Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1476 08.06.2017 (Ausgegeben am 08.06.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Andreas Mrosek (AfD) Projekt „Wilde Mulde“ Kleine Anfrage - KA 7/809 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Forschungsprojekt „Wilde Mulde“ (Projekt-Nr. 615-3380, BMBF- und BMUB- Projekt) wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern der unmittelbar betroffenen Fluss- Anlieger-Gemeinden mit Argusaugen betrachtet. Die Erinnerungen an die vergangenen Hochwasser inklusive deren Schäden sind noch sehr stark im Gedächtnis. Deswegen ist der Hochwasserschutz sehr wichtig und darf in keinster Weise - auch durch Forschungsmaßnahmen - nicht beeinträchtigt werden. Beim Standort Jagdbrücke soll eine Seitenarmanbindung freigelegt werden. Dieser liegt am äußeren Radius der Fließrichtung eines Bogens. Hier besteht die Gefahr einer Versandung des eigentlichen Flusslaufes und die Mulde könnte sich einen neuen Weg suchen. Diese Maßnahme, im Projekt vermerkt als Nummer M 1.2, trägt die Bezeichnung „Altarmanbindung nördlich Dessau Jagdbrücke“. Bei der Maßnahme M 2 „Wiederherstellung Naturufer Sollnitzer Stillinge“ sollen auf einem ca. 500 bis 600 m langen Abschnitt der Mulde nördlich Retzau zwischen Fluss-km 20,8 bis 21,4 an einem Prallhang die natürlichen Uferstrukturen mit einer hohen Morphodynamik wiederhergestellt werden. Die derzeitige Uferböschung ist massiv mit Porphyrschottersteinen mit einer geschätzten Überdeckung von bis zu 1 m zwischen Hangoberkante und Flusssohle befestigt. Diese Porphyrschotterauflage , ebenfalls an einem äußeren Radius eines Flussbogens, soll entfernt werden. Zielstellung im Projekt ist es, die natürliche Verlagerung des Flussbettes zu beobachten und zu messen. Wie sich das Flussbett der Mulde verlagert, hatte bereits Dr. Fr. Klocke 1929 in der Schriftenreihe des Köthener Heimatmuseums im Heft Nr. 8 beschrieben (Verlag des Heimatmuseums in Köthen-Anhalt, 1929). 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Das Projekt Wilde Mulde wird in Zuständigkeit des Projektträgers WWF Deutschland vorbereitet und umgesetzt. Im begleitenden Forschungsteil bearbeiten verschiedene Universitäten und Hochschulen Einzelthemen unter Federführung des Umweltforschungszentrums Leipzig. Ziel der Maßnahme ist die Verbesserung der gewässerökologischen Verhältnisse gemäß Zielstellung der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 (Wasserrahmenrichtlinie) durch Verbesserung der Gewässermorphologie und Erhöhung der Strukturvielfalt. Von Beginn an hat der Projektträger die Öffentlichkeit umfassend informiert. Es fanden Bürgertermine, Ortschaftsratstermine sowie Informationen der Verwaltungen statt. Zuletzt wurden am 30. und 31. März 2017 Exkursionen zu den Maßnahmenstandorten für interessierte Bürger angeboten. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) begleitet das Vorhaben von Beginn an fachlich, insbesondere hinsichtlich der Belange des Hochwasserschutzes und der Gewässerökologie . Die Vorbereitung und Umsetzung der Maßnahmen erfolgt in zwei Maßnahmenkomplexen . Der Maßnahmenkomplex 1 „Totholzeinbau" umfasst den Einbau von insgesamt sieben Rauhbäumen an zwei Standorten (Dessau-Törten unterhalb der Autobahnbrücke und Dessau Nord unterhalb der Landhausbrücke). Die Planung dafür erfolgte einschließlich der notwendigen hydraulischen Modellierungen und Berechnungen. Alle erforderlichen wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Genehmigungen liegen vor. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren haben der LHW sowie die zuständige Wasserbehörde die vorgelegten hydraulischen Nachweise geprüft. Die Hochwasserneutralität ist eindeutig nachgewiesen. Die bauliche Umsetzung sollte ursprünglich im Februar 2017 erfolgen, musste aber wegen erhöhter Wasserstände abgebrochen werden und soll nun im September/Oktober 2017 erfolgen. Der Maßnahmenkomplex 2 „Rückbau Uferbefestigung und Anschluss einer Flutrinne“ beinhaltet zwei Teilmaßnahmen. Die Teilmaßnahme „Flutrinnenanschluss “ befindet sich im Mündungsbereich zur Elbe im Überflutungsgebiet und hat keine Hochwasser relevanten Auswirkungen. Sie dient einer zeitigeren Beaufschlagung und Durchströmung eines Altwasserrestes in der Flutrinne. Die Teilmaßnahme „Rückbau Uferbefestigung“ umfasst die teilweise Entfernung einer massiven Steinbefestigung eines Prallufers zwischen Retzau und Sollnitz. Derzeit erfolgen die Planungen einschließlich hydraulischer Modellierungen und naturschutzfachlicher Begleituntersuchungen. Am 4. April 2017 fand der Scoping-Termin im Rahmen des Genehmigungsverfahrens statt. Die Einreichung der Antragsunterlagen für das Genehmigungsverfahren ist für Sommer/Herbst diesen Jahres geplant. Im Vorfeld sollen weitere Öffentlichkeitstermine mit Vorstellung der Planungsergebnisse stattfinden. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens werden alle Gesichts- 3 punkte ausführlich geprüft. Dies gilt insbesondere für den Nachweis der Hochwasserneutralität . Die bauliche Umsetzung ist für Herbst 2018 geplant. Eine wasserrechtliche Genehmigung wird nur erteilt, wenn durch die Maßnahmen keine negativen Auswirkungen auf den Hochwasserschutz zu erwarten sind (Hochwasserneutralität ). Alle bisherigen Planungen und Berechnungen weisen dies nach. Nach den bisherigen Erkenntnissen ist das Projekt damit mit den Belangen des Hochwasserschutzes vereinbar. 1. Wer garantiert dafür, dass bei dem Projekt „Wilde Mulde“ im Fall eines Hochwassers keine Gefahren für die anliegenden Gemeinden ausgehen? Alle relevanten Fragestellungen werden im Rahmen der Genehmigungsverfahren umfassend geprüft. Die verfahrensführende Behörde wird nur eine Genehmigung erteilen, wenn im Ergebnis der vorgelegten Unterlagen und Berechnungen sowie im Ergebnis der behördlichen Prüfung Gefahren auf Grundlage der Erkenntnislage ausgeschlossen werden können. 2. Was passiert bei der Maßnahme M2 mit dem betroffenen Naturschutzgebiet , wenn mit schwerer Technik die Porphyrschottersteine entfernt werden ? Für die Maßnahme M2 ist eine naturschutzrechtliche Genehmigung erforderlich, die insbesondere die Prüfung der Beeinträchtigung des Naturschutzgebietes umfasst. Bestandteil der Prüfung sind auch die notwendigen Transporte, für die es ein Transportkonzept und naturschutzfachliche Beschränkungen geben wird. Das Genehmigungsverfahren ist mit dem Scoping-Termin gerade erst angelaufen . Insoweit sind die Fragestellungen im Genehmigungsverfahren durch die dafür zuständigen Behörden zu klären. 3. Wer kommt für eventuelle Schäden auf, die aufgrund der Flussbettverlagerungen und mit dem auch in Zukunft zu erwartenden Hochwasser entstehen ? Über den eigentlichen Projektzeitraum hinaus wird der WWF bis mindestens 2020 weiterhin regelmäßige Kontrollen und bei Bedarf auch Veränderungen in seiner Verantwortung durchführen. Sollten darüber hinaus Maßnahmen notwendig werden, wären diese Bestandteil der Gewässerunterhaltung. Alle bisherigen Untersuchungen zeigen, dass Gefahren aufgrund der geplanten Maßnahmen nicht zu erwarten sind. Dies war das entscheidende Kriterium bei der Wahl der Maßnahmenstandorte. Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand die Notwendigkeit eines Eingreifens mit baulichen Maßnahmen in bewertbaren Zeiträumen nicht zu erwarten.