Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1660 17.07.2017 (Ausgegeben am 18.07.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Vorhaben einer neuen europäischen Asylpolitik Kleine Anfrage - KA 7/906 Vorbemerkung des Fragestellenden: Vor dem Hintergrund der Feststellung, dass es nicht zuletzt „beachtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Art der Verfahren, die den Antragstellern im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteile, die Anerkennungsquoten, die Art des Schutzes für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde [sind], die […] letztlich zu einer unausgewogenen Verteilung der Verantwortung der Mitgliedstaaten [führen]“ beriet der Bundesrat in seiner Sitzung am 4. November 2016 in der Drucksache 499/16 den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen COM(2016) 466 final. Dieser Vorschlag soll unter anderem dem Phänomen der Sekundärmigration entgegentreten . Ferner soll die Konvergenz bei Asylentscheidungen verbessert werden. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Landesregierung: Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine „Verordnung des europäischen Parlamentes und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen 2 Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen“ (im Folgenden: Anerkennungsverordnung) ist Bestandteil eines Bündels von Vorschlägen , das die Europäische Kommission für die Reform des bestehenden Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) vorgelegt hat. Zu dem Gesamtpaket gehören zum Beispiel auch Neufassungen der Dublin-Verordnung und der Aufnahmerichtlinie sowie eine neue Asylverfahrensverordnung, welche die geltende Asylverfahrensrichtlinie ablösen soll. Über alle legislativen Reformvorschläge wird durch das Europäische Parlament und den Rat im sogenannten ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Artikel 294 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beraten und entschieden. Die Beratungen über die Vorschläge der Europäischen Kommission in den zuständigen Arbeitsgremien des Rates und des Europäischen Parlaments dauern zurzeit noch an. Da Legislativvorschläge der Europäischen Kommission im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens oftmals erheblich verändert werden und dies auch bei den Vorschlägen zur Reform des GEAS zu erwarten ist, ist eine Prognose, ob und mit welchem Inhalt die einzelnen Rechtsakte zur Reform des GEAS in Kraft treten werden, noch nicht möglich. Vor diesem Hintergrund sind Entscheidungen der Landesregierung, wie noch nicht beschlossene und in ihrem endgültigen Inhalt auch noch nicht bekannte europäische Rechtsakte zu bewerten und auf Landesebene umzusetzen sind, derzeit ebenfalls noch nicht möglich . 1. Unter anderem durch Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates sollen zur Eindämmung der Sekundärmigration Negativanreize geschaffen werden. Welche Sanktionen sieht der Verteilungsmechanismus im Einzelnen vor, um die Sekundärmigration zwischen den Mitgliedsstaaten zu verhindern ? Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Anerkennungsverordnung , mit dem die so genannte Anerkennungsrichtlinie abgelöst werden soll, sieht keinen Mechanismus zur Verteilung von internationalen Schutz suchenden Personen auf die Mitgliedstaaten vor. Die Anerkennungsverordnung soll, wie bisher die Anerkennungsrichtlinie, die materiellen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen von Flüchtlingsanerkennung und subsidiärer Schutzgewährung regeln. Als Instrumente, die unter anderem der Eindämmung von Sekundärmigration dienen sollen, sieht der Kommissionsvorschlag insbesondere eine weitere Harmonisierung der gemeinsamen Kriterien für die Zuerkennung von internationalem Schutz und die Schaffung einer Pflicht zum Verbleib in dem Mitgliedstaat , der Schutz gewährt hat, vor. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht soll eine Überstellung nach dem sog. Dublin-Verfahren erfolgen und die Frist für die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach der Richtlinie 2003/109/EG (Daueraufenthaltsrichtlinie) von vorn beginnen. 