Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1679 25.07.2017 (Ausgegeben am 25.07.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung Kleine Anfrage - KA 7/918 Vorbemerkung der Fragestellenden: Der Deutsche Bundestag hat in seiner 225. Sitzung am 23. März 2017 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (Drucksache 18/11640) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Drucksachen 18/9525, 18/10146) angenommen. Mit Wirkung vom 1. Juli 2017 wird das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) in Kraft treten. Mit dem Gesetz ist eine grundlegende Umgestaltung des bislang geltenden Rechts verbunden, welche sich auf nahezu alle Bereiche der Strafjustiz auswirken wird. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung Vorbemerkung: Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) wurde das Recht der Vermögensabschöpfung grundlegend reformiert und vereinfacht. Kernstück des Gesetzes ist die vollständige Neuregelung der Opferentschädigung; die Ansprüche der Tatgeschädigten sollen nunmehr grundsätzlich im Strafvollstreckungsverfahren befriedigt werden. Zugleich wird mit diesem Gesetz die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (ABl. L 127 2 vom 29.4.2014, S. 39; L 138 vom 13.5.2014, S. 114) in innerstaatliches Recht umgesetzt . Neben einem gerechten und einfachen Modell der Opferentschädigung wurden erhebliche Abschöpfungslücken geschlossen. Insbesondere ist es zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität nunmehr möglich, strafrechtswidrig erlangtes Vermögen unklarer Herkunft einzuziehen, ohne dass eine konkrete Straftat nachgewiesen werden muss. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli 2017 ist grundsätzlich jeder Vermögenswert abzuschöpfen, der „durch“ die Tat erlangt worden ist (§ 73 Absatz 1 StGB). Erforderlich, aber auch ausreichend ist mithin ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Tat und dem Erlangen des (abzuschöpfenden) Vermögenswertes. Ist der aus der Tat erlangte Gegenstand noch vorhanden, wird er im Urteil eingezogen und an den Geschädigten zurückübertragen. Andernfalls ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des ursprünglich erlangten Gegenstandes entspricht (Einziehung des Wertes des Tatertrages). Nach Rechtskraft werden die zur Sicherung dieser Wertersatzeinziehung sichergestellten Vermögensgegenstände verwertet und der Erlös wird an den oder die Verletzten ausgekehrt. Reicht der Wert der sichergestellten Vermögensgegenstände oder nach Verwertung der Erlös nicht aus, um sämtliche Schadensersatzansprüche zu befriedigen, werden die Verletzten in dem für die Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners vorgesehenen Verfahren der Insolvenzordnung entschädigt. Dieses Entschädigungsmodell bietet den Tatgeschädigten einen einfachen und kostenlosen Weg, Schadenswiedergutmachung zu erlangen. Es stärkt damit den Opferschutz. 1. Welche Auswirkungen hat das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung auf welche Bereiche der Justiz in Sachsen-Anhalt? Die Zahl gerichtlicher Anordnungen der Einziehung von Taterträgen wird voraussichtlich steigen. Dies könnte zu einem erhöhten Personalbedarf führen, der mangels belastbarer Datengrundlagen derzeit nicht beziffert werden kann. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 2. Wie gedenkt die Landesregierung, das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung auf Landesebene umzusetzen? Das Gesetz wird seit seinem Inkrafttreten von Gerichten und Staatsanwaltschaften umgesetzt. Seit September 2016 ist eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, notwendige Formulare für die staatsanwaltschaftlichen Dezernenten und die Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen für die Fachanwendungen vorzubereiten. Eine weitere Arbeitsgruppe erarbeitet ein Anforderungsprofil für die Programmierung eines „Vermögensabschöpfungsmoduls“. 3 Bereits im Februar 2017 wurden Fortbildungsveranstaltungen für den richterlichen , staats- und amtsanwaltschaftlichen Dienst sowie den Rechtspflegerdienst angeboten und durchgeführt. 