Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1862 18.09.2017 (Ausgegeben am 19.09.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Zur zwangsweisen Rückführung (Abschiebung) von Personen ausländischer Herkunft und zur Situation der Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 Kleine Anfrage - KA 7/1029 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen ausländischer Herkunft wurden im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 aus Sachsen-Anhalt zwangsweise auf welche Art und Weise a) in welches Land zurückgeführt bzw. b) in einen anderen - für das Asylverfahren zuständigen - EU-Staat überstellt ? Die erfragten Angaben können nachstehenden Aufstellungen entnommen werden : Zu Frage 1a) - Rückführungen in das Herkunftsland Rückführungen in das Herkunftsland erfolgten fast ausschließlich auf dem Luftweg . Eine genauere Aufschlüsselung des Rückführungsweges bedürfte einer einzelfallbezogenen Auswertung, die innerhalb der für die Beantwortung von Kleinen Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit bei fortlaufender Aufgabenerledigung nicht leistbar wäre. 2 Zielland 2016 1. Halbjahr 2017 Afghanistan 1 2 Albanien 177 23 Armenien 3 1 Aserbaidschan - 1 Benin - 3 Bosnien 16 - Burkina Faso - 2 China 1 1 Eritrea - 1 Gambia 2 - Guinea 1 1 Guinea-Bissau 1 1 Indien 3 3 Irak 1 - Kasachstan 1 1 Kosovo 160 29 Mali 5 2 Marokko - 1 Mazedonien 67 9 Mexiko 1 - Namibia 2 - Niger - 1 Nigeria 1 1 Polen 3 - Rumänien 1 2 Russische Föderation 15 8 Senegal - 1 Serbien 83 53 Sierra Leone 1 1 Thailand 1 - Türkei 1 1 Ukraine 5 - 3 Zielland 2016 1. Halbjahr 2017 Vietnam 3 2 Weißrussland 1 - gesamt 557 151 Zu Frage 1b) - Rücküberstellungen in einen anderen EU-Staat Rücküberstellungen erfolgten überwiegend auf dem Luftweg. Lediglich Rücküberstellungen nach Belgien, in die Niederlande sowie nach Österreich und Polen wurden teilweise auf dem Landweg vollzogen. Eine genauere Aufschlüsselung des Rückführungsweges bedürfte einer einzelfallbezogenen Auswertung, die innerhalb der für die Beantwortung von Kleinen Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit bei fortlaufender Aufgabenerledigung nicht leistbar wäre. Zielland 2016 1. Halbjahr 2017 Belgien 9 6 Bulgarien 9 4 Dänemark 8 2 Finnland 5 - Frankreich 10 - Italien 129 45 Kroatien 3 2 Luxemburg 1 - Malta 1 - Niederlande 11 4 Norwegen 4 3 Österreich 12 4 Polen 46 13 Rumänien 1 - Schweden 10 2 Schweiz 3 4 Spanien 15 - Ungarn 12 - gesamt 289 89 2. Wie viele Personen ausländischer Herkunft sind im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 aus Sachsen-Anhalt nach Androhung der Abschiebung - aber noch im Rahmen der Frist der freiwilligen Ausreise - 4 a) in welche Länder zurückgekehrt bzw. b) in einen anderen - für das Asylverfahren zuständigen - EU-Staat ausgereist ? Im Jahr 2016 wurden von den Ausländerbehörden 1.655 freiwillige Ausreisen registriert. Im ersten Halbjahr 2017 beläuft sich die Zahl auf 429 Fälle. Inwieweit die freiwillige Ausreise tatsächlich in der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Abschiebungsandrohung festgesetzten Frist erfolgte , wird statistisch nicht erfasst. Ebenso wird eine einzelfallbezogene Statistik über die Zielländer nicht geführt. Zu freiwilligen Ausreisen in einen anderen - für das Asylverfahren zuständigen - Mitgliedstaat der Europäischen Union liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Falls die Beantwortung der Frage 2 aufgrund fehlender statistischer Erfassungen nicht möglich sein sollte: Welche statistischen Angaben zu den in Frage 2 beschriebenen Personenkreisen liegen der Landesregierung vor? Hinsichtlich der Zielländer freiwilliger Ausreisen können Rückschlüsse