2. Welche Sanktionen gedenkt die Landesregierung tatsächlich im Falle einer irregulären Sekundärmigration zu verhängen und welche Maßnahmen sind vorgesehen, falls ein Ausländer (nach Sekundärmigration oder nach nachträglicher Umverteilung), sich - gegebenenfalls durch Widerstandshandlungen - weigert, die Bundesrepublik in Richtung des ihm zugewiesenen Mitgliedstaates zu verlassen? 3 Die Landesregierung wird auch in Zukunft sämtlichen Erscheinungsformen von irregulärer Migration, das heißt dem Aufenthaltsrecht widersprechenden Einreisen oder Aufenthalten, mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Instrumenten entgegentreten und darauf hinwirken, dass unrechtmäßige Aufenthalte bei fehlender Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise im Rahmen der geltenden Gesetze auch zwangsweise beendet werden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 3. Bezug nehmend auf Artikel 10 des Vorschlages: Wie werden besondere Schutzgründe (Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung, politische Überzeugungen, ethnische Zugehörigkeit, geschlechtsspezifische Verfolgung ) verifizierbar geprüft und statistisch erfasst? Das Verfahren der Prüfung und Anerkennung des Vorliegens von Schutzgründen liegt in Deutschland in der Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor, wie besondere Schutzgründe - bisher wie auch zukünftig - verifizierbar durch das BAMF geprüft werden und ob bzw. wie sie dort statistisch erfasst werden. Durch die Behörden des Landes Sachsen-Anhalt werden die besonderen Schutzgründe nicht statistisch erfasst. 4. Welche Ergebnisse liegen der Landesregierung in Bezug auf diese statistische Erfassung vor, beziehungsweise welche etwaigen Auswirkungen auf die Anerkennungsquote prognostiziert die Landesregierung im Falle des Inkrafttretens der Verordnung? Nimmt die Landesregierung an, dass es aufgrund dieser Neuregelungen zu vermehrten (positiv zu bescheidenen ) Antragstellungen von Drittstaatenangehörigen kommen wird, deren Heimatländer bisher einen nachrangigen Anteil an der Gesamtheit der Entsendestaaten hatten? Auf die Antwort auf Frage 3 und die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 5. Wie bewertet die Landesregierung die vorliegenden Statistiken und welche migrationspolitischen Maßnahmen leitet sie daraus ab? Auf die Antwort auf Frage 3 wird verwiesen. 6. Wie bewertet die Landesregierung die in Artikel 4, Abs. 5 enthaltene Beweislastumkehr zugunsten des Antragstellers mit Hinblick auf die Gefahren des vielfachen missbräuchlichen und unwahrheitsgemäßen (wenngleich glaubwürdigen) Vorbringens von Asylgründen sowie des Vorbringens unwahrheitsgemäßer Angaben zur Identität seitens etwaiger Antragssteller ? Aus Sicht der Landesregierung enthält die in Artikel 4 Abs. 5 des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Anerkennungsverordnung vorgesehene Regelung eine Konkretisierung zum Umfang der Darlegungslast des Antragstellers , die sich aus dem Umstand rechtfertigt, dass er sich hinsichtlich seines individuellen Verfolgungsschicksals typischerweise in Beweisnot befindet und die 4 mit der Anerkennungspraxis auf der Grundlage des derzeitigen Rechtsrahmens im Einklang steht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 7. Wie bewertet die Landesregierung diese geplante Verfahrensweise insbesondere vor dem Hintergrund, dass Kriminelle (Schleuserbanden aber auch Nichtregierungsorganisationen) gewerbsmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung auch dadurch begehen, in dem sie potentielle Asylbewerber gezielt darin unterrichten, einen möglichst glaubwürdigen und scheinbar (!) belastbaren Antrag zu stellen, obwohl diese womöglich keinen tatsächlichen Anspruch auf Schutz haben? Auf die Vorbemerkung der Landesregierung und die Antwort auf Frage 6 wird verwiesen. Im Übrigen geht die Landesregierung davon aus, dass von den zuständigen Behörden auch in Zukunft alle Möglichkeiten zur Aufdeckung von rechtsmissbräuchlichen Asylantragstellungen ausgeschöpft und jeweils die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.