Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1967 11.10.2017 (Ausgegeben am 11.10.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Christina Buchheim (DIE LINKE) Bundestagswahl und Neutralitätsgebot Kleine Anfrage - KA 7/1093 Vorbemerkung der Fragestellenden: Wie einer Einladung für den 23. September 2017 zu entnehmen ist, beabsichtigt die CDU ein Stadtfest mit allen Ortsfeuerwehren der Stadt Südliches Anhalt durchzuführen . Wenige Stunden vor der Bundestagswahl will die CDU im Ortsteil Weißandt- Gölzau noch einmal kräftig die Werbetrommel rühren. In der Einladung von Frank Junkert (Vorsitzender CDU Stadtverband) und Michael Wichmann (Stadtwehrleiter) vom 13. Juli 2017 werden u. a. der Minister für Inneres und Sport Holger Stahlknecht und Herr Kees de Vries (CDU-Bundestagskandidat) angekündigt, die dort gemeinsam eine Siegerehrung der Jungendfeuerwehren durchführen und eine Podiumsdiskussion bestreiten wollen. Am Abend will die CDU bei freiem Eintritt im Sport- und Freizeitzentrum mit Interessierten feiern. Dieses Gebäude liegt unmittelbar neben dem Gemeindezentrum, in welchem zur Bundestagswahl am 24. September 2017 ein Wahllokal sein wird. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Stadtwehrleiter den gebotenen Abstand im Bundestagswahlkampf vermissen lässt? Bitte begründen Sie Ihre Position. 2. Welche möglichen und nötigen Konsequenzen ergeben sich aus dem Handeln des Stadtwehrleiters? 2 Die Fragen 1 und 2 werden im Zusammenhang beantwortet: Die Frage einer möglichen Verletzung der Pflicht zur Neutralität des Stadtwehrleiters kann ohne Kenntnis der konkreten Verhaltensweise des Ehrenbeamten während der Veranstaltung seitens der Landesregierung nicht abschließend bewertet werden. Unbestritten ist, dass Stadtwehrleiter als Ehrenbeamte und somit kommunale Amtsträger bei ihren amtlichen Äußerungen dem Gebot parteipolitischer Neutralität unterliegen. Hiervon unberührt bleibt die parteipolitische Betätigung von Amtsträgern außerhalb des Dienstes. Die Abgrenzung, ob die Betätigung im Rahmen eines parteiorganisierten Stadtfestes ohne Amtsbezug oder in amtlicher Funktion erfolgt, richtet sich nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles . Dabei vermag die Verwendung der Amtsbezeichnung für sich genommen einen Amtsbezug noch nicht zu begründen, da es Beamtinnen und Beamten gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz nicht verwehrt ist, ihre Amtsbezeichnung auch außerhalb des Dienstes zu führen. Für eine Verletzung der Neutralitätspflicht muss jedoch das Verhalten im Ergebnis eine Eignung zur Wahlbeeinflussung besitzen. Hier kommt es vor allem auf zwei Gesichtspunkte an: Zum einen hat eine Abgrenzung von Wahlwerbung und reiner Information zu erfolgen. Auch wenn in der direkten Vorwahlzeit große Zurückhaltung gefordert ist, so wird die rein inhaltliche amtsbezogene Information nicht per se als unzulässig angesehen, sondern erst dann, wenn sie objektiv zur Wählerbeeinflussung geeignet ist. Zum anderen ist es von Bedeutung, welches Amt im Einzelfall bekleidet wird. Eine klare Begrifflichkeit, wer Adressat der Neutralitätspflicht ist, existiert in der Rechtsprechung nicht. Entscheidend ist hier, wie bedeutsam der jeweilige Amtsträger ist, um kraft Amtsstellung tatsächlich mit seinem Tätigwerden im Wahlkampf eine wahlbeeinflussende Rolle spielen zu können. Rein vorsorglich hat die Landesregierung den Bürgermeister der Stadt Südliches Anhalt als Dienstvorgesetzten der Beschäftigten gem. § 66 Abs. 5 Kommunalverfassungsgesetz und damit auch der Ehrenbeamten der Kommune über den Sachverhalt informiert und gebeten, den Stadtwehrleiter - vor der Veranstaltung - auf seine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität hinzuweisen. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Hinweise ausreichend Beachtung fanden. 3. Welche Gründe verbieten es, vor dem Hintergrund gebotener staatlicher Neutralitätspflicht bei Wahlen, dass Minister Stahlknecht in der oben dargestellten Weise am CDU-Stadtfest teilnimmt? Bitte begründen Sie Ihre Position. 4. Wie beabsichtigt die Landesregierung mit dem vorgesehenen Auftritt von Minister Stahlknecht umzugehen? Die Fragen 3 und 4 werden im Zusammenhang beantwortet: Die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl und die Neutralitätspflicht staatlicher Organe im Wahlkampf sind der Landesregierung bekannt; diese fin- 3 den hinreichend Beachtung. Damit ist allerdings weder ausgeschlossen, dass zulässige und notwendige Öffentlichkeitsarbeit stattfindet noch dass Mitglieder der Landesregierung sich in nichtamtlicher Funktion wie jede Privatperson des Rechts der freien Meinungsäußerung, auch im Wahlkampf, bedienen dürfen. In welchen Fällen der Amtsträger in amtlicher Funktion und in welchen Fällen als Privatperson auftritt, beurteilt die Rechtsprechung nicht nur nach äußeren Merkmalen, sondern auch nach dem tatsächlichen Inhalt der Meinungsäußerung . Eine konkrete Beurteilung bleibt demnach jedem Einzelfall vorbehalten und entfällt für den angefragten Sachverhalt, da Herr Minister Stahlknecht an der in Rede stehenden Veranstaltung nicht teilgenommen hat. 5. Wurde die CDU-Tanzveranstaltung am Abend auflagenfrei genehmigt? Wenn ja, von wem und mit welcher Begründung? Wie beurteilt die Landesregierung den Sachverhalt? Ein gewerbe- oder gaststättenrechtliches Genehmigungserfordernis für die in Rede stehende Veranstaltung besteht nicht. Nach Auskunft der Stadt Südliches Anhalt wurden sowohl die öffentliche Veranstaltung (§ 60b GewO) als auch der vorübergehende Betrieb eines Gaststättengewerbes (§ 2 Abs. 2 GastG) vom Veranstalter schriftlich korrekt angezeigt. In diesem Zusammenhang wurden dem Veranstalter - nach Auskunft der zuständigen Stadt Südliches Anhalt - grundsätzliche Hinweise bezüglich der Brandschutzbestimmungen, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz erteilt. Das hier erfragte gewerbe- und gaststättenrechtliche Verfahren erfolgte daher gemäß den gesetzlichen Bestimmungen.