Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1745 15.08.2017 (Ausgegeben am 16.08.2017) Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage Verifizierung von Mehrfachidentitäten bei Asylbewerbern Große Anfrage Fraktion AfD - Drs. 7/1521 Begründung der Fragestellenden: Wie unlängst bekannt wurde, gibt es in Braunschweig zurzeit ca. 300 Verdachtsfälle im Hinblick auf die Verwendung von Mehrfachidentitäten durch Asylbewerber. Aufgedeckt wurden die Fälle durch den mutigen Einsatz einer Mitarbeiterin der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, die zusammen mit anderen Mitarbeitern diverse Akten überprüfte und hierbei Fälle feststellte, bei denen Asylbewerber zum Teil 3- bis 6-fach falsche Identitäten angegeben hatten. Die gesetzestreue Mitarbeiterin trug diesen Sachverhalt ihren Vorgesetzten vor, die sie anwiesen, die Akten in den Keller zu bringen und nichts zu tun. Die Asylbewerber, die hier falsche Identitäten mehrfach im Antragsverfahren verwendet haben, könnten sich insbesondere wegen Betruges u. a. strafbar gemacht haben. Die Vorgesetzten der Mitarbeiterin haben insofern die Verfolgung dieser Straftaten zunächst durch ihre dienstliche Weisung verhindert, womit sich die Frage nach einer möglichen Strafbarkeit dieser Personen wegen (versuchter) Strafvereitelung (im Amt) stellt. Es bleibt abzuwarten, ob hier Ermittlungen aufgenommen werden. Die gesetzestreue Mitarbeiterin meldete den Vorgang der Polizei Braunschweig. Der dortige Kripochef Ulf Küch übte an dem Verhalten der Landesaufnahmebehörde massive Kritik. Die Landesaufnahmebehörde gab die Akten erst nach längerem Zuwarten und mehreren Aufforderungen an die Polizei heraus. Aufgrund dieser Aktenlage hat die Polizei nunmehr angefangen, Ermittlungstätigkeiten in 300 Fällen aufzunehmen, womit die Aussage der Landesaufnahmebehörde, man hätte aufgrund der Aktenlage das Vorhandensein von Mehrfachidentitäten nicht verifizieren können, widerlegt sein dürfte. 2 Die Landesaufnahmebehörde hat auf diesen Fall hin auch personelle Konsequenzen gezogen: Der Mitarbeiterin, die den Vorgang gesetzestreu zur Anzeige brachte, wurde ihr Leiharbeitsverhältnis mit der Landesaufnahmebehörde nicht verlängert. In Niedersachsen steht somit der Verdacht der (versuchten) Strafvereitelung (im Amt) durch Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde unter Missbrauch des Weisungsrechts mit dem Ziel, die Verfolgung einer möglichen Strafbarkeit wegen Betruges in 300 Fällen durch Asylsuchende zu verhindern, im Raum. Angesichts der hohen Anzahl der Fälle, stellt sich für die AfD-Fraktion die Frage, ob es auch in Sachsen-Anhalt Dienstanweisungen hinsichtlich der Nichtverfolgung der Verwendung von Mehrfachidentitäten durch Asylbewerber gekommen ist. Sollte es zutreffen, dass die für die Aufnahme der Asylsuchenden zuständigen Stellen sogar Weisungen an ihre Mitarbeiter herausgeben, mögliche Straftaten durch Asylsuchende nicht anzuzeigen und diese Mitarbeiter dann bei Zuwiderhandlung für ihr gesetzmäßiges Handeln entlassen, hätten wir hier eine völlig neue Qualität des staatlichen Handelns erreicht: Der Staat finanziert wissentlich kriminelle Asylsuchende und verhindert die Strafverfolgung. In einfachen Worten bedeutet dies: Der deutsche Staatsbürger unterliegt der Strafverfolgung , Asylsuchende, die Mehrfachidentitäten verwenden, sollen dagegen der Strafverfolgung offenkundig entzogen werden. Vor dem Gesetz ist gemäß Art. 3 Abs. 1 GG jeder gleich. Ein Rechtsstaat, der diese allgemeine rechtsstaatliche Grundnorm für die gesamte Rechtsordnung missachtet, legt den Grundstein für sein eigenes Ende. Die Vertuschung von möglichen Straftaten in Niedersachsen durch die Exekutive belegt, wie weit dieser Prozess des Abbaus des Rechtsstaates bereits vorangeschritten ist. Frage Nr. 1 Wurden in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) und in den zeitweiligen Landesaufnahmeeinrichtungen (LAE) für Asylbewerber die Asylanträge auf den Verdacht der Verwendung von Mehrfachidentitäten überprüft? Zuständig für die Überprüfung der Identität von Asylbewerbern bei der Asylantragstellung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das BAMF prüft die Daten des Antragstellers mit denen des Ausländerzentralregisters (AZR) sowie des Bundeskriminalamtes ab, um zu überprüfen, ob es sich um einen Erstantrag, einen Folgeantrag oder möglicherweise einen Mehrfachantrag handelt. Mit Hilfe des europaweiten Systems „Eurodac“ wird außerdem ermittelt, ob ein anderer europäischer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein könnte. Bestehen Zweifel an der Identität von Antragstellenden, führt das Bundesamt eine Überprüfung mittels einer Sprach- und Textanalyse durch, zu der Sprachgutachter hinzugezogen werden. Solche Fälle werden dem Sicherheitsreferat des Bundesamtes gemeldet. Das Referat arbeitet zum einen eng mit dem Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) und dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) zusammen. Zum anderen führt es im Rahmen der datenschutzrechtlichen Möglichkeiten einen automatisierten Datenabgleich mit den Sicherheitsbehörden durch. 