Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1457 02.06.2017 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 06.06.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Stefan Gebhardt (DIE LINKE) In Deutschland nicht lizensierte oder illegale Glücksspielanbieter in Sachsen- Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/798 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: Gemäß § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten. Soweit nachfolgend von illegalem, nicht lizensiertem oder unerlaubtem Glücksspiel die Rede ist, sind gemäß der oben genannten Definition erlaubnispflichtige Glücksspiele gemeint, die von Anbietern ohne eine entsprechende Erlaubnis veranstaltet oder vermittelt werden. 1. Wie viele in Deutschland nicht lizensierte oder illegale Glücksspielanbieter sind in der Bundesrepublik und welche in Sachsen-Anhalt aktiv? Bitte unterscheiden Sie in deutschlandweit aktive Anbieter und solche, die ausschließlich oder vorrangig in Sachsen-Anhalt tätig werden. Abschließende Zahlen liegen der Landesregierung hierzu nicht vor. 2 Die obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder haben jedoch seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages bestimmte Kennzahlen bei den legalen Anbietern erhoben und eine Beobachtung des nicht regulierten Marktes in Auftrag gegeben. Gemäß dem aktuellen Jahresreport 2015 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder hat sich der deutsche Glücksspielmarkt 2015, gemessen an den Bruttospielerträgen , zu 82 % aus regulierten Angeboten und zu 18 % aus nicht regulierten Angeboten zusammengesetzt. Ca. 6 % von diesen 18 % entfallen auf den Bereich der Sportwetten, weil Sportwetten mangels Konzessionsvergabe rechnerisch noch dem Schwarzmarkt zugerechnet werden. Mit Inkrafttreten des Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags und der damit einhergehenden Erlaubniserteilung wird der Anteil des Schwarzmarktes sinken. Von den illegalen Anbietern sind keine ausschließlich oder vorrangig in Sachsen- Anhalt aktiv. Jedoch gibt es in Sachsen-Anhalt derzeit elf illegale terrestrische Wettvermittlungsstellen , die zum Teil von solchen Sportwettanbietern betrieben werden, denen mit Inkrafttreten des Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eine Erlaubnis erteilt werden wird. 2. Wo haben die in Sachsen-Anhalt tätig werdenden in Deutschland nicht lizensierten oder illegalen Glücksspielanbieter ihren Firmensitz? Wie unter der Antwort auf Frage 1. dargestellt, sind in Sachsen-Anhalt keine illegalen Glücksspielanbieter hauptsächlich oder vorrangig aktiv. Anbieter der dort genannten Wettvermittlungsstellen sind entweder Tipico (Malta), X- Tip Cashpoint (Malta) oder Digibet (Gibraltar). 3. Sind der Landesregierung Zahlen bekannt, wie viele Bürgerinnen und Bürger aus Sachsen-Anhalt bei diesen in Deutschland nicht lizensierten oder illegalen Anbietern sich an Glücksspielen beteiligen? Wenn ja, welchen Umfang nimmt die Beteiligung an Glücksspielen in Deutschland nicht lizensierter oder illegaler Anbieter in Sachsen-Anhalt an? Wenn nein, beabsichtigt die Landesregierung in der nächsten Zeit, diesbezügliche Erhebungen in Auftrag zu geben oder selbst durchzuführen? Für die Beantwortung der Frage 3 sind die Polizeiliche Kriminalstatistik des Landes Sachsen-Anhalt und die Polizeiliche Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutschland zugrunde gelegt worden. Die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält unter anderem die der Polizei bekannt gewordenen rechtswidrigen Straftaten einschließlich der mit Strafe bedrohten Versuche. Neben der Aufklärungsquote werden auch statistische Angaben zu Opfern und ermittelten Tatverdächtigen erfasst. Die statistische Erfassung erfolgt mit Abschluss der polizeilichen Ermittlungen und Übergabe an die Staatsanwaltschaft. Die nachfolgende Übersicht enthält die in der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes Sachsen-Anhalt unter dem Straftatenschlüssel „Glücksspiel“ enthaltenden statistischen Angaben zu Verstößen gegen die §§ 284, 285 und 287 StGB. Hierbei handelt es sich um die Anzahl der Fälle mit dem Tatort in Sachsen-Anhalt. 