Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1402 16.05.2017 (Ausgegeben am 16.05.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zwangsprostitution in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/681 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz) wird am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Zur Ausführung des Gesetzes sind landeseinheitliche Regelungen notwendig (Ausführungsgesetz). Mit dem Gesetz wird auch die Erwartung verknüpft, dass die kriminellen Begleiterscheinungen der Prostitution zurückgedrängt und die Ausstiegsmöglichkeiten für Prostituierte erleichtert werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit und Koordination mit den jeweils zuständigen Behörden der Herkunfts- und Zwischenländer von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution und welche Erfolge werden dabei erzielt? 2. Welche Schwierigkeiten treten bei dieser Zusammenarbeit auf? Die Fragen 1. und 2. werden im Zusammenhang beantwortet. Die Zusammenarbeit und Koordination der AWO-Fachstelle gegen Frauenhandel und Zwangsverheiratung (VERA) mit den jeweils zuständigen Behörden der Herkunfts - und Zwischenländern von Betroffenen von Menschenhandel beschränkt sich auf die Zusammenarbeit mit der diplomatischen Vertretung des jeweiligen Landes in Deutschland. Gemeint sind hier die Botschaften und Konsulate. Die Anliegen bezogen sich hauptsächlich auf die Ausstellung eines neuen Passes, unabhängig davon, ob eine Rückkehr beabsichtigt wurde. 2 Mit den diplomatischen Vertretungen der Länder Polen, Serbien und Mazedonien gestaltete sich die Zusammenarbeit gut. Der Umgang mit den Klientinnen war professionell und wertschätzend. Die Mitarbeiterinnen waren kooperativ. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Botschaften und Konsulaten wurden teilweise Probleme wie unfreundliche und schlechte Behandlung von Klientinnen festgestellt. Mit den Behörden in den Herkunfts- und Zwischenländern wurde bis jetzt kein Kontakt aufgenommen. Die Klientinnen werden darauf hingewiesen, nach Wunsch und Bedarf Kontakt zu den NGO in ihren Herkunftsländern herzustellen. Entsprechende Kontaktdaten werden den Klientinnen vor der Rückkehr ausgehändigt bzw. wird nach Wunsch bereits in Deutschland der Kontakt zu einer NGO im Herkunftsland hergestellt. 3. Wie viele Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschenhandel und Zwangsprostitution wurden im Land Sachsen-Anhalt seit 2012 eingeleitet? Bitte aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren und Delikten. Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Zwangsprostitution gemäß § 232a StGB sind in den Jahren 2012 bis 2016 nicht eingeleitet worden. Wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung sind von den Staatsanwaltschaften in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2012 bis 2016 insgesamt 33 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, hiervon 26 Verfahren gegen bekannte Täter (Js-Verfahren) und sieben gegen unbekannte Täter (UJs-Verfahren). Im Jahr 2012 sind zwei Js-Verfahren, im Jahre 2013 fünf Js-Verfahren und ein UJs- Verfahren, im Jahre 2014 drei Js-Verfahren und ein UJs-Verfahren, im Jahre 2015 neun Js-Verfahren und zwei UJs-Verfahren und im Jahre 2016 sieben Js- Verfahren und drei UJs-Verfahren geführt worden. 4. Mit welchem Ergebnis wurden diese Verfahren jeweils abgeschlossen? In sechs Verfahren dauern die Ermittlungen an. Drei Verfahren sind mit einer anderen Sache verbunden worden. In einem Verfahren bestand kein Anfangsverdacht . 20 Verfahren sind gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, davon 17 Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts und drei Verfahren, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Ein Verfahren ist wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Zwei Verfahren sind an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben worden. 5. Wie viele Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution gibt es im Land Sachsen-Anhalt und wie hat sich diese Zahl von 2012 bis heute entwickelt ? Bitte nach Kalenderjahr, Herkunftsland, Geschlecht und Alter aufschlüsseln . Die Opferzahlen beziehen sich auf folgende Straftaten: • Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB) • Zuhälterei (§ 181a StGB) 3 • Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) • Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) Herkunftsländer Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB) 2012: 4 x Deutschland, 1 x Jugoslawien, 1 x Tschechische Republik 2013: 1 x Vietnam 2014: 1 x Deutschland, 1 x Ungarn, 1 x Polen, 1 x Ukraine 2015: 1 x Deutschland 2016: 1 x Deutschland, 1 x Ungarn Zuhälterei (§ 181a StGB) 2012: 5 x Deutschland 2013: 1 x Deutschland, 2 x Rumänien, 2 x ungeklärt 2014: 1 x Deutschland 2015: 1 x Deutschland, 2 x Rumänien, 1 x Slowakei 2016: 3 x Deutschland, 2 x Ungarn, 1 x Tschechische Republik Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) 2012: keine 2013: 3 x Tschechische Republik, 1 x Mazedonien 2014: 1 x Deutschland 2015: 7 x Rumänien, 1 x Bulgarien, 1 x Tschechische Republik, 1 x Ungarn, 2 x Ukraine, 1 x Ghana 