aus der Statistik der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zu Bewilligungen im Rahmen des Bund-Länder-Rückkehrförderprogramms „Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme“ (REAG/GARP) gezogen werden. Demnach waren Hauptzielländer im Jahr 2016 Albanien, Kosovo, Iran, Serbien, Indien und Afghanistan . Im ersten Halbjahr 2017 handelte es sich um Albanien, Indien, Mazedonien , Russland, Serbien und Afghanistan. Zu beachten ist, dass Bewilligungen nicht gleichzusetzen sind mit tatsächlichen Ausreisen. Darüber hinaus erfolgen freiwillige Ausreisen ohne Förderung; die Zielländer werden hier statistisch nicht erfasst. 4. Wie viele Personen aus Sachsen-Anhalt befanden sich im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 in Abschiebungshaft in einem anderen Bundesland ? Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Abschiebegrund, Ort der Abschiebungshaft und Altersgruppen (bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre, 18 Jahre und älter) aufführen. Bei Personen unter 18 Jahren bitte zusätzlich eine Aufschlüsselung nach den Kriterien - unbegleiteter Flüchtling, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Haftdauer und Haftgrund - vornehmen. Aus dem Zuständigkeitsbereich sachsen-anhaltischer Ausländerbehörden befanden sich im Jahr 2016 insgesamt 58 und im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 13 Personen in Abschiebungshaft in einem anderen Bundesland. Es handelte sich ausschließlich um Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Die gerichtliche Anordnung der Haft erfolgte, da die Betroffenen sich bereits aufenthaltsbeenden Maßnahmen entzogen hatten und mildere Mittel zur Sicherung der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht (z. B. Sicherheitsleistung , Meldeauflagen) nicht ausreichend waren. 5 Die Haftorte können der folgenden Aufstellung entnommen werden: 2016 Haftort Personenzahl Bremen 3 Büren 11 Eisenhüttenstadt 37 Hannover 2 Mühldorf am Inn 3 Mühlhausen 1 Ingelheim 1 1. Halbjahr 2017 (ohne Personen mit Haftbeginn 2016) Haftort Personenzahl Büren 3 Eisenhüttenstadt 5 Ingelheim 3 Pforzheim 2 5. Wie viele Personen befanden sich im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 in Abschiebungshaft, a) weil sie nach Stellen eines Asylantrages in einen anderen, für das Asylverfahren zuständigen EU-Staat überstellt werden? b) nachdem sie durch die Ablehnung ihres Asylantrages vollziehbar ausreisepflichtig wurden? c) nachdem sie aufgrund des Erlasses einer Ausweisungsverfügung vollziehbar ausreisepflichtig wurden? Im Jahr 2016 befanden sich 41 und im ersten Halbjahr 2017 acht Personen in Abschiebungshaft, weil sie nach dem Stellen ihres Asylantrages in einen anderen , für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union überstellt werden sollten. Bei allen Personen bestand vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund der Ablehnung des Asylantrages. 6. Wie lange befanden sich im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 Personen aus Sachsen-Anhalt in Abschiebungshaft? Die Personen befanden sich zwischen vier und längstens 71 Tagen in Abschiebungshaft . 