Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1663 18.07.2017 (Ausgegeben am 18.07.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Informationen über das Ehrenamt (ehrenamtliche Richter) Kleine Anfrage - KA 7/905 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung Vorbemerkung der Landesregierung: Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt formuliert in Artikel 83 Abs. 1: „Die Rechtsprechung wird im Namen des Volkes durch Berufsrichter und in den durch Gesetz bestimmten Fällen durch ehrenamtliche Richter an den gesetzlich festgelegten Gerichten ausgeübt“. Bei den durch Gesetz bestimmten Fällen handelt es sich um die - §§ 29 und 76 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und die §§ 33a und 33b des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), die den Einsatz von Schöffinnen und Schöffen in Strafsachen normieren, - § 105 GVG, der die Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter als Handelsrichter regelt, - § 2 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG) der das Mitwirken ehrenamtlicher Richterinnen und Richter in Landwirtschaftssachen gesetzlich bestimmt sowie um - § 16 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), § 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 9 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die die Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter in Verfahren der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit regeln. 2 Dies vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt beantwortet: 1. Für welche Gerichtsbarkeiten im Land Sachsen-Anhalt sind Bürger aus dem Landkreis Stendal tätig? Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Stendal sind in allen Gerichtsbarkeiten tätig, in denen ehrenamtliche Richter zum Einsatz kommen, mithin als Schöffinnen und Schöffen in Strafsachen sowie als ehrenamtliche Richterinnen und Richter in Handels- und Landwirtschaftssachen sowie in der Arbeits-, Finanz -, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. 2. Wie ist die Verteilung auf die einzelnen Gerichte? Also wie viele Bürger aus dem Landkreis sind insgesamt aktuell als Schöffen tätig und wie verteilen sie sich auf die einzelnen Gerichte? Die Schöffinnen und Schöffen aus dem Landkreis Stendal verteilen sich wie folgt: Landgericht Stendal 178 Amtsgericht Stendal 190 Daneben sind beim Landgericht Stendal 8 Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Stendal als Handelsrichter und beim Amtsgericht Stendal 10 Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Stendal als ehrenamtliche Richterinnen und Richter in Landwirtschaftssachen (§ 2 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen - LwVfG) tätig. In den Fachgerichtsbarkeiten verteilen sich die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter aus dem Landkreis Stendal wie folgt: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt in Halle 1 Arbeitsgericht Stendal 33 Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt in Dessau-Roßlau 6 Sozialgericht Magdeburg 30 Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg 2 Verwaltungsgericht Magdeburg 11 3. Wie war das Verhältnis von Bewerbern zu tatsächlichen Plätzen für Bürger aus dem Landkreis Stendal bei der letzten Schöffenwahl? Also zum Beispiel , wie viele Bewerber/Plätze gab es zuletzt für das Amtsgericht Stendal und das Verwaltungsgericht Magdeburg? Zwar wird die Zahl der Schöffinnen und Schöffen (§§ 43 Abs. 1, 77 Abs. 2 GVG) sowie die Zahl ehrenamtlicher Richterinnen und Richter (§ 4 Abs. 1 LwVfG, § 8 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum Gerichtsverfassungsgesetz - AGGVG LSA), § 20 ArbGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Gerichte für Arbeitssachen, § 24 FGG, § 13 Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt - AG SGG LSA, § 27 VwGO) von den Justizbehörden bestimmt. Jedoch nehmen die nach den jewei- 3 ligen Gesetzen zur Abgabe von Vorschlägen berechtigten Institutionen außerhalb der Justiz die Bewerbungen entgegen bzw. unterbreiten eigene Vorschläge . Zum Verhältnis von Bewerbern zum Bedarf können deshalb von der Landesregierung keine Angaben gemacht werden. 