Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1652 14.07.2017 (Ausgegeben am 14.07.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) Kleine Anfrage - KA 7/898 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröte in Sachsen-Anhalt lässt sich nur schwer bewerten (ZUPPKE und SEYRING, 2015) und die Art gilt in Sachsen- Anhalt als ausgestorben oder verschollen (DGHT, 2015). Europäische Sumpfschildkröten gelten als langlebig und somit können Einzeltiere auf Vorkommen hindeuten, die tatsächlich nicht existieren. Problematisch sind vor allem ausgesetzte und entwichene Exemplare von allochthonen Vorkommen außerhalb Deutschlands, die sich möglicherweise etablieren. Der BUND spricht allerdings bei einem Fund an der Alten Elbe in 2000 als Wiederentdeckung der Art für diesen Lebensraum und begründet damit auch notwendige Renaturierungen für die Alte Elbe. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Gibt es neue Funde von autochthonen Einzeltieren bzw. von Vorkommen, die eine Veränderung des Schutzstatus der Europäischen Sumpfschildkröte in Sachsen-Anhalt zur Folge hätten? Antwort bitte ohne Nennung von Fundorten, nach Anzahl der bestätigten Funde mit Nachweismethode ab 2015. Nein, es gibt keine aktuellen Funde von autochthonen Tieren. Der Schutzstatus der Europäischen Sumpfschildkröte in Sachsen-Anhalt verändert sich nicht durch den Fund autochthoner Exemplare. Die FFH-Richtlinie und damit auch das Bundesnaturschutzgesetz unterscheiden bei der Europäischen Sumpf- 2 schildkröte für den Schutz grundsätzlich nicht zwischen Unterarten, geschützt wird die Art „Emys orbicularis“. Die Zugriffs- und Störungsverbote gemäß § 44 BNatSchhG sowie das Verschlechterungsverbot für Habitate geschützter Arten gemäß Artikel 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie gelten damit formal für die gesamte Art in ihrem ursprünglichen natürlichen Verbreitungsgebiet. 2. Wurde der Fund bzw. wurden die Funde der Europäischen Sumpfschildkröte an der Alten Elbe in 2000 auf den genetischen Haplotyp untersucht, oder erfolgte die Bestimmung ausschließlich an Indizien (s. ZUPPKE und SEYRING, 2015)? Das in Bezug genommene Exemplar wurde nicht genetisch untersucht. Wie der zitierten Publikation zu entnehmen ist, wurde es lediglich anhand morphologischer Merkmale, wie Größe, Gewicht, Zeichnung etc., vom führenden deutschen Emys-Forscher Prof. Fritz vom Forschungsinstitut „Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden“ als potentiell autochthones Exemplar angesprochen . Einzelheiten zum Fund der Sumpfschildkröte an der Alten Elbe bei Randau können der Publikation von Pellmann & Lüderitz (2000) entnommen werden: PELLMANN, H. & V. LÜDERITZ (2000): Nachweis der Europäischen Sumpfschildkröte Emys orbicularis (LINNAEUS, 1758) an der Alten Elbe bei Magdeburg. - Abhandlungen und Berichte für Naturkunde Magdeburg 23: 47 - 52. 3. Welche neuen Erkenntnisse haben der BUND bzw. die Landesregierung zum Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröte an der Alten Elbe und welche Auswirkungen hat das mögliche Vorkommen auf die geplanten Maßnahmen im Projekt „Renaturierung der Dornburger Alten Elbe“? Die Auswirkungen bitte begründen. Bezüglich des Wissensstandes beim Naturschutzverband BUND kann die Landesregierung keine Aussage treffen. Alle wesentlichen Erkenntnisse über die Situation der Europäischen Sumpfschildkröte , die dem Landesamt für Umweltschutz als Fachbehörde für Naturschutz vorliegen, können folgender Publikation entnommen werden: GROSSE, W.-R.; SIMON, B.; SEYRING, M.; BUSCHENDORF, J.; REUSCH, J.; SCHILD- HAUER, F.; WESTERMANN, A. & U. ZUPPKE (Bearb.) (2015): Die Lurche und Kriechtiere des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer Berücksichtigung der Arten der Anhänge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie der kennzeichnenden Arten der Fauna-Flora-Habitat-Lebensraumtypen. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 4: 640 S. Diese Veröffentlichung kann kostenfrei von den Internetseiten des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt heruntergeladen werden. 