Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1479 08.06.2017 (Ausgegeben am 08.06.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Mario Lehmann (AfD) Abläufe bei Gewahrsamsanwendung in Sachsen-Anhalt nach §§ 37 ff. des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen- Anhalt (SOG LSA) Kleine Anfrage - KA 7/816 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Rahmen der Überarbeitung der Gewahrsamsordnung in Sachsen-Anhalt kam es zur Schaffung von zentralen Polizeigewahrsamsstellen (ZPG) in den Polizeibehörden . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Wie viele Polizeibeamte werden zur Bewachung einer in Gewahrsam befindlichen Person in einer Polizeidienststelle benötigt, damit die schichtbegleitende Dienstaufsicht, die Publikumsverkehrsabwicklung und die Gewahrsamsbewachung parallel gewährleistet werden können? Zur Bewachung einer in Gewahrsam befindlichen Person werden mindestens zwei Polizeivollzugsbeamte benötigt. 2. Wie viele Personen befinden sich durchschnittlich an einem Tag zeitgleich im ZPG einer Behörde in Gewahrsam und welche Unterschiede gibt es bzgl. der Gewahrsamsauslastung in der Arbeitswoche und an den Wochenenden im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2017? Für den in Rede stehenden Zeitraum liegen keine Unterlagen zu erfolgten Gewahrsamnahmen vor. Bis zum 31. Oktober 2010 diente das Buch über die Freiheitsentziehung als originärer Nachweis zur Dokumentation von freiheitsentzie- 2 henden Maßnahmen. Gemäß Aktenordnung des Landes Sachsen-Anhalt gilt die gesetzliche Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren. Am 1. Juni 2010 wurde das Elektronische Freiheitsentziehungsbuch des Landes Sachsen-Anhalt (EFB-LSA) in den Wirkbetrieb überführt. Gemäß Verfahrensverzeichnis nach § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalt - DSG LSA) erfolgt die Datenlöschung aus dem Elektronischen Freiheitsentziehungsbuch nach zwölf Monaten. Als Betrachtungszeitraum wird demnach der Zeitraum von Mai 2016 bis April 2017 abgebildet. In diesem Zeitraum befanden sich durchschnittlich 1,5 bis 1,85 Personen am Tag zeitgleich im Zentralen Polizeigewahrsam (ZPG) der Polizeidirektionen Sachsen-Anhalt Nord und Süd. Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost verfügt nicht über einen ZPG. In dem recherchefähigen Zeitraum sind keine signifikanten Unterschiede der Gewahrsamsauslastung zwischen den Werktagen und dem Wochenende erkennbar. 3. Wie viel Polizeibeamte müssen zur täglichen Betreibung eines ZPG in den Behörden bereitgehalten werden? Den Gewahrsamsdienst des Zentralen Polizeigewahrsams versehen pro Schicht jeweils zwei Polizeivollzugsbeamte. Im aktuellen Schichtsystem bedeutet dies jeweils sechs Beamte von Montag bis Freitag und jeweils vier Beamte für Samstag und Sonntag. 4. Wie schlüsselt sich die Annahme zur Nutzung des ZPG zwischen entfernt und nah liegenden Polizeidienststellen im o. g. Betrachtungszeitraum auf? Gibt es dahingehend Unterschiede, dass ZPG-nahe Dienststellen den Gewahrsam häufiger nutzen als weit entfernte Dienststellen? Grundsätzlich korrespondiert die Häufigkeit der Nutzung des Zentralen Polizeigewahrsams mit der Anzahl von relevanten Sachverhalten und nicht mit der Entfernung der Dienststellen. Unter Bezugnahme auf die Beantwortung der Frage 2 kann aufgrund des geringen Recherchezeitraumes keine belastbare Relation zwischen Entfernung der Dienststelle zum ZPG und Häufigkeit von Ingewahrsamnahmen festgestellt werden. 5. Wie groß ist der durchschnittliche, zeitliche Belastungsaufwand der transportierenden Beamten aus weiter entfernten Dienststellen ab 30 km Entfernung bzgl. gewahrsamsvorbereitender Maßnahmen wie dem Anlegen und Ausfüllen der elektronischen Gewahrsamsakte, der Transportzeit, der gefahrenen Kilometer zur ZPG, der dortigen Übergabedauer und der Rückverlegung ? Die Übergabedauer einer sich im Gewahrsam befindlichen Person an den Zentralen Polizeigewahrsam ist vom Einzelfall abhängig und kann stark variieren. Im Durchschnitt beträgt die Übergabezeit ca. 60 Minuten. Fahr- und Transportzeiten werden statistisch nicht gesondert erfasst, sodass hierzu keine validen Zahlen vorliegen. 3 6. Wie lange muss ein Diensthabender eines Flächenpolizeireviers im Durchschnitt auf eine an sich schon knappe Funkstreifenwagenbesatzung verzichten , um die Standardmaßnahme einer polizeilichen Gewahrsamsnahme nach der gegenwärtig gegebenen Gewahrsamsordnung ordnungsgemäß umzusetzen? Ich bitte hier den Zeitraum von der Aussprache der Gewahrsamsnahme bis zur Rückkehr der Funkstreifenwagenbesatzung vom ZPG und dem Abschluss des elektronischen Gewahrsamsbuches in der Heimatdienststelle anzugeben. Valide Zahlen können unter Bezugnahme auf die Beantwortung der Frage 5 nicht genannt werden. 7. Wie viel Fälle sind bekannt, wo Polizeibeamte aufgrund des hohen administrativen Aufwandes und der geschaffenen Hürden auf das an sich einfache , effektive polizeiliche Mittel der Gewahrsamsnahme vor Ort verzichtet haben und aus diesem Grund der Adressat auf freiem Fuß geblieben ist? Der Landesregierung sind derartige Fälle nicht bekannt. 8. Werden Personen in Sachsen-Anhalt von der Landespolizei zur Umsetzung einer Maßnahme nach §§ 37 ff. SOG LSA in polizeiliche Gewahrsamsstellen außerhalb von Sachsen-Anhalt verbracht? Falls ja, wie häufig war das in den Jahren 2010 bis 2016 der Fall und welche Gründe gab es für diese Verfahrensweise ? Nein.