4. Wie ist die Entwicklung der Bewerberzahlen seit 1990, ist hier eher ein Rückgang zu verzeichnen oder steigen die Zahlen? Angaben zur Entwicklung der Bewerberzahlen können aus den zu Frage 3 dargelegten Gründen nicht gemacht werden. 5. Wann werden wieder neue ehrenamtliche Richter gewählt bzw. ernannt und wo und bis wann kann man sich bewerben? Die Amtsperioden für Schöffinnen und Schöffen (§ 42 GVG) sowie für ehrenamtliche Richterinnen und Richter (§ 108 GVG, § 3 LwVfG, § 20 Abs. 1 ArbGG, § 22 FGO, § 13 SGG, § 25 VwGO) betragen jeweils fünf Kalenderjahre. Die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagsliste für Schöffinnen und Schöffen ergeben sich aus den §§ 36 ff. GVG; die nächste Amtsperiode beginnt 2019. Die Maßgaben für die Ernennung der Handelsrichter ergeben sich aus § 108 GVG; die nächste Ernennung steht im Jahr 2019 an. Die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagsliste für ehrenamtliche Richterinnen und Richter der Landwirtschaftsgerichte ergeben sich aus § 4 LwVfG; die nächste Berufung steht im Jahr 2020 an. Die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagslisten in der Arbeitsgerichtsbarkeit ergeben sich aus § 20 Abs. 2 ArbGG; die Berufungen erfolgen jeweils zum 01.05. eines jeden Jahres. Die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagsliste beim Finanzgericht ergeben sich aus § 25 FGO; die nächste Wahl findet im Jahr 2020 statt. Die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagslisten in der Sozialgerichtsbarkeit ergeben sich aus § 14 SGG; die nächsten Berufungen finden zum 01.07.2017 statt. Die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagslisten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ergeben sich aus § 28 VwGO. Beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt beginnt die neue Amtszeit am 01.01.2019, beim Verwaltungsgericht Halle am 01.02.2021 und beim Verwaltungsgericht Magdeburg am 01.01.2020. Je nachdem, wo Vorschlagslisten aufgestellt oder von wem Vorschläge gemacht werden, können sich Interessierte dort (jederzeit) bewerben. 4 6. Müssen die Bürger eine bestimmte Qualifikation mitbringen, etwa einen Hochschulabschluss? Einen Hochschulabschluss oder eine andere Qualifikation müssen Bewerber nicht mitbringen. 7. Gibt es Kriterien, die eine Berufung als ehrenamtlicher Richter ausschließen , etwa Altersgrenze oder Mitgliedschaft in Parteien? Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.05.2008 - 2 BvR 337/08 (nach juris) unterliegen (auch) ehrenamtliche Richterinnen und Richter einer Pflicht zur „besonderen Verfassungstreue“. Zum Amt eines ehrenamtlichen Richters soll nicht berufen werden (§ 44a Deutsches Richtergesetz - DRiG), wer - gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder - wegen einer Tätigkeit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Sinne des § 6 Abs. 4 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2272) oder als diesen Mitarbeitern nach § 6 Abs. 5 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes gleichgestellte Person für das Amt eines ehrenamtlichen Richters nicht geeignet ist. Das Amt eines Schöffen bzw. eines ehrenamtlichen Richters kann nur von Deutschen versehen werden (§ 31 GVG, § 4 Abs. 4 LwVfG, § 21 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG, § 17 FGO, § 16 Abs. 1 SGG, § 20 VwGO). Zum Schöffendienst unfähig (§ 32 GVG) bzw. vom Amt des ehrenamtlichen Richters ausgeschlossen (§ 21 Abs. 2 ArbGG, § 18 Abs. 1 FGO, § 17 Abs. 1 SGG, § 21 Abs. 1 VwGO) sind Personen, - die infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzen oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt sind, - gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat schwebt, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann. Weitergehende Ausschluss- und Ablehnungsgründe sind geregelt für Schöffinnen und Schöffen in