusammensetzung sind wichtige Habitatfaktoren im Gewässer und bestimmen maßgeblich die aquatische Besiedlung. Gewässerorganismen sind an natürlicherweise vorkommende Salzgehalte und Ionenzusammensetzungen physiologisch angepasst. Bei Abweichungen fallen empfindliche Arten aus, robuste Arten breiten sich aus. Das gesamte Arten- und Abundanzgefüge einer Lebensgemeinschaft kann sich dadurch verändern. Die Biozönosen silikatischer Gewässer reagieren überwiegend empfindlicher auf Salzbelastungen als die der karbonatischen Gewässer. Gut dokumentiert sind die Veränderungen in den Lebensgemeinschaften bei Kieselalgen, auch Diatomeen, und Makrozoobenthos. Besonders in silikatischen Gewässern verursachen anthropogen bedingte höhere Chloridkonzentrationen den Verlust standorttypischer salzmeidender Diatomeentaxa. In einem Projekt der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser zur „Korrelation zwischen Qualitätskomponenten und allgemein chemisch-physikalischen Parametern in Fließgewässern“ wurden Chlorid-Präferenzbereiche für 474 Makrozoobenthos -Taxa silikatischer Gewässer und für 623 Makrozoobenthos-Taxa karbonatischer Gewässer abgeleitet. Anthropogen erhöhte Chloridkonzentrationen führen insbesondere in Fließgewässern zu einer Verdrängung von einheimischen Arten und begünstigen die Ansiedlung von Neozoen. 3. Haben Forschungen bezüglich der Chloridkonzentration belastbare Grenzwerte hervorgebracht? Wenn ja, welche? Bezieht sich die Landesregierung dabei auf wissenschaftliche Veröffentlichungen? Wenn ja, bitte nennen. Nein. 3 Die Oberflächengewässerverordnung vom 20.07.2011 enthält für den sehr guten Zustand einen Orientierungswert für Chlorid von 50 Milligramm pro Liter. Die im Bundestag im laufenden Gesetzgebungsverfahren novellierte Oberflächengewässerverordnung enthält für den guten Zustand einen Orientierungswert von 200 Milligramm pro Liter. Das Inkrafttreten der Verordnung bleibt abzuwarten. 4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung hinsichtlich der Belastungssituation von Oberflächengewässern durch Nitrat in Sachsen-Anhalt? Die Umweltqualitätsnorm für Nitrat bezogen auf den chemischen Zustand beträgt 50 Milligramm pro Liter für den Jahresmittelwert gemäß Anlage 7, Tabelle 3 der Oberflächengewässerverordnung vom 20.07.2011. Für die Bewertung der Belastungssituation wird der Jahresmittelwert der jeweiligen Messstelle mit der Umweltqualitätsnorm verglichen. Die Jahresmittelwerte werden üblicherweise aus 6 oder 12 Einzelmesswerten pro Jahr berechnet. Im Zeitraum 2009 bis 2015 wurden 1.307 Messstellen an 542 Gewässern zum Teil mehrmals jährlich auf Nitrat untersucht. Bei 126 Messstellen an 82 Gewässern wurden Überschreitungen der Umweltqualitätsnorm in mindestens einem Jahr festgestellt. Die Untersuchungsergebnisse sind im Internet unter http://www.lhw.sachsen-anhalt.de/gewaesserkundlicher-landesdienst/monitoring -ergebnisse/ eingestellt. 5. Wo werden im Land Sachsen-Anhalt Salze Gewässern zugeführt und in welcher Menge? Bitte in Jahresscheiben sortiert angeben. Wer ist nach Einschätzungen der Landesregierung Hauptverursacher bezüglich der Zuführung von Salzen? Salze werden durch jede Abwassereinleitung, das heißt Einleitungen aus kommunalen Kläranlagen, Niederschlagswassereinleitungen und Industrieabwassereinleitungen , den Gewässern zugeführt. Anforderungen zur Begrenzung von Salzen, in der Regel für den Parameter Chlorid, werden in wasserrechtlichen Zulassungen ausschließlich bei salzrelevanten Abwassereinleitungen gestellt. Diese Anforderungen werden im Rahmen der behördlichen Überwachung aber auch durch Eigenkontrolle der Anlagenbetreiber überwacht. Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht der Abwassereinleiter mit relevanter Salzfracht bezogen auf den jährlichen Eintrag von Chlorid in Oberflächengewässer : lfd. Nr. Anlagenname Chlorid-Frachten in Tonnen pro Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 1 Dow Olefinverbund GmbH, Werk Schkopau , Buna SL GmbH 14.771 12.742 13.012 16.835 15.179 11.670 2 Infra Leuna GmbH 10.860 12.157 13.811 15.619 20.172 24.870 3 Uniper Kraftwerke GmbH, KW Schkopau 1.149 1.370 1.463 1.410 1.434 1.439 4 4 CIECH Soda Deutschland GmbH & Co. KG, Staßfurt, Sodawerk 242.584 198.604 226.724 319.490 279.182 335.187 5 Solvay Chemicals GmbH, Werk Bernburg 415.552 448.307 344.578 448.935 383.230 409.656 6 ChemiePark Bitterfeld Wolfen GmbH 1.832 2.102 2.182 1.906 1.956 1.502 7 Gemeinschaftsklärwerk Bitterfeld-Wolfen GmbH 14.197 13.804 14.429 11.216 14.197 14.303 Neben den Abwassereinleitungen erfolgen in Sachsen-Anhalt derzeit folgende bergbaubedingte Einleitungen salzhaltiger Wässer in Oberflächengewässer: Durch die K+S Kali GmbH werden die bei der Kaliproduktion am Standort Zielitz anfallenden Halden- und Prozessabwässer in die Elbe eingeleitet. Die jährlichen Frachtraten betrugen: 2013: ca. 88.300 Tonnen Chlorid 2014: ca. 99.100 Tonnen Chlorid 2015: ca. 89.000 Tonnen Chlorid Im Zusammenhang mit dem Betrieb des Gradierwerkes Bad Dürrenberg leitet die Stadt Bad Dürrenberg solehaltige Wässer aus dem Borlachschacht in die Saale ein. Die jährlichen Frachtraten betrugen: 2013: ca. 4.100 Tonnen Chlorid 2014: ca. 5.500 Tonnen Chlorid 2015: ca.10.100 Tonnen Chlorid. Der erhöhte Abstoß in Jahr 2015 resultierte aus der turnusmäßigen Kontrolluntersuchung des Borlachschachtes und der damit verbundenen Sonderabstoßung in die Saale. Eine neue wasserrechtliche Erlaubnis wird derzeit im Landesamt für Geologie und Bergwesen bearbeitet. Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens werden in Abstimmung mit dem Gewässerkundlichen Landesdienst beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, der unteren Wasserbehörde des Landkreises Saalekreis und der Stadt Bad Dürrenberg die Möglichkeiten einer Reduzierung der Mengen beraten und ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Aus dem zwischenzeitlich gefluteten ehemaligen Kupferschiefergruben im Mansfelder Land werden durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- Verwaltungsgesellschaft mbH zur Wasserstandsregulierung über den Schlüsselstollen salzhaltige Überstandswässser in die Schlenze und über den Segen Gottes Stollen in die Gonna mit folgenden Chloridfrachten abgeleitet: 5 Schlüsselstollen Segen Gottes Stollen 2013: ca. 413.000 Tonnen Chlorid ca. 20.000 Tonnen Chlorid 2014: ca. 425.000 Tonnen Chlorid ca. 18.700 Tonnen Chlorid 2015: ca. 422.000 Tonnen Chlorid ca. 16.700 Tonnen Chlorid Diese Ableitungen werden auch langfristig zur Gewährleistung der bergbaulichen und öffentlichen Sicherheit erforderlich bleiben. Salze gelangen zudem aufgrund des Winterdienstes in gewissem Umfang in den neben der Straße anstehenden Boden sowie die Entwässerungssysteme. Es liegen jedoch keine Untersuchungen vor, wo beziehungsweise in welchen Mengen diese dann Gewässer erreichen. 6. Inwieweit plant die Landesregierung, Nährstoffströme transparent zu veröffentlichen ? In Ergänzung der Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger des Bundes wird derzeit eine Landesverordnung über Meldepflichten zum Transport und Verbleib von Wirtschaftsdünger vorbereitet. Nach dieser Landesverordnung sollen Wirtschaftsdüngertransporte nach und aus Sachsen-Anhalt in ein Meldeprogramm, wie es bereits in Niedersachsen, Nordrhein -Westfalen und Schleswig-Holstein Anwendung findet, gemeldet werden. Dieses Meldeprogramm ist die Voraussetzung für eine Auswertung von Nährstoffströmen zwischen den Bundesländern und innerhalb von Sachsen-Anhalt. Eine Veröffentlichung der Nährstoffströme aus gemeldeten Wirtschaftsdüngertransporten kann auf dieser Basis voraussichtlich ab dem Jahr 2017 erfolgen. 7. Inwieweit kann die Landesregierung die Medienberichte bestätigen, dass der Antrag im Wirtschaftsausschuss mit Rücksicht auf die Belange salzproduzierender Unternehmen gestellt worden ist? Sachsen-Anhalt hatte in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates am 11.02.2016 den Antrag gestellt, den Wert 200 Milligramm pro Liter für den Parameter Chlorid als physikalisch-chemische Qualitätskomponente für die Bewertung des ökologischen Gewässerzustandes im Entwurf der Oberflächengewässerordnung zu streichen. Hintergrund hierfür war hauptsächlich das Fehlen einer europarechtlichen Vorgabe zur Festlegung eines solchen Wertes und weiterer Forschungsbedarf für die Konkretisierung des Orientierungswertes für Chlorid als allgemeinen physikalisch-chemischen Parameter, der lediglich unterstützend zur Bewertung des ökologischen Gewässerzustandes herangezogen werden soll.