6 7. In wie vielen Fällen ging einer Abschiebung im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 eine angeordnete Abschiebehaft voraus und in wie vielen Fällen erfolgte eine Abschiebung ohne vorausgegangene Abschiebehaft? Die Angaben können der folgenden Aufstellung entnommen werden. Jahr Abschiebungen nach Abschiebungshaft Abschiebungen ohne Abschiebungshaft 2016 37 809 1. Halbjahr 2017 11 229 8. In wie vielen Fällen im Jahr 2016 und im ersten Halbjahr 2017 wurden Personen , die in Abschiebungshaft genommen wurden, aus der Haft entlassen , ohne die Ausreise zu vollziehen? In wie vielen dieser Fälle erfolgte die Entscheidung aufgrund einer Gerichtsentscheidung? Welche weiteren Gründe gab es für eine Haftentlassung? Im Jahr 2016 wurden 17 Personen aus der Haft entlassen, ohne dass eine Abschiebung vollzogen wurde. In elf dieser Fälle erfolgte die Entlassung aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Im ersten Halbjahr 2017 wurden sechs Personen aus der Haft entlassen, ohne dass eine Abschiebung vollzogen wurde. In fünf dieser Fälle erfolgte die Entlassung aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Darüber hinaus erfolgten die Entlassungen unter anderem aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung mit aufenthaltsrechtlichen Folgen. 9. Wie sind Sammelabschiebungen in Sachsen-Anhalt und gemeinsame Abschiebungen mit anderen Bundesländern organisiert? Welche Stelle entscheidet über Terminierung, Betroffenenkreis, Anerkennung von Abschiebungshindernissen , Anwendung von Zwangsmitteln und Vorgehen bei Sammelabschiebungen? Abschiebungen mittels Sammelcharter folgen grundsätzlich dem gleichen Prozedere wie Abschiebungen im Einzelfall. Die Ausländerbehörden beauftragen im Falle der vollziehbaren Ausreisepflicht das Landesverwaltungsamt (Referat Zentrales Rückkehrmanagement) mit der Vorbereitung und Organisation der Maßnahme. Dazu zählen insbesondere die Beschaffung von Reisedokumenten, die Umsetzung der Anforderungen ggf. vorhandener Rückübernahmeabkommen sowie die Planung und Buchung des Reisemittels. Aufgrund der hohen Anzahl an Ausreisepflichtigen aus den Westbalkanstaaten bietet sich derzeit anstelle der Nutzung von Linienflügen das Chartern kompletter Flugzeuge für Rückführungen in diese Herkunftsstaaten an. Dazu nimmt das Zentrale Rückkehrmanagement Kontakt mit der Bundespolizei auf, die im Rahmen der Amtshilfe tätig wird. Durch die Bundespolizei erfolgt neben der Flugzeugbeschaffung auch die Absicherung und Begleitung der Rückführung vom Start- bis zum Zielflughafen . Die Terminierung erfolgt in Absprache mit der Bundespolizei und sich ggf. beteiligenden Bundesländern und ist abhängig von der Anzahl zur Verfügung stehender Ausreisepflichtiger. 7 Über die Anwendung unmittelbaren Zwangs entscheiden beim Transfer vom Wohnort zum Flughafen die Landespolizeikräfte. Nach Übergabe der Ausreisepflichtigen am Startflughafen übernehmen die Bundespolizeikräfte die Verantwortung . 10. Trifft es zu, dass in Sachsen-Anhalt lebende Personen aus Afghanistan, die sich im Status der Duldung befinden, im Jahr 2017 vermehrt zur freiwilligen Ausreise aufgefordert werden bzw. eine baldige Abschiebung angedroht wird? Wenn ja: Wie viele Personen sind im ersten Halbjahr 2017 durch wen zur freiwilligen Ausreise aufgefordert worden? Wie viele Personen sind der Aufforderung nachgekommen? Wie viele Personen sind abgeschoben worden? Grundsätzlich wird unabhängig vom Herkunftsstaat nach Ablehnung des Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung angedroht und zur freiwilligen Ausreise aufgefordert. Da der freiwilligen Rückkehr Vorrang vor zwangsweisen aufenthaltsbeenden Maßnahmen einzuräumen ist, finden in den Landesaufnahmeeinrichtungen bzw. in den Ausländerbehörden regelmäßig Beratungsgespräche statt. Eine Fallzahlenerfassung erfolgt insoweit nicht. Im Rahmen des unter Frage 3 bereits angeführten Programms der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurde im ersten Halbjahr 2017 in 21 Fällen die Förderung der freiwilligen Ausreise nach Afghanistan bewilligt. Wie viele Personen tatsächlich freiwillig ausgereist sind, ist nicht bekannt. Abschiebungen nach Afghanistan fanden in zwei Fällen statt.