Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1506 12.06.2017 (Ausgegeben am 13.06.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Niederdüütsche Sprook in Sachsen-Anhalt wedder opleven laten Kleine Anfrage - KA 7/831 Vorbemerkung des Fragestellenden: Niederdeutsch ist eine in Sachsen-Anhalt nach der Europäischen Charta der Regional - oder Minderheitensprache geschützte Regionalsprache. Ihre ursprünglich weite Verbreitung im nördlichen Teil Sachsen-Anhalts ist jedoch deutlich zurückgegangen. Als Teil der Bemühungen zum Erhalt der Sprache gibt es Initiativen die Sprache im öffentlichen Raum sichtbarer zu machen und besser in die Bildung zu integrieren. In anderen Bundesländern wurde auf dem Erlassweg gemäß § 46 II StVO die Möglichkeit der zweisprachigen (Hochdeutsch/Niederdeutsch) Führung von Ortsnamen auf Ortstafeln (Zeichen 310) eröffnet. Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Vorbemerkung der Landesregierung: Die Beantwortung der Fragen erfolgt anhand der Zuarbeiten des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr, des Ministeriums für Bildung, des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sowie des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration. Frage 1 Besteht auch in Sachsen-Anhalt für Kommunen die Möglichkeit, soweit gewünscht , einen niederdeutschen Namen mit auf dem Ortsschild zu führen? Antwort zu Frage 1: Nein. 2 Gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu Zeichen 310 StVO (Ortstafel) nennt dieses nur den amtlichen Namen der Ortschaft und den Verwaltungsbezirk. Die Zusätze „Stadt“, „Kreisstadt“ und „Landeshauptstadt “ sind zulässig. Andere Zusätze sind nur zulässig, wenn es sich um Bestandteile des amtlichen Ortsnamens handelt. Für die Schreibweise des amtlichen Ortsnamens ist ausschließlich die amtliche Schreibweise zu verwenden. Diese richtet sich nach dem Gemeindeverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt. Frage 2 Wird ein Erlass für eine einheitliche und fachlich korrekte Handhabung der Ausnahmeregelung des § 46 II StVO hinsichtlich niederdeutscher Ortsnamen für sinnvoll angesehen? Antwort zu Frage 2: Ein Erlass wird nicht für sinnvoll angesehen. Frage 3 Ist mit der Erarbeitung eines entsprechenden Erlasses zu rechnen? Wenn nein, wieso nicht? Wenn ja, wann ist mit einem entsprechenden Erlass zu rechnen? Antwort zu Frage 3: Mit der Erarbeitung eines entsprechenden Erlasses ist nicht zu rechnen. Nach Abfrage in den zuständigen unteren Verkehrsbehörden besteht dazu kein Bedarf . Bislang wurden in Sachsen-Anhalt von keiner Gemeinde entsprechende Anträge auf zusätzliche Aufnahme des niederdeutschen Namens an die unteren Verkehrsbehörden gestellt. Darüber hinaus sind in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - im Gegensatz zu den Verfassungen anderer Länder, zum Beispiel der Verfassung des Freistaates Sachsen und der Verfassung des Landes Brandenburg - Regional- oder Minderheitensprachen nicht als besonders schützenswertes Gut benannt. Sachsen-Anhalt hat sowohl im Bereich der frühkindlichen Bildung, als auch im Schul- und Hochschulbereich zugesagt, das Niederdeutsche zu fördern (Sachstandsbericht 2013). Vor diesem Hintergrund bitte ich um die Beantwortung folgender Fragen: Frage 4 Wie wird der Gebrauch des Niederdeutschen im Bereich der Bildung (Kindergarten , Schule, Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften) derzeit umgesetzt? Welche Maßnahmen sind geplant? Antwort zu Frage 4: Im Bereich der frühkindlichen Bildung (Kindergärten) hat das Landesverwaltungsamt - Landesjugendamt - im Jahr 2016 eine Fortbildung mit dem Thema „Platt for Kinner - Frühkindlicher Spracherwerb: Niederdeutsch“ in der Landeshauptstadt Magdeburg für pädagogische Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen, Tagespflegepersonen und interessierte Eltern angeboten. Die Veranstaltung wurde allerdings nicht durchgeführt , da es keine Anmeldungen hierzu gab. 2017 organisierte das Landesverwaltungsamt , Landesjugendamt, keine Fortbildung zu dieser Thematik. 