Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1670 19.07.2017 (Ausgegeben am 20.07.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Mario Lehmann (AfD) Personalmangel bei der Harzer Schmalspurbahn (HSB) Kleine Anfrage - KA 7/920 Vorbemerkung des Fragestellenden: Über die öffentlichen Medien wurde bekannt, dass es bei der Harzer Schmalspurbahn (HSB) GmbH, bestehend aus dem Streckenverbund „Brockenbahn - Harzquerbahn - Selketalbahn“, ein akutes Personalproblem, insbesondere bei den Heizern der Dampfloks, gibt. Aufgrund dieses Personalproblems wurde bekannt, dass es im Sommerfahrplan 2017 erstmalig zu massiven Einschnitten nur bei der im Streckenverbund ältesten der Teilstrecke der 1887 eröffneten „Selketalbahn“ gekommen ist. Der touristisch attraktive Dampflokbetrieb wurde empfindlich zusammengestrichen und durch einen touristisch völlig inakzeptablen Busschienenersatzverkehr aufgefüllt. Besonders prekär dabei ist das touristische Abkoppeln der Weltkulturerbestadt Quedlinburg vom regional übergreifenden Schienentourismusmanagement, zumal unter erheblichem finanziellen Aufwand der 8,5 km lange Streckenneubau des Schmalspurbahnanschlusses der Weltkulturerbestadt Quedlinburg an den Ortsteil Gernrode erst in jüngster Vergangenheit im Jahr 2006 fertiggestellt und durch den damaligen Verkehrsminister Dähre feierlich übergeben worden ist. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Vorbemerkung: Die angefragten Sachverhalte betreffen ausschließlich das eigenverantwortliche wirtschaftliche Agieren der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB). Die Landesregierung hat daher die HSB um Stellungnahme gebeten. Diese Stellungnahme bildet die Grundlage für die Beantwortung der Fragen. 2 Zum 29. April 2017 wurden erstmals in der Geschichte der HSB seit dem 1. Februar 1993 Einschränkungen im Zugverkehr wegen Personalmangels notwendig. Dabei wurde im Bereich der Selketalbahnbahn ein Umlauf (sonntags bis mittwochs Triebwagen , donnerstags bis samstags Dampfzug) der Einsatzstelle Gernrode (Harz) durch Schienenersatzverkehr ersetzt. Durch Umlaufänderung wurde erreicht, die Brockenanbindung ab Quedlinburg - Alexisbad - (Hasselfelde -) Stiege vollständig mit Zügen zu fahren und die Schienenersatzverkehrsleistungen (SEV) insgesamt und auf die Verbindung von Quedlinburg, Alexisbad und Harzgerode zu beschränken. Die folgende Übersicht zeigt die täglich gefahrenen Zug-km: Fahrplan tatsächlich Dampf Triebwagen Dampf Triebwagen SEV Sonntags bis mittwochs 196 km 478 km 220 km 302 km 152 km 29 % 71 % 33 % 45 % 23 % Donnerstags bis samstags 400 km 274 km 220 km 302 km 152 km 59 % 41 % 33 % 45 % 23 % 1. Bildet die HSB GmbH eigenverantwortlich entsprechendes Heizerpersonal aus? Ja, die HSB GmbH bildet nach eigenen Angaben eigenverantwortlich entsprechendes Heizpersonal aus. 2. Wenn ja, entsprechen die Ausbildungszahlen für die Nachwuchsgewinnung in etwa den Abgangszahlen, die durch Renteneintritt die HSB GmbH verlassen? Die Ausbildungszahlen von Heizern im Rahmen der Nachwuchsgewinnung für das Eisenbahnbetriebspersonal liegen nach Angaben der HSB seit Jahren deutlich über den planmäßigen altersbedingt zu erwartenden Abgängen. 3. Was unternimmt die Geschäftsführung der HSB GmbH an Attraktivitätsoffensiven , wie z. B. einer angemessenen Entlohnung sowie Arbeitszeitund Urlaubsplanungsmodellen, um selbst ausgebildetes Personal in der Firma langfristig zu binden und ggf. neues Fremdpersonal dauerhaft zu gewinnen? Nach Angaben der HSB ist der gesamte Komplex der Arbeitsbedingungen bei der HSB, so auch die Entlohnung, die arbeitszeitlichen Rahmenbedingungen und der Umfang des Urlaubs, Bestandteil von Tarifverträgen zwischen der EVG Eisenbahnund Verkehrsgewerkschaft und dem Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e.V. (AGVDE). Die Urlaubsplanungen der Mitarbeiter erfolgen auf der Grundlage einer mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Vereinbarung. Diese enthält als oberstes Prinzip die Gleichbehandlung aller vergleichbaren Mitarbeiter/innen und deren frühzeitige und planungssichere Information. So erfolgt die verbindliche Zusage über die Gewährung 3 des Urlaubs bereits im November für das Folgejahr im Rahmen eines gemeinsam mit dem Betriebsrat aufgestellten Urlaubsplanes. 