3 Verstoß gg. §§ 284, 285, 287 StGB 2012 2013 2014 2015 2016 erfasste Fälle 2 4 1 10 1 aufgeklärte Fälle 2 4 1 8 1 Aufklärungsquote in % 100 100 100 80 100 Die nachfolgende Übersicht enthält die in der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes Sachsen-Anhalt unter dem Straftatenschlüssel „Glücksspiel“ enthaltenden statistischen Angaben zu den ermittelten Tatverdächtigen. Hierbei handelt es sich um die Anzahl der Tatverdächtigen mit dem Tatort in Sachsen-Anhalt. 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl der Tatverdächtigen 2 4 1 10 1 davon Wohnort in Sachsen-Anhalt 2 4 1 3 1 davon Wohnort in Niedersachsen 2 davon Wohnort in Bremen 3 davon Wohnort in Baden-Württemberg 2 Es ist nicht beabsichtigt, darüber hinausgehende Zahlen zu erheben. 4. Auf welcher Rechtsgrundlage ist es möglich, dass in Deutschland nicht lizensierte oder illegale Glücksspielanbieter in Rundfunk- und TV-Sendern, die dem deutschen Medienrecht unterliegen, werben? In Hörfunk- oder Fernsehprogrammen, die dem deutschen Medienrecht unterliegen, ist die Werbung für öffentliches wie auch für unerlaubtes Glücksspiel gemäß § 5 Abs. 3 und 5 GlüStV verboten. Eine Ausnahme gilt gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV i. V. m. § 14 Abs. 1 der Werberichtlinie gemäß § 5 Abs. 4 GlüStV vom 7. Dezember 2012 (MBl. LSA 2013, S. 37) lediglich für die Werbung für Lotterien und Sport- und Pferdewetten im Internet und Fernsehen durch Veranstalter und Vermittler, die eine entsprechende Erlaubnis durch die zuständige Glückspielaufsichtsbehörde erhalten haben . 5. Ist bekannt, dass Firmen, die dem deutschen Recht unterliegen, auf Internetseiten von in Deutschland nicht lizensierten oder illegalen Glücksspielanbietern Werbung betreiben? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage beruht das oder ist solche Werbung illegal? Dies ist der Landesregierung nicht bekannt. 6a) Erteilen deutsche Prüfgesellschaften, wie der TÜV, Zertifikate für in Deutschland nicht lizensierte oder illegale Glücksspielanbieter? Wenn nein, ist das „Zertifikat geprüfter Datenschutz“ vom TÜV Saarland für Tipp 24 eine Fälschung auf der Internetseite von Tipp 24? Sollte es sich um keine Fälschung handeln, auf welcher Rechtsgrundlage werden für in Deutschland nicht lizensierte oder illegale Glücksspielanbieter in der Bundesrepublik Zertifikate erteilt? Nach Kenntnis der Landesregierung sieht das bislang geltende deutsche Datenschutzrecht und die dies tragende EU-Richtlinie 95/46/EG keine „Zertifizierung“ vor. Dies wird sich erst mit dem Inkrafttreten der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) am 25. Mai 2018 ändern. Die DS-GVO regelt mit Blick auf die 4 Selbstkontrolle in der Wirtschaft in den Artikeln 42 und 43 die Möglichkeit von Zertifizierungen durch die Datenschutz-Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten und durch akkreditierte Zertifizierungsstellen. Das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wird in Ausführung der Bestimmungen der DS-GVO zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen durch deutsche Aufsichtsbehörden in § 39 zukünftig ebenfalls eine Regelung enthalten. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Technischen Überwachungsvereine (TÜVe) die Akkreditierung als Zertifizierungsstelle beantragen werden, sobald dies möglich ist. Unabhängig von diesen zukünftigen Verfahren sind die bisher durch TÜVe und andere Stellen erteilten „Datenschutz-Zertifikate“ einzuordnen. Bei diesen Zertifizierungsverfahren handelt es sich aus Sicht der Landesregierung um ein reines Marketing- Instrument ohne jede Rechtsverbindlichkeit. Die Zertifikate werden im Rahmen privatwirtschaftlicher , vertragsbasierter Vorgänge außerhalb des öffentlichen Rechtsrahmens erteilt und entfalten keinerlei Bindungswirkung für die Datenschutz- Aufsichtsbehörden. Die Zertifizierung bescheinigt mithin nichts weiter, als dass die prüfende Stelle der Ansicht ist, dass deutsche, europäische und internationale Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Die TÜVe handeln hier als private Rechtsträger und nicht als beliehene Stelle mit hoheitlichen Aufgaben. Dies wird sich dem Wesen nach auch durch die zukünftig mögliche Akkreditierung nicht ändern. 