3 Von den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe liegen dazu folgende Zuarbeiten vor: Dessau-Roßlau Niederdeutsch wird nicht umgesetzt. Maßnahmen sind nicht geplant. Halle Für die Stadt Halle ist die niederdeutsche Sprache kein zentrales Thema, das mit Maßnahmen für den Kindergarten- oder Schulbereich aktuell untersetzt wird. Im Raum Halle wird eher regional eingefärbtes Hochdeutsch gesprochen, das im südlichen Bereich Sachsen-Anhalts vom Thüringisch-obersächsischen abgeleitet und umgangsprachlich als „anhaltisch“ bezeichnet wird. Mansfeld-Südharz Es gibt im Bereich Kindertagesstätte kein Angebot für Kinder oder Erzieherinnen für Niederdeutsch. Es besteht auch kein Bedarf. Saalekreis In den Tageseinrichtungen wird Niederdeutsches Sprachgut weder gebraucht noch gepflegt. Stendal Konzeptionell ist der Gebrauch des Niederdeutschen in keiner der Kindertageseinrichtungen im Landkreis integriert. Durch den Landkreis sind keine Maßnahmen dazu geplant. Wittenberg In den Kindertageseinrichtungen des Landkreises ist der Gebrauch der niederdeutschen Sprache konzeptionell nicht verankert. Nach dem Kenntnisstand des Landkreises sind keine Maßnahmen diesbezüglich geplant. Im damaligen Kultusministerium (Abteilung Kultur) wurde eine Fibel für Niederdeutsch entwickelt, die einige Schulen nutzen. Der Einsatz kann im Deutschunterricht der Primarstufe bei der Entwicklung der Lese-, Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit erfolgen, indem neben der Orientierung an der Standardsprache auch regionale sprachliche Besonderheiten berücksichtigt werden. So ist bei der Behandlung im Bereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen sowie richtig schreiben“ die Ausbildung von Teilkompetenzen (wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sprachen und Sprachformen entdecken oder Dialekt - Standardsprache) im Lehrplan ausgewiesen. Des Weiteren ist die Thematisierung der Mundarten entsprechend der regionalen Bedeutung Bestandteil des Lehrplanes Deutsch der Sekundarstufe I (Teilkompetenz: Perioden der Sprachentwicklung des Deutschen - Existenzformen des Deutschen). Darüber hinaus gibt es regional (Altmark/Harz) den Vorlesewettbewerb „Schülerinnen und Schüler lesen PLATT“. An diesem Wettbewerb beteiligen sich ausgewählte Schulen. Der Aufruf dazu wird auf dem Bildungsserver des Landes Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Schulen können außerunterrichtlich im Rahmen der verlässlichen Öffnungszeiten mit den Heimatverbänden, Heimatvereinen oder dem Landesheimatbund (u. a. in Zusammenarbeit mit dem Altmärkischen Heimatbund) kooperieren und Niederdeutsch als Sprache in Arbeitsgemeinschaften anbieten. Niederdeutsch wird derzeit in der landesweiten Lehrerfortbildung im Bund-Länder- Programm „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS) im Rahmen des Sommerkurses am 26./27. Juni 2017 zum Thema „Regionale Sprachvarietäten in Sachsen- 4 Anhalt“ behandelt (Teilnahme von Lehrkräften der 16 BiSS-Projektschulen der Primarstufe und Sekundarstufe I und Öffnung für weitere Schulen). Frage 5 An welchen Kindergärten/Schulen wird in welchen Alters- bzw. Klassenstufen Unterricht in Niederdeutsch angeboten? Wie viele Kinder bzw. Schülerinnen und Schüler nutzen solche Angebote? Antwort zu Frage 5: Für die Kindergärten liegen von den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe dazu folgende Zuarbeiten vor: Mansfeld-Südharz Es gibt im Bereich Kindertagesstätte kein Angebot für Kinder oder Erzieherinnen für Niederdeutsch. Es besteht auch kein Bedarf. Stendal Es ist bekannt, dass in einer privat geführten Einrichtung (Kita auf dem Bauernhof Bindfelde) durch die persönliche Passion einer Erzieherin zeitweise Gedichte und Lieder in Niederdeutsch vermittelt werden. Aber auch in dieser Einrichtung ist dies kein regulärer konzeptioneller