4. Seit wann war der Geschäftsführung das jetzt im Sommerfahrplan 2017 akut auftretende Personalproblem bekannt? Gab es im bzw. aus dem Bereich der Personalführung keine entsprechenden Signale? Altersbedingte Personalabgänge sind erfahrungsgemäß keine Überraschung. Das jetzt im Sommerfahrplan 2017 akut auftretende Personalproblem ist der HSB laut eigenen Angaben bekannt seit im letzten Heizerlehrgang vor dem Sommerfahrplan von acht neuen Mitarbeitern nur zwei diesen Lehrgang erfolgreich abgeschlossen hatten (Anfang April 2017). Die Informationen über das nicht erfolgreiche Abschließen des Lehrganges bzw. das vorzeitige Ausscheiden aus dem Lehrgang lagen der Geschäftsführung unverzüglich vor. Die Gründe für den geringen Anteil der tatsächlich erreichten Abschlüsse sind in der Antwort zu Frage 9 beschrieben. 5. Gibt es Überlegungen, wie mit kurzfristigen Konzepten der Dampflokfahrplanausfälle im Bereich der Selketalbahn kompensiert werden kann? Laut Angaben der HSB gibt es Überlegungen, wie mit kurzfristigen Konzepten die Dampflokfahrplanausfälle im Bereich der Selketalbahn kompensiert werden können. Um den kurzfristig entstandenen Personalengpass zu beseitigen, ist die HSB seit April 2017 verstärkt in die Personalwerbung eingestiegen. Dies betrifft Anzeigen in regionalen Tageszeitungen, in überregionalen Eisenbahnzeitschriften, Plakate in Zügen und auf Verkehrsstationen der HSB und die Internetseite sowie den Facebook- Auftritt der HSB. Die Erkenntnisse der Vergangenheit zeigen, dass gute Erfahrungen mit solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht wurden, die aus Interesse an der Eisenbahn und hier insbesondere der Dampfloktechnik zur HSB gekommen sind. Auf diese Klientel wird jetzt verstärkt gesetzt. 6. Werden Überlegungen zur eventuellen Reaktivierung von erst jetzt in den Ruhestand gegangenen Heizern in Erwägung gezogen? Nach Angaben der HSB: Nein 7. Gibt es Pläne für eine kurzfristige, attraktive Einstellungsoffensive? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 8. Warum wurde nur der Fahrplan der Selketalbahn dermaßen zusammengestrichen und die Einschränkungen nicht gerecht auf alle drei Teilstrecken des Streckenverbundes durch Einsatz eines flexiblen Mitarbeiterpools solidarisch umgelegt? Im Bereich der Selketalbahn wird nach Angaben der HSB derzeit für 23 % der Zugleistungen SEV gefahren. 33 % der Zugleistungen der Selketalbahn werden täglich mit Dampfzügen (ein Dampfumlauf) gefahren. Im Bereich Nordhausen fährt nur ein Dampfzug, der nicht entfallen kann. Bei den Triebwagenleistungen im Bereich 4 Nordhausen handelt es sich um bestellte Leistungen, für die öffentliche Gelder fließen . Auf der Brockenstrecke ist ein SEV nicht angedacht. Gewinne erwirtschaftet werden. Daher blieb nur der Bereich der Selketalbahn, dies hat von allen negativen Folgen die geringsten Auswirkungen auf das gesamte System. 9. Wie soll in Zukunft das Personalgewinnungs- und Personalentwicklungskonzept innerhalb der HSB GmbH durch die verantwortliche Geschäftsführung gestaltet werden, damit dieser nicht über Nacht entstandene Personalengpass zeitnah behoben wird und weitergehend nicht wieder auftreten kann? Grundsätzlich wird nach Angaben der HSB das langjährig bewährte Personalgewinnungs - und Personalentwicklungskonzept fortgesetzt. Die HSB setzt weiterhin auf berufliche Erstausbildung von Industriemechanikern als Basisberuf für Triebfahrzeugbetrieb und die Fahrzeuginstandhaltung. Ferner werden auch unverändert Mitarbeiter /innnen als Seiteneinsteiger eingestellt. In beiden Fällen dauert die Eigenausbildung bis zum Dampflokführer bei der HSB - vom Beginn der Lehrausbildung bzw. bei Seiteneinsteigern als Heizer berufsbegleitend bis zur vollen Einsatzfähigkeit - ca. sechs Jahre. Zielsetzung ist es dabei, keine „Berufsheizer“ auszubilden, sondern eine Weiterqualifikation bis hin zum Dampflokführer oder anderen bei der HSB benötigten Berufsbildern vorzunehmen. Das ist notwendig, um freie Stellen für Neueinstellungen zu schaffen und angemessen zu berücksichtigen, dass in sehr vielen Fällen eine Heizertätigkeit bis in ein hohes Alter auf Grund der körperlichen Belastung nicht möglich ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Seit dem öffentlichen Bekanntwerden der Thematik Interesse) sind bei der HSB mehr als 150 Bewerbungen bzw. Interessenbekundungen eingegangen. Dadurch konnte am 1. Juni 2017 ein neuer Heizerlehrgang begonnen werden. Da die eingeleiteten Maßnahmen zu ersten Erfolgen führten, konnte ab dem 8. Juli 2017 ein Teil der Schienenersatzverkehrsleistungen im Bereich der Selketalbahn durch Zugfahrten ersetzt werden. Ein weiterer Lehrgang ist ab 1. August 2017 vorgesehen (wegen bestehender Kündigungsfristen stand ein Teil der Bewerber nicht eher zur Verfügung), mit der Zielsetzung, die noch verbleibenden Schienenersatzverkehrsleistungen abzulösen.