den §§ 33 bis 35 GVG für ehrenamtliche Richterinnen und Richtern der Arbeitsgerichtsbarkeit in den §§ 21 und 24 ArbGG beim Finanzgericht in den §§ 18 bis 20 FGO 5 der Sozialgerichtsbarkeit in §§ 17 und 18 SGG der Verwaltungsgerichtsbarkeit in den §§ 22 und 23 VwGO. 8. Bekommen ehrenamtliche Richter eine Aufwandsentschädigung oder Verdienstausfall oder müssen sie Urlaub nehmen? Nach § 45 Abs. 1a Satz 2 DRiG sind ehrenamtliche Richter für die Zeit ihrer Amtstätigkeit von ihrem Arbeitgeber von der Arbeitsleistung freizustellen. Sie erhalten Entschädigungen nach den §§ 15 ff. des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungsund -entschädigungsgesetz - JVEG). 9. Bestimmen die Gerichte selbst, wen sie als ehrenamtlichen Richter auswählen , oder nimmt der jeweilige Landkreis eine Vorauswahl statt? Wie läuft das praktisch ab? Auf die Maßgaben zur Aufstellung der Vorschlagslisten für Schöffinnen und Schöffen in Strafsachen sowie für ehrenamtliche Richterinnen und Richter wurde in der Antwort zu Frage 5 hingewiesen. Die Schöffinnen und Schöffen werden gemäß § 42 GVG von einem Schöffenwahlausschuss gewählt. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Landwirtschaftssachen werden gemäß § 4 Abs. 1 LwVfG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 AGGVG LSA vom Präsidenten des Oberlandesgerichts berufen. Die Handelsrichter werden gemäß § 9 Abs. 1 AGGVG LSA vom Präsidenten des Oberlandesgerichts ernannt. In der Arbeitsgerichtsbarkeit werden ehrenamtliche Richterinnen und Richter gemäß § 20 ArbGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Gerichte für Arbeitssachen vom Präsidenten des Landesarbeitsgerichts in ihr Amt berufen . Beim Finanzgericht erfolgt die Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter gemäß § 26 FGO durch den gemäß § 23 FGO gebildeten Wahlausschuss. In der Sozialgerichtsbarkeit werden ehrenamtliche Richterinnen und Richter gemäß § 13 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (AG SGG LSA) vom Präsidenten des Landessozialgerichts in ihr Amt berufen. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgt die Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter durch den gemäß § 26 VwGO in Verbindung mit § 7 des 6 Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und des Bundesdisziplinargesetzes (AG VwGO LSA) gebildeten Wahlausschuss. 10. Wie oft erfolgt ein Einsatz als ehrenamtlicher Richter und wie lange dauert eine Wahlperiode? Die Heranziehung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter erfolgt nach Bedarf. Dieser hängt vom Geschäftsanfall ab und fällt in den einzelnen Spruchkörpern unterschiedlich aus. Für die Schöffen ist in den §§ 43, 77 GVG geregelt, dass ihre Zahl so zu bemessen ist, dass voraussichtlich jeder zu nicht mehr als zwölf ordentlichen Sitzungstagen im Jahr herangezogen wird. Wegen der Dauer der Wahlperiode vgl. die Antwort zu Frage Nr. 5. 11. Welche Aktivitäten unternimmt die Landesregierung, um die Rolle des ehrenamtlichen Richters öffentlich vorzustellen und die Bürger zur Bewerbung zu ermuntern? Wegen der großen Zahl von Schöffinnen und Schöffen ist auf der Homepage des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung (MJ) die Broschüre „Schöffen - Laienrichterinnen und -richter im Strafprozess“ eingestellt. Sie enthält Informationen über das Strafrecht sowie über Aufbau und Verfahren der Strafgerichtsbarkeit . Sie vermittelt Wesentliches über die Grundlagen sowie die Rechte und Pflichten bei der Wahrnehmung des Schöffenamtes und bereitet neugewählte Schöffinnen und Schöffen auf ihre Aufgabe vor. Im Vorfeld und begleitend zur letzten Schöffenwahl hat das MJ darüber hinaus Presseveröffentlichungen herausgegeben, die auf die Bedeutung und die Voraussetzungen des Schöffenamtes hingewiesen haben. 12. Gibt es aus Ihrer Sicht Potentiale auf Landesebene, um durch entsprechende Werbemaßnahmen die Bewerberzahl der ehrenamtlichen Richter zu erhöhen? Die „Werbung“ für das richterliche Ehrenamt erscheint angemessen und ausreichend .