Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/153 05.07.2016 (Ausgegeben am 06.07.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jan Wenzel Schmidt (AfD) Aussetzung der Vorrangprüfung für Asylbewerber Kleine Anfrage - KA 7/55 Vorbemerkung/Begründung des Fragestellenden: Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN wird auf S. 66 das Vorhaben angekündigt, die Vorrangprüfung für Asylbewerber befristet auszusetzen. Damit würde im Rahmen der Aussetzung nicht mehr geprüft werden, welche Auswirkungen die Beschäftigung eines Asylbewerbers auf den Arbeitsmarkt hätte, ob Bevorrechtigte (beispielsweise deutsche Bürger) zur Verfügung stehen und wie die konkreten Arbeitsbedingungen aussehen. Eine Zustimmung der Arbeitsagentur zur Aufnahme einer Beschäftigung wäre demnach nicht mehr nötig. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration 1. Wird die Landesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Vorrangprüfung aussetzen? Die Aussetzung der Vorrangprüfung fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich eines einzelnen Bundeslandes. Diesen Umstand berücksichtigt die Formulierung im Koalitionsvertrag 2016 - 2021, wonach beabsichtigt wird, sich für eine befristete Aussetzung der Vorrangprüfung einzusetzen. Folgerichtig sieht der Entwurf einer Verordnung der Bundesregierung zum Integrationsgesetz eine Ergänzung des § 32 Absatz 5 der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung - BeschV) dahingehend vor, dass die Vorrangprüfung bei Asylbewerberinnen/Asylbewerbern und Geduldeten in bestimmten Bezirken der Bundesagentur für Arbeit befristet ausgesetzt wird. Die betreffenden Agenturbezirke sollen in einer Anlage zur Beschäftigungsverordnung für den Geltungszeitraum der Regelung konkret benannt werden. 2 Mit Schreiben vom 08.06.2016 hat die Landesregierung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebeten, alle Arbeitsagenturbezirke des Landes Sachsen -Anhalt in die oben genannte Anlage aufzunehmen. 2. Wenn ja, wann wird diese ausgesetzt und bis wann ist diese Maßnahme befristet? Nach dem aktuellen Entwurf einer Verordnung zum Integrationsgesetz ist vorgesehen , die Aussetzung der Vorrangprüfung mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung in Verbindung mit der Anlage zur Beschäftigungsverordnung zu ermöglichen (s. Antwort zu Frage 1) und auf drei Jahre zu befristen. 3. Wenn ja, welche Vorteile verspricht sich die Landesregierung davon? Die Landesregierung erachtet eine schnelle Integration von Asylbewerberinnen /Asylbewerbern und Geduldeten in Arbeit sowohl unter Kostenaspekten (Erwirtschaftung des eigenen Lebensunterhalts) als auch unter dem Aspekt der Sicherung des Arbeitskräftebedarfs für die einheimische Wirtschaft als sinnvoll. Die Aussetzung der Vorrangprüfung kann bewirken, dass diese aus Sicht der Landesregierung positiven Effekte schneller und mit geringerem bürokratischen Aufwand erreicht werden. Darüber hinaus kann die zügige Integration der Asyl- und Bleibeberechtigten dazu beitragen, den bereits deutlich wahrnehmbaren Fachkräfteengpass in Sachsen-Anhalt abzumildern. Nach Auskunft der Regionaldirektion Sachsen- Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit konnten gemeldete Arbeitsstellen mit dem Anforderungsniveau „Fachkraft“ durchschnittlich erst 82 Tage nach dem vom Arbeitgeber angegebenen Termin (Vakanzzeit) besetzt werden. Die Ursachen dafür sind insbesondere im demografischen Wandel begründet. Sichtbar wird diese Entwicklung auch auf dem Ausbildungsmarkt: So blieben 753 Ausbildungsstellen in den Unternehmen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 unbesetzt. Die Integration von Asyl- und Bleibeberechtigten in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist nicht nur zentraler Baustein der sozialen und gesellschaftlichen Integration, sondern bedeutet für die betroffenen Menschen auch Unabhängigkeit von staatlichen Transferleistungen und ist eine wichtige Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Benachteiligung bevorrechtigter Arbeitnehmer (deutsche Staatsangehörige, Bürger eines EU- oder EWR- Staates oder sonstige bevorrechtigte ausländische Arbeitnehmer) durch eine mögliche Aussetzung der Vorrangprüfung? Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass die Vorrangprüfung eine Schutzfunktion für die Vermittlung inländischer Arbeitsuchender bzw. Arbeitsuchender aus EU-Mitgliedstaaten hat. Angesichts des bürokratischen Aufwands kann sie jedoch eine Hürde bei der Arbeitsmarktintegration von Asylund Bleibeberechtigten darstellen. Um die Arbeitsmarktintegration für diesen Personenkreis zu erleichtern und hierbei Zeitverzögerungen zu vermeiden, wird eine befristete Aussetzung der Vorrangprüfung befürwortet. 3 Eine Benachteiligung bevorrechtigter Arbeitnehmer besteht nicht, da die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen ihrer Zustimmung weiterhin die Beschäftigungsbedingungen prüft (Vergleichbarkeitsprüfung) und damit eine Dumpingkonkurrenz durch Asylbewerberinnen/Asylbewerber und Geduldete verhindert wird. Auch wird schon nach geltender Rechtslage die Vorrangprüfung nur in den ersten 15 Monaten nach Einreise durchgeführt. Asylbewerberinnen/Asylbewerber und Geduldete haben in diesem Zeitraum in der Regel erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber einheimischen Bewerberinnen/Bewerbern, insbesondere aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, so dass bei Stellenbesetzungen geeignete einheimische Bewerberinnen/Bewerber im Regelfall deutlich bessere Einstellungschancen haben. Die Landesregierung sieht daher keine Benachteiligung bevorrechtigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch den befristeten Wegfall der Vorrangprüfung.