Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1523 13.06.2017 (Ausgegeben am 15.06.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Daniel Roi (AfD) Kommunale Bemessungsgrenze 300 Einwohner Kleine Anfrage - KA 7/832 Vorbemerkung des Fragestellenden: Mit dem 1. Juli 2018 tritt § 82 Absatz 1 des Kommunalverfassungsgesetzes in Kraft, wonach Ortschaften bis zu 300 Einwohner erstmals mit der Kommunalwahl 2019 einen Ortsvorsteher wählen müssen. Ortschaften mit mehr als 300 Einwohnern haben dagegen das Wahlrecht zwischen der Wahl eines Ortsvorstehers oder eines Ortschaftsrates . Diese Bemessungsgrenze wird in einigen kleinen Gemeinden, gerade in den „untergegangenen Gemeinden“, dem bürgerschaftlichen Engagement nicht gerecht, wo auch nach der Gebietsreform ein historisch gewachsenes Sonderbewusstsein fortbesteht . Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Welche Überlegung der Landesregierung führte zu der willkürlich erscheinenden Einführung der 300-Einwohner-Grenze bei der Wahlfreiheit Ortsvorsteher /Ortschaftsräte? Die Anknüpfung des Modells der Ortschaftsvertretung an die Einwohnerzahl der Ortschaft ab Beginn der Wahlperiode 2019 wurde in § 82 KVG LSA aufgenommen , um die Funktionsfähigkeit einer wirksamen Ortschaftsvertretung in kleinen Ortschaften zu sichern. Nach der landesweiten Gemeindegebietsreform hatte sich gezeigt, dass gerade in kleinen Ortschaften bei Kommunalwahlen Schwierigkeiten bestehen, hinreichend Kandidaten zu gewinnen, die sich ehrenamtlich für die Tätigkeit im Ortschaftsrat engagieren. Vor diesem Hintergrund sollte die Differenzierung des Modells der Ortschaftsvertretung in Abhängigkeit von der 2 Einwohnerzahl der Ortschaft dazu dienen, zu vermeiden, dass die Vertretung der Belange der Ortschaft und die Wahrnehmung der Ortschaftsinteressen an erfolglosen Wahlen mangels ausreichender Kandidaten für die Besetzung der Mandate im Ortschaftsrat scheitert (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Kommunalrechtsreformgesetz, Drucksache 6/2247, S. 136, 137). 2. Wie viele kleine Ortschaften mit weniger als 300 Einwohnern sind von der Regelung betroffen und wann wird der Stichtag sein für die Feststellung der Einwohnergrenze? Bitte Orte aufschlüsseln, inklusive Einwohnerzahlen. Statistische Erhebungen im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen seit der letzten Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 waren von annähernd 1 000 Ortschaften in den Einheitsgemeinden des Landes etwa 230 Ortschaften unter 300 Einwohner . Einwohnerzahlen für Ortschaften werden nur auf gemeindlicher Ebene bei Bedarf ermittelt, so etwa für die Wahl der Ortschaftsräte und ab Beginn der Wahlperiode 2019 für die Wahl der Ortsvorsteher nach § 82 Abs. 1 und 2 und § 86 KVG LSA. Bei der Wahl der Ortschaftsräte und der Ortsvorsteher ist maßgebende Einwohnerzahl für das Wahlgebiet nach § 68 Kommunalwahlgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt i. V. m. § 158 KVG LSA die Einwohnerzahl, die am 31. Dezember des vorletzten Jahres ermittelt wurde. 3. In wie vielen Ortschaftsräten gab es nach der Kommunalwahl 2014 zu wenige Bewerber für den Ortschaftsrat? Bitte aufschlüsseln. Statistische Angaben im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Entsprechende Erhebungen sind im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung nicht erforderlich, da der Umstand, dass nicht alle Mandate einer Vertretung besetzt sind, in der kommunalen Praxis regelmäßig auftritt, jedoch nur rechtliche Bedeutung hat, soweit von Beginn an weniger als zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl in die Vertretung gewählt worden sind oder die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder im Laufe der Wahlperiode auf weniger als zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl sinkt und Ergänzungswahlen erforderlich sind (§ 42 Abs. 5 Satz 1 und 2 KVG LSA). Entsprechendes gilt für Ortschaftsräte (§ 88 Abs. 3 KVG LSA). In diesem gesetzlichen Rahmen wurde nach Abfrage der Kommunalaufsichtsbehörden die als Anlage beigefügte Übersicht über die in 49 Fällen erforderlichen Ergänzungswahlen in den annähernd 1 000 Ortschaften seit der letzten Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 erstellt. Darüber hinausgehende differenzierte Angaben zu unbesetzten Mandaten nach der Kommunalwahl allein aufgrund mangelnder Bewerber könnten nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand von den Ortschaften und Gemeinden aus den vormaligen Wahlunterlagen ermittelt werden, was in dem zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum bei fortlaufender Aufgabenerledigung als nicht möglich erachtet wird. Auch ist zu berücksichtigen, dass das Recht der kommunalen Selbstverwaltung eine diesbezügliche verbindliche Abfrage bei den Kommunen nur zulässt, wenn ein konkreter rechtsaufsichtlicher An- 3 lass, der die Ausübung des Informationsrechts nach § 145 KVG LSA rechtfertigen würde, vorliegt. 