2016: 1 x Deutschland, 1 x Bulgarien, 1 x Rumänien, 1 x Ungarn, 1 x ohne Angaben Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) 2012: 1 x Ukraine 2013: keine 2014: keine 2015: 17 x Rumänien 2016: 1 x ohne Angaben Altersgruppen und Geschlecht Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB) 2012: 2 x männlich über 21 Jahre 4 x weiblich – davon 1 x bis unter 14 Jahre, 2 x 18-21 Jahre, 1 x über 21 Jahre 2013: 1 x weiblich unter 14 Jahre 2014: 4 x weiblich – davon 1 x 18-21 Jahre, 3 x über 21 Jahre 2015: 1 x weiblich über 21 Jahre 2016: 2 x weiblich – davon 1 x 18-21 Jahre, 1 x über 21 Jahre Zuhälterei (§ 181a StGB) 2012: 5 x weiblich – davon 3 x 18-21 Jahre, 2 x über 21 Jahre 2013: 5 x weiblich – davon 2 x 18-21 Jahre, 3 x über 21 Jahre 2014: 1 x weiblich über 21 Jahre 2015: 4 x weiblich – davon 2 x 18-21 Jahre, 2 x über 21 Jahre 2016: 6 x weiblich – davon 1 x 18-21 Jahre, 5 x über 21 Jahre 4 Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) 2012: keine 2013: 4 x weiblich – davon 2 x 18-21 Jahre, 2 x über 21 Jahre 2014: 1 x weiblich über 21 Jahre 2015: 13 x weiblich – davon 1 x bis unter 14 Jahre, 3 x 14-17 Jahre, 3 x 18- 21 Jahre, 6 x über 21 Jahre 2016: 5 x weiblich – davon 2 x 18-21 Jahre, 3 x über 21 Jahre Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) 2012: 1 x männlich über 21 Jahre 2013: keine Opfer 2014: keine Opfer 2015: 14 x männlich – davon 1 x 18-21 Jahre und 13 x über 21 Jahre 3 x weiblich über 21 Jahre 2016: 1 x männlich 18-21 Jahre Die Angaben sind der Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. Zu zwei der polizeilich registrierten Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung im Jahr 2013 bzw. 2016 liegen außerdem Informationen der zuständigen Ausländerbehörden vor. Danach war das Opfer im Jahr 2013 weiblich, 30 Jahre alt und kam aus der Republik Mazedonien. Das Opfer im Jahr 2016 war ebenfalls weiblich, 21 Jahre alt und kam aus Ungarn. 6. Wie viele Opfer sind seit 2012 als Zeuginnen und Zeugen im Land Sachsen- Anhalt in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden und wie lang war durchschnittlich die Verfahrensdauer? Bitte aufschlüsseln nach Kalenderjahren , Herkunftstand, Geschlecht und Alter. Seit 2012 wurde kein Opfer als Zeugin bzw. Zeuge im Land Sachsen-Anhalt in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. 7. Wie viele Opfer sind seit 2012 aus Sachsen-Anhalt in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt? Bitte aufschlüsseln nach Kalenderjahren, Herkunftsländern , Alter und Geschlecht. Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 8. Welche Regelungen gibt es hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltstiteln für diese Opfer? In wie vielen Fällen wurde ein Aufenthaltstitel erteilt und in wie vielen Fällen wurde diesen Opfern eine Arbeitserlaubnis erteilt? Das Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ist in § 25 Absatz 4a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geregelt. Danach soll einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches (StGB) wurde, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn 1. seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, 2. er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und 3. er 5 seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen. Die Regelung dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren (ABI. EU Nummer L 261 S. 19, so genannte Opferschutzrichtlinie). Die in der Antwort auf die Frage 5 erwähnte 30-jährige mazedonische Staatsangehörige ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a AufenthG, welche bis 7. Dezember 2018 gültig ist. Eine Beschäftigungserlaubnis wurde erteilt . Über die in der Antwort auf die Frage 5 ebenfalls erwähnte ungarische Frau liegen keine weiteren Erkenntnisse vor. 9. Welche Projekte oder Initiativen zur Beratung und Begleitung von Zwangsprostituierten in Sachsen-Anhalt sind der Landesregierung bekannt und wie bewertet und unterstützt die Landesregierung deren Arbeit? Im Land Sachsen-Anhalt werden betroffene Frauen von den Mitarbeiterinnen der AWO-Fachstelle gegen Frauenhandel und Zwangsverheiratung in Sachsen- Anhalt (VERA) beraten und begleitet. Die Fachstelle bietet den betroffenen Frauen folgende Unterstützung: Klärung der Kostenträger für Lebensunterhaltssicherung und längerfristige Unterbringung Information der Klientin zu ihrer rechtlichen Situation, ihren Rechten und Pflichten Vermittlung medizinischer Versorgung Vermittlung psychologischer Hilfestellungen Vermittlung einer Rechtsanwältin für die Nebenklagevertretung Information der Klientin über den Verfahrensablauf Prozessvorbereitung Prozessbegleitung und Nachbereitung Begleitung der Klientin nach Prozessende und ggf. Organisation der Rückkehr ins Herkunftsland Die Arbeit der Fachstelle wird gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Das Landeskriminalamt unterstützt und berät die Fachberatungsstelle VERA. Die Zusammenarbeit kann als positiv eingeschätzt werden. 10. Was ist der Landesregierung qualitativ und quantitativ über Zwangsprostituierte nichtdeutscher Staatsbürgerschaft bekannt? Siehe Antwort zu Frage 5.