Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1456 02.06.2017 (Ausgegeben am 06.06.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Oliver Kirchner (AfD) Abschiebepraxis bei kriminellen Ausländern in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/792 Vorbemerkung des Fragestellenden: Auf der 19. Sitzung des Plenums äußerte sich der Innenminister Holger Stahlknecht wie folgt: „Kriminelle Ausländer, auch Asylsuchende und Schutzberechtigte, können leichter abgeschoben werden, wenn sie wegen begangener Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sind.“1 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Um was für vom Innenminister beschriebene Erleichterungen in der Praxis der Abschiebungen handelt es sich? Am 17. März 2016 trat das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 in Kraft. Demnach führt die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist, zu einem besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Bei serienmäßiger Begehung von Straftaten gegen das Eigentum wiegt das Ausweisungsinteresse auch dann besonders schwer, wenn der Täter keine Gewalt, Drohung oder List angewendet hat. Über- 1 Stenografischer Bericht 7/19, 2. Februar 2017, S. 38. 2 wiegt das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse nach § 55 Aufenthaltsgesetz erfolgt eine Ausweisung nach § 53 Aufenthaltsgesetz. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz erlischt dadurch ein vorhandener Aufenthaltstitel und es entsteht Ausreisepflicht. Zudem finden bei vorgenannten Voraussetzungen die Regelungen für ein Abschiebungsverbot von ausländischen Flüchtlingen nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz keine Anwendung. 2. Welche Veränderungen ergeben sich im Vergleich zur bisherigen Praxis? Nach der bisherigen Rechtslage war, unabhängig vom Deliktsfeld, für die gleichen Folgen eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung die Anordnung von Sicherungsverwahrung notwendig. Hinsichtlich des Abschiebungsverbotes von ausländischen Flüchtlingen war ein Strafmaß von mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe notwendig. 3. Wie viele Asylsuchende und Schutzberechtigte wurden in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2015, 2016 und im laufenden Jahr, im Sinne der oben zitierten Äußerungen des Innenministers, rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt? 4. Wie viele dieser Personen wurden in den genannten Jahren abgeschoben? 5. Benennen Sie die Abschiebungshindernisse bei denjenigen Personen, die trotz rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr nicht abgeschoben wurden. Die Fragen 3 - 5 werden im Zusammenhang beantwortet. Eine statistische Erfassung der vom Anfragesteller erbetenen Auskünfte erfolgt nicht, sodass insoweit eine einzelfallbezogene Auswertung notwendig wäre. Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration sowie die Ausländerbehörden sahen sich nicht in der Lage, die entsprechenden Angaben innerhalb der für die Beantwortung von Kleinen Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit, bei fortlaufender Aufgabenerledigung, zu ermitteln. 6. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um zu verhindern, dass Personen, die unter Punkt 5 fallen, bis zu einer tatsächlichen Abschiebung keine Gefahr für die Rechtsordnung und die Bürger im Land Sachsen-Anhalt darstellen? Die Möglichkeit des Erlöschens des Aufenthaltsrechts bzw. der Nichtanwendung des Abschiebungsverbotes bei ausländischen Flüchtlingen nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr impliziert keine besondere anschließende Behandlung dieser Personengruppe gegenüber anderen Ausreisepflichtigen.