3. Welche vorbereitenden Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung bei der Ausführung des Gesetzes in den Bereichen der Strafjustiz, insbesondere bei der a) grundlegenden Reform der Opferentschädigung; b) Sicherung der Vermögensabschöpfung; c) Ermittlung des Einziehungsumfangs und d) Ausweitung von Abschöpfungsmöglichkeiten zu treffen bzw. welche Konsequenzen und Folgen sind bei der Gesetzesumsetzung zu berücksichtigen? Bei den Staatsanwaltschaften werden behördeninterne Fortbildungsmaßnahmen sowohl für den staatsanwaltschaftlichen Dienst als auch für die Rechtspfleger und Rechtspflegrinnen angeboten und durchgeführt. Weiterhin findet eine länderübergreifende Zusammenarbeit seitens der Staatsanwaltschaften statt. So steht den Sonderdezernaten für Vermögensabschöpfung und allen übrigen Dezernaten der hiesigen Staatsanwaltschaften das von den Landeskriminalämtern Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erstellte und gepflegte „Abschöpferarchiv“ zur Verfügung, das der neuen Rechtslage angepasst worden ist. Ferner hat die Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption (ZOK) bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle im Mai 2017 einen mehr als 200-seitigen „Praxisleitfaden“ über das neue Recht der Vermögensabschöpfung erstellt, der für die Staatsanwaltschaften des Geschäftsbereiches in ausreichender Anzahl beschafft wurde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Mit welchem Aufgabenaufwuchs bzw. mit welcher Ausweitung von Aufgabenbereichen ist aus Sicht der Landesregierung bei der Umsetzung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, insbesondere bei a) den Staatsanwälten und Staatsanwältinnen, b) den Richtern und Richterinnen und c) den Rechtspflegern und Rechtspflegerinnen des Landes Sachsen-Anhalt zu rechnen? Nach dem heutigen Stand könnten durch das Gesetz entstehende Aufwandsveränderungen und Aufgabenerweiterungen quantitativ allenfalls tendenziell bewertet werden. Eine belastbare Einschätzung und Ermittlung der Auswirkungen auf den Personalbedarf wird erst auf der Grundlage der tatsächlichen Geschäftsent- 4 wicklung unter den neuen Voraussetzungen und nach tatsächlicher Etablierung der neuen Aufgaben in den Geschäftsabläufen möglich sein. 5. Welche personellen Konsequenzen, welchen personellen Mehraufwuchs prognostiziert die Landesregierung aufgrund des zu erwartenden Aufgabenaufwuchses bei a) den Staatsanwälten und Staatsanwältinnen, b) den Richtern und Richterinnen und c) den Rechtspflegern und Rechtspflegerinnen des Landes Sachsen-Anhalt? Die Landesregierung geht davon aus, dass die durch das Gesetz zu erwartenden Aufgabenveränderungen, -verlagerungen und -zuwächse bis auf Weiteres mit dem verfügbaren Personal und bei Bedarf mit vereinzelten personalwirtschaftlichen Ausgleichsmaßnahmen bewältigt werden können. Das gilt insbesondere für die Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen, in deren Aufgabenbereich der stärkste Aufgabenzuwachs in diesem Zusammenhang zu erwarten ist. Mittelfristig werden die Veränderungen auf der Grundlage der tatsächlichen Geschäftsentwicklung jedoch nachzuvollziehen und im Sinne einer analytischen Bedarfsmessung zu verifizieren sein. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 6. Mit welchen Kosten und in welcher Höhe ist bei der Umsetzung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Sachsen- Anhalt zu rechnen? Wie sollen diese Kosten kompensiert werden? In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 18/9525, S. 4) heißt es hierzu: „In welcher Höhe der jährliche Aufwand für zusätzliches Personal steigen könnte und wie hoch die diesem Aufwand gegenüberzustellenden zu erwartenden Mehreinnahmen für die öffentlichen Haushalte sind, kann nicht abgeschätzt werden. Eine belastbare Datengrundlage dazu, wie häufig nach geltendem Recht von der Anordnung des Verfalls (künftig: der Einziehung von Taterträgen) abgesehen wurde, ist nicht vorhanden.“ Das gilt auch für Sachsen-Anhalt. 7. Wie beabsichtigt die Landesregierung, die knappen Ressourcen im Spannungsfeld von Strafverfolgung und Vermögensabschöpfung sachgerecht einzusetzen? Die Vermögensabschöpfung ist Teil der Strafverfolgung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4. verwiesen.