Bestandteil der Einrichtung. Statistische Erhebungen für Unterrichtsangebote in Niederdeutsch an Schulen liegen nicht vor. Frage 6 Inwieweit erfolgt die Bereitstellung geeigneter Formen und Mittel für das Lehren und Lernen des Niederdeutschen auf allen geeigneten Stufen (Unterrichtsmittel , Textsammlungen, Arbeitshilfen, Tonträger)? Antwort zu Frage 6: Zum Thema „Niederdeutsch“ gibt es für die Schulen in der Mediathek des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) nachfolgend genannte Ausleihexemplare : Niederdeutschpflege und Ehrenamt - aktuelle Vermittlungsstrategien für die Regionalsprache Niederdeutsch, Hrsg. Kultusministerium Sachsen-Anhalt, Magdeburg 2002 Niederdeutsch im Unterricht: Arbeitshilfen mit CD-ROM für den schulischen Umgang mit dem Niederdeutschen Sachsen-Anhalt, Hrsg. Landesinstitut für Lehrerfortbildung , Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung, Halle 1997 (ergänzt als Medienpaket des LISA u. a. mit Aufnahmen von Mundart-sprechern) Der Sachsenspiegel: Eike von Repgow. Hrsg. Von Clausdieter Schott, Verlag Manesse , Zürich 2006; u. a. Thematisierung der volkstümlichen Fassung in „Elbostfälisch -Niederdeutsch“ Die Mundarten des Harzgebietes in Ton und Text von Will Lutz: Nieder-deutsche Harzmundarten, untergliedert nach A. Westliche Bode-Mundart, B. Östliche Bode- Mundart, C. Huy-Mundart, D. Kernostfälische Mundart, E. Göttingisch- Grubenhagen’sche Mundart. CD 2 (78:38 min): Mitteldeutsche Harzmundarten, untergliedert nach F. Unterharzische (Südharzische) Mundart, G. Oberharzer Mundart, H. Nordthüringische Mundart, I. Mansfelder Mundart, J. Anhaltische Mundart. Piepersche Verlagsbuchhandlung, 2001 5 Die beiden erstgenannten Veröffentlichungen wurden den Schulen als Belegexemplare übersandt. Frage 7 Wie erfolgt die Förderung des Studiums und der Forschung im Bereich des Niederdeutschen an Universitäten oder gleichwertigen Einrichtungen? Antwort zu Frage 7: Eine gesonderte Förderung des Studiums und der Forschung im Bereich des Niederdeutschen an den Universitäten bzw. den Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt erfolgt nicht. Die Finanzierung von Lehre und Forschung erfolgt aus dem vom Land jeweils zugewiesenen Globalzuschuss an die Hochschulen. Die Pflege und Erforschung des Niederdeutschen findet in Sachsen-Anhalt in der Arbeitsstelle Niederdeutsch am Institut für Germanistik der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Ottovon -Guericke-Universität Magdeburg statt. In ihrer Hochschulentwicklungsplanung hebt die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg für die Jahre 2015-2025 die enge Verbindung zwischen dem Institut für Germanistik und dem Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. hervor. Die Tätigkeit der am Institut für Germanistik angesiedelten Arbeitsstelle Niederdeutsch vollzieht sich im Wesentlichen in vier Bereichen: Forschung, Aufbau eines Dialektarchivs und Pflege der niederdeutschen Sprache sowie Aufbau einer namenkundlichen Sammlung. Damit sind langfristig sowohl im BA-Studiengang „Germanistik mit interdisziplinären Profil“ im Vertiefungsmodul „Angewandte Sprachwissenschaft“ und im Spezialisierungsmodul „Theorie und Praxis germanistischer Anwendungsfelder“ als auch im MA-Studiengang „Germanistik: Kultur, Transfer und Intermedialität“ im Wahlpflichtmodul „Niederdeutsch zwischen Oralität und Schriftlichkeit“ Lehrinhalte zum Thema „Niederdeutsch“ in den Lehrveranstaltungen der Germanistik an der Otto-von- Guericke-Universität Magdeburg verankert. Die Arbeitsstelle trägt aufgrund ihrer Kooperation und Forschung nicht unerheblich zur Profilierung der kulturellen Identität von Stadt und Region bei. Frage 8 Welche Konsequenzen ergeben sich aus der jüngst durch die Kultusministerkonferenz erfolgten Anerkennung von Niederdeutsch als Abiturfach? Antwort zu Frage 8: In Sachsen-Anhalt ist die Einführung eines Faches Niederdüütsch/Niederdeutsch nicht beabsichtigt.