6b) Verfügen in Deutschland nicht lizensierte oder illegale Glücksspielanbieter über die Zertifizierung ISO 27001 oder über vergleichbare Zertifikate zur Informations- und Datensicherheit? Wenn ja, welche in Deutschland nicht lizensierten oder illegalen Glücksspielanbieter tragen das Zertifikat nach ISO 27001 oder ein vergleichbares Zertifikat? Dies ist der Landesregierung nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort auf Frage 6a) verwiesen. 7. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Aktivitäten in Deutschland nicht lizensierter oder illegaler Glücksspielanbieter in Sachsen -Anhalt einzuschränken? Unbeschadet des § 9 Abs. 1 GlüStV obliegt es der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde gemäß § 17 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen- Anhalt (GlüG LSA), die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Glücksspielgesetzes Sachsen-Anhalt zu vollziehen und die von öffentlichen Glücksspielen ausgehenden Gefahren abzuwehren sowie darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass auch die Zulassungen, Erlaubnisse, Anordnungen und sonstigen Maßnahmen und die mit der Erteilung von Erlaubnissen verfügten Nebenbestimmungen eingehalten werden und dass die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von unerlaubten Glücksspielen und die Werbung hierfür unterbleiben. Darüber hinaus wird sich die Landesregierung - wie bisher auch - aktiv an den länderübergreifenden Verfahren zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels beteiligen. 5 § 9 Abs. 3 Satz 1 HS. 1 GlüStV sieht ein allgemeines Gebot der Zusammenarbeit vor und in diesem Zusammenhang wurde von den Ländern zur effektiven Nutzung der vorhandenen Kapazitäten bei den Vollzugsbehörden und zur Erzielung einer höheren Vollzugswirksamkeit die „AG Aufsicht“ gegründet, die sich länderübergreifend mit Vollzugsfragen befasst, Lösungen erarbeitet und in der das Vorgehen koordiniert wird. Im Rahmen des dort erarbeiteten Vollzugskonzeptes wird eine Priorisierung des Vorgehens gegen illegale Glücksspielanbieter danach vorgenommen, wie weit das jeweilige Angebot verbreitet ist, wie viele Besucher die jeweilige Internetseite hat, wie hoch der Unternehmensumsatz und die Werbeausgaben sind sowie welches Ausmaß an Gefahren von dem Angebot ausgehen (Vielfalt und Suchtpotential des Angebots , Schwere der Verstöße gegen Spieler- und Jugendschutzmaßnahmen). Bezüglich Sport- und Pferdewetten wird dabei auch berücksichtigt, ob sich der Anbieter um eine Legalisierung im Rahmen des Konzessionsverfahrens bemüht hat oder nicht und ob gewichtige Verstöße gegen materiell-rechtliche Vorschriften vorliegen. Bei Werbung für unerlaubtes Glücksspiel im Internet erfolgt - möglichst zeitgleich - sowohl ein Einschreiten gegen den werbenden Spielanbieter als auch gegen Dritte (Sportvereine, Zeitschriftenverlage, Gutscheinplattformen, Betreiber von Social- Media-Seiten). Für die Unterbindung von Werbung für unerlaubtes Glücksspiel im privaten Rundfunk besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen der Rundfunkfreiheit (Art. 5 GG) eine ausschließliche Zuständigkeit der Landesmedienanstalten. Daher haben die Glücksspielaufsichtsbehörden mit den Landesmedienanstalten gemeinsame Leitlinien zur Zusammenarbeit bei der Aufsicht über Glücksspielwerbung privater Anbieter im privaten Rundfunk und in Telemedien vereinbart, um eine Optimierung des Vorgehens gegen illegale Inhalte zu erreichen. Zudem wird in Fällen fehlender Durchsetzbarkeit eines direkten Vorgehens gegen Glücksspielanbieter das für Maßnahmen zur Unterbrechung von Zahlungsströmen (§§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4, 9a Abs. 2 Satz 2 GlüStV) zuständige Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport informiert.