4. In wie vielen Orten sind Ortschaftsräte aktuell nicht vollständig besetzt? Statistische Erhebungen im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Mit Stand 31. Dezember 2016 waren nach Angaben der Kommunalaufsichtsbehörden etwa 200 von annähernd 1 000 Ortschaftsräten nicht vollständig besetzt. Bei diesen Ortschaftsräten wurden nur in 49 Fällen Ergänzungswahlen erforderlich, weil die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder des Ortschaftsrates auf weniger als zwei Drittel der in der Hauptsatzung bestimmten Zahl gesunken ist oder von Beginn an weniger als zwei Drittel der in der Hauptsatzung bestimmten Zahl in den Ortschaftsrat gewählt worden sind. Auf die als Anlage zu Frage 3 erstellte Übersicht wird verwiesen. In allen anderen Fällen bleiben die Sitze unbesetzt ; der Ortschaftsrat besteht für den Rest der Wahlperiode aus der Zahl der tatsächlich besetzten Sitze. 5. Plant die Landesregierung vor der Kommunalwahl 2019 eine weitere Novelle des KVG mit Blick auf die Regelungen zu den Ortsvorstehern? Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die bürgerschaftliche Mitwirkung in den Ortschaften und Kommunen ist Teil des Auftrags, den der Landtag von Sachsen-Anhalt der Landesregierung mit seinem Beschluss „Mehr Demokratie wagen“ vom 27. Oktober 2016 erteilt hat (Drucksache 7/514). Danach ist die Landesregierung gebeten, bei der anstehenden Fortschreibung des Kommunalverfassungsgesetzes für Ortschaften unter 300 Einwohner ab 2019 die Möglichkeit einzuräumen, einen gewählten Ortschaftsrat oder einen gewählten Ortsvorsteher zu haben. Hieran wird sich der Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes orientieren, den die Landesregierung Anfang 2018 in den Landtag einbringen wird, um eine Verabschiedung des Änderungsgesetzes bis zum Sommer 2018 und damit rechtzeitig für die Kommunalwahlen 2019 zu ermöglichen (vgl. Drucksache 7/791). 6. Hält die Landesregierung eine minimale, zweckgebundene Budgetierung von Ortschaften für Brauchtumspflege durch Änderung des FAG für zweckmäßig? Wenn nein, warum nicht? Nein. Mit dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) erhalten die Gemeinden in Sachsen -Anhalt Zuweisungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im freiwilligen und pflichtigen Bereich. Die Verteilung erfolgt anhand statistischer Daten u. a. zu Einwohnern und Steuerkraft jeder einzelnen Gemeinde. Eine zweckgebundene Budgetierung von Ortschaften für Brauchtumspflege kommt nicht in Betracht, da keine statistischen Daten für die Ortschaften von Gemeinden vorliegen. Im Übrigen handelt es sich bei der Brauchtumspflege um eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung, die die Gemeinden in eigener Verantwortung regeln (vgl. Art. 87 Abs. 1 der Landesverfassung und Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes). 4 Anlage Übersicht über erforderliche Ergänzungswahlen in den Ortschaften seit den Kommunalwahlen am 25.05.2014 (Stand: 24.05.2017) Kreisfreie Stadt / Landkreis Gemeinde Ortschaft Wahltag Magdeburg Beyendorf-Sohlen 16.10.2016 Altmarkkreis Salzwedel Hansestadt Salzwedel Mahlsdorf 09.11.2014 Hansestadt Gardelegen Hemstedt 07.06.2015 Köckte 06.11.2016 Anhalt-Bitterfeld Zerbst/Anhalt Buhlendorf 09.11.2014 Dobritz 09.11.2014 Zemitz 08.03.2015 Osternienburger Land Dornbock 09.11.2014 Trinum 09.11.2014 Diebzig 19.03.2017 Chörau 14.05.2017 Sandersdorf-Brehna Glebitzsch 09.11.2014 Muldestausee Gräbern 01.02.2015 Köthen (Anhalt) Löbnitz a.d. Linde 26.02.2017 Südliches Anhalt Wieskau 23.10.2016 Börde Sülzetal Bahrendorf 21.09.2014 Sülldorf 21.09.2014 Schwaneberg 21.09.2014 Schwaneberg 16.11.2014 Hohe Börde Bornstedt 12.10.2014 Oebisfelde-Weferlingen Schwanefeld 14.09.2014 Siestedt 14.09.2014 Wanzleben-Börde Dreileben 17.04.2016 5 Kreisfreie Stadt / Landkreis Gemeinde Ortschaft Wahltag Burgenlandkreis Elsteraue Könderitz 07.06.2015 Lützen Poserna 19.10.2014 Großgörschen 22.02.2015 Teuchern Prittitz 19.10.2014 Prittitz 08.11.2015 Harz Huy Dingelstedt am Huy 26.10.2015 Oberharz am Brocken Königshütte 07.12.2014 VG Vorharz Wegeleben 06.09.2015 Thale Friedrichsbrunn 05.06.2016 Harzgerode Königerode 23.10.2016 Jerichower Land Burg Schartau 12.10.2014 Möckern Stresow 13.03.2016 Mansfeld-Südharz Gerbstedt Rottelsdorf 24.04.2016 Sangerhausen Wettelrode 25.09.2016 Saalekreis Bad Dürrenberg Nempitz 16.11.2014 Teutschenthal Steuden 16.11.2014 Wettin-Löbejün Brachwitz 16.11.2014 Plötz 16.11.2014 Leuna Zöschen 06.09.2015 Schkopau Burgliebenau 22.01.2017 Salzlandkreis Staßfurt Hohenerxleben 11.01.2015 Rathmannsdorf 11.01.2015 Athensleben 25.09.2016 Wittenberg Coswig (Anhalt) Wörpen 12.10.2014 Bad Schmiedeberg Schnellin 15.03.2015 Söllichau 04.09.2016