3 Auch über die Auswirkungen des Fundes der Sumpfschildkröte auf die Planungen zur Renaturierung der Alten Elbe bei Dornburg kann die Landesregierung keine Aussagen treffen. Dies obliegt entsprechenden Untersuchungen, Prüfungen und Vorschlägen des Vorhabenträgers im Rahmen des Gesamtprojektes und damit einhergehender FFH-Verträglichkeitsprüfung. 4. Gibt es in Sachsen-Anhalt noch in Gefangenschaft gehaltene bekannte Einzeltiere des ehemaligen autochthonen Vorkommens? Nein. 5. Welche Ergebnisse erbrachten die von ZUPPKE und SEYRING (2015) vorgeschlagenen gezielten Nachsuchen an den bisherigen Fundorten mit autochthonen Einzelexemplaren der Europäischen Sumpfschildkröte? Ergebnisse bitte nur gesamt darstellen und trennen nach FFH-Gebieten und anderen Fundorten. Bisher wurden keine derartigen Nachsuchen durchgeführt. 6. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass keine Europäischen Sumpfschildkröten aus anderen europäischen Populationen bzw. Hobbyzuchten ausgesetzt werden? Antwort bitte anhand von durchgeführten Informationskampagnen und Maßnahmen nach Funden von allochthonen Einzelexemplaren? Über die bestehenden gesetzlichen Vorgaben im Artenschutzrecht informieren die Internetseite und die Publikationen des Landesamtes für Umweltschutz, so zum Beispiel die Fachinformation Nr. 7/2006 zur Umsetzung des internationalen Artenschutzrechts in Sachsen-Anhalt. Illegale Aussetzungen durch Privatpersonen lassen sich dadurch jedoch nicht vollständig verhindern. 7. Gibt es Vorkommen von anderen, nicht heimischen Schildkrötenarten, wie Schnappschildkröte (Chelydra serpentina), Rotwangen- (Chrysemis scripta elegans) und Gelbwangen-Schmuckschildkröte (Chrysemis scripta scripta), die selbsterhaltene und reproduzierende Bestände aufbauen? Antwort bitte nach Fundgebieten, Arten und Bestandsgrößen. Nein. Von den nicht heimischen Schildkrötenarten sind keine reproduzierenden Bestände bekannt. Für weitergehende Informationen zu diesen Arten wird auf folgende Veröffentlichung verwiesen: ZUPPKE, U (2015): In Sachsen-Anhalt gebietsfremde Lurche und Kriechtiere. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 4: 541 - 548. 4 8. Welche Maßnahmen sind gegen die Etablierung nichteinheimischer Schildkrötenarten geplant, oder werden gegen etablierte Bestände angewandt ? Antwort bitte anhand von Fallbeispielen. Es sind keine Maßnahmen geplant. Die Etablierung nichtheimischer Schildkrötenarten gilt aufgrund besonderer Ansprüche bei der Fortpflanzung derzeit als unwahrscheinlich (Bundesamt für Naturschutz 2017). 9. Wie bewertet die Landesregierung die Situation für eine mögliche Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte mit entsprechender autochthoner Genetik bzw. ist diese aktuell oder in naher Zukunft sinnvoll bzw. realisierbar? Antwort bitte anhand überhaupt vorhandener Zuchttiere und Aufwand, z. B. im Hinblick auf Vorkommen des Waschbären (Procyon lotor)? Ein Wiederansiedelungsprojekt mit Individuen des Haplotyps IIb (autochthon in Nordostdeutschland, Brandenburgisches Vorkommen) ist aufgrund der minimalen Anzahl von Zuchttieren unwahrscheinlich. Diese werden vor Ort für bestandsstützende Maßnahmen gezüchtet und ausgewildert. Über die Autochthonie von Tieren des Haplotyps IIa auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt besteht derzeit noch Forschungsbedarf. Mit dieser Linie werden die Wiederansiedelungsprojekte in Hessen, Niedersachsen und Reinland-Pfalz durchgeführt, was in Fachkreisen kritisch diskutiert wird (DGHT 2015). Aufgrund seiner ausgesprochenen Lernfähigkeit und optimierten Jagd- und Sammeltechnik im Flachwasser ist der Waschbär in der Lage, sich sehr schnell lokale Sumpfschildkrötenbestände aller Altersklassen als Nahrungsressource zu erschließen. Dennoch wurden im Rahmen des Artenschutzprojekts Sumpfschildkröte in Hessen 2017 - trotz großer Waschbärenbestände - ohne Schutzmaßnahmen Reproduktionsnachweise erbracht.