3 Bereits vor einer Asylantragstellung erfolgt eine Prüfung auf die Verwendung von Mehrfachidentitäten im Rahmen der Erstregistrierung. Seit dem 1. Juli 2016 werden alle nach Sachsen-Anhalt neu ankommenden Asylbewerber ausschließlich in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt (ZASt) in Halberstadt aufgenommen und im Rahmen der Erstregistrierung hinsichtlich etwaiger Mehrfachidentitäten überprüft. Zuvor erfolgte diese Prüfung sowohl in der ZASt als auch den Landesaufnahmeeinrichtungen. Frage Nr. 2 Welche technischen und personellen Voraussetzungen haben die ZASt bzw. die LAE geschaffen, um die Verwendung von Mehrfachidentitäten durch Asylbewerber zu verhindern und aufzudecken? Am 3. Februar 2016 sind das Datenaustauschverbesserungsgesetz (DAVG) und die Ankunftsnachweisverordnung (AKNV) in Kraft getreten. Damit wurde die gesetzliche Grundlage für ein einheitliches Identitätsmanagement des Bundes und der Länder geschaffen. Das integrierte Identitätsmanagement ist mit dem Ziel einer eindeutigen Identifizierung von Flüchtlingen ab dem ersten behördlichen Kontaktpunkt konzipiert. Seit Mai 2016 werden alle in der ZASt ankommenden Asylbewerber elektronisch registriert . Hierfür hat der Bund sog. Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK) zur Verfügung gestellt, die u. a. mit Fingerabdruck-Scannern ausgestattet sind. Um Mehrfachregistrierungen zu vermeiden, werden sämtliche Datensätze (einschließlich der Fingerabdrücke) bundeseinheitlich an zentraler Stelle im AZR gespeichert und die Fingerabdrücke mit dem im automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS-A) gespeicherten Fingerabdrücken verglichen. Darüber hinaus werden seit dem 15. Mai 2017 sämtliche neu ankommende Asylbewerber und unerlaubt eingereiste bzw. aufhältige Personen bei der Erstregistrierung einem automatisierten Verfahren zur Durchführung von Sicherheitsabgleichen unterzogen („AsylKon“). Der Sicherheitsabgleich wird über das Bundesverwaltungsamt bei den fünf Bundessicherheitsbehörden (Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz , Militärischer Abschirmdienst, Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt ) durchgeführt. Das Ergebnis des Abgleichs wird den zuständigen Behörden in der Regel innerhalb weniger Minuten übermittelt. In die Landesaufnahmeeinrichtungen werden nur Asylbewerber verlegt, die bereits in der ZASt erfasst und mit PIK registriert worden sind. Eine nochmalige erkennungsdienstliche Behandlung in den Landesaufnahmeeinrichtungen ist deshalb nicht erforderlich . 4 Frage Nr. 3 Sind behördliche und/oder staatsanwaltschaftliche Verfahren wegen des Verdachts der Verwendung von Mehrfachidentitäten anhängig? Wenn ja, wie viele ? Der Landesregierung ist nicht bekannt, wie viele behördliche Verfahren anhängig sind, da entsprechende Daten nicht gesondert erfasst werden. Eine Ermittlung der Daten im Sinne der Fragestellung könnte nur im Wege einer umfangreichen Einzelauswertung sämtlicher Ausländerakten bei den Ausländerbehörden des Landes erfolgen , wovon mit Blick auf den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen wurde. Eine fallbezogene Einzelauswertung ist bei fortlaufender Aufgabenerledigung innerhalb der für die Beantwortung von Großen Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu realisieren. Die Anzahl der bei den Staatsanwaltschaften anhängigen Verfahren wegen des Verdachts der Verwendung von Mehrfachidentitäten kann nicht beziffert werden, weil es einen ausdrücklich so bezeichneten Straftatbestand nicht gibt. Insbesondere bei Vergehen nach § 95 Absatz 1 AufenthG wird zudem nicht zwischen den Tatbestandsvarianten des § 95 Absatz 1 Ziffer 1 bis 8 AufenthG unterschieden, die allesamt als „Verstoß gegen § 95 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz“ erfasst werden. Deshalb können entsprechende Zahlen auch nicht den im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung geführten Statistiken entnommen werden. Frage Nr. 4 Gibt es dienstinterne Anweisungen, die Aufklärung von Fällen der Verwendung von Mehrfachidentitäten durch Asylbewerber zu verhindern? Nein.