Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/1989 18.10.2017 (Ausgegeben am 18.10.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rechtsunwirksame LPG-Umwandlung in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1136 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach einem Gutachten des Jahres 2002 des Mitgliedes des Thüringer Verfassungsgerichtshofes und ehemaligen Richter am Thüringer Oberlandesgericht, Professor Dr. Walter Bayer, sind in Sachsen-Anhalt bei der Umwandlung von 27 LPGen so gravierende Fehler gemacht worden, dass die Nachfolgeunternehmen als „Scheinrechtsnachfolger “ bezeichnet werden müssen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Die Transformation der Landwirtschaft der DDR in das System der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der 90er-Jahre und die Vermögensauseinandersetzung der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGen) mit ausgeschiedenen Mitgliedern hat auch das für Landwirtschaft zuständige Ministerium des Landes Sachsen-Anhalt mehr als 20 Jahre beschäftigt. So wurde schon kurz nach Gründung des Landes begonnen, LPGen nach § 70 Abs. 3 LwAnpG zu überprüfen, soweit entsprechende Anhaltspunkte vorlagen, und damit den Unternehmen auch eine Hilfestellung für die ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung zu bieten. Die im Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnPG) in § 69 Abs. 3 getroffene Regelung , dass eine Umwandlung der LPGen nach den Vorgaben des LwAnPG bis zum 31.12.1991 erfolgt sein muss, führte dabei zu einem erheblichen Zeitdruck bei den LPGen, so dass es bei den Umwandlungen und der Verteilung des Eigenkapitals auch wegen des Fehlens entsprechender Erfahrungen mit und fehlender Rechtsprechung zu diesem Gesetz teilweise zu erheblichen Fehlern kam, von denen einige bereits in dieser ersten Überprüfung abgestellt werden konnten. 2 Nach Inkrafttreten verschiedener landwirtschaftlicher Förderprogramme mit der Voraussetzung der ordnungsgemäßen Vermögensauseinandersetzung nach §§ 44 ff. LwAnpG wurde in Sachsen-Anhalt beschlossen, eine flächendeckende Überprüfung der betreffenden Unternehmen durchzuführen, was dann aufgrund des Erlasses vom 06.05.1993 im Wesentlichen bis Ende 1994 erfolgte. Dabei wurde jedes von den damaligen Ämtern für Landwirtschaft und Flurneuordnung vorgeprüfte Unternehmen einem Gutachterausschuss zur Stellungnahme vorgestellt. Dem Gutachterausschuss gehörten Vertreter verschiedener Ministerien, der berufsständischen Vertretungen (u.a. Landesbauernverband und damaliger Landvolkverband), der Bayern-Revision sowie auch zwei Vertreter des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landtages von Sachsen-Anhalt an. Im Anschluss an die Sitzungen des Gutachterausschusses wurde weitestgehend entsprechend dessen Stellungnahme entschieden und eine entsprechende Bescheinigung erteilt. Teilweise wurden auch Auflagen erteilt, deren Umsetzung in den Folgejahren kontrolliert wurde. Aufgrund der in den Folgejahren dann zahlreich ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) zu dem Thema sowie tatsächlicher Änderungen in den Unternehmen wie z. B. Änderungen der Bewertungen, Veränderung von Rückstellungen sowie vor dem Hintergrund des vorgesehenen Flächenverkaufes nach der Flächenerwerbsverordnung wurde mit Erlass vom 14.01.1999 das Verfahren einer anlassbezogenen Nachkontrolle eingeführt. Danach wurde und wird bis heute jedes Unternehmen bei entsprechenden Flächenkäufen von der BVVG und der hiesigen Landgesellschaft sowie bei der Förderung bis 2002 auf relevante Änderungen überprüft (sogenannte Bescheinigung E 18). In diesem Zusammenhang wird auf die Grundsätze für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG (Privatisierungsgrundsätze 2010), dort Anlage 1 verwiesen, wonach eine solche Überprüfung seit Jahren überhaupt nur noch in Sachsen und Sachsen-Anhalt stattfindet . Die Zahl der verbliebenen Anträge bislang ungeprüfter Unternehmen ist in Sachsen-Anhalt nach Auslaufen des begünstigten Landerwerbes Ende 2010 aber fast völlig zurückgegangen. Insofern ist davon auszugehen, dass die Aufarbeitung dieser Problematik in Sachsen -Anhalt in drei Überprüfungen umfangreich erfolgte und weitestgehend abgeschlossen ist. 1. Besitzt die Landesregierung Kenntnis über die im Jahr 2002 von Prof. Dr. Walter Bayer angefertigte Studie „Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern“ und die von ihm erstellte namentliche Liste unwirksamer Umwandlungen? Falls ja, wie positioniert sich die Regierung zu dieser Studie? Welche Konsequenzen hat sie ggf. aus ihr gezogen? Zu den in der Vorbemerkung der Landesregierung genannten Entscheidungen des BGH zählt auch das Urteil vom 07.11.1997 (LwZR 1/97), das die angesprochene Problematik der „fehlgeschlagenen Umwandlung“ ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt hat. Zuvor war aber auch schon etwa der Beschluss des BGH vom 03.05.1996 (BLw 54/95) zu dem Thema bei der Überprüfung durch das Ministerium berücksichtigt worden. 3 Den 1998 aufkommenden Bestrebungen zum Erlass von Heilungsvorschriften für fehlgeschlagene Umwandlungen im LwAnpG ist das damalige Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt im Übrigen in Abstimmung mit dem damaligen Ministerium der Justiz mit dem Hinweis auf rechtspolitische Gründe und dem in der Praxis fehlenden Bedarf dafür entgegengetreten. Im Juli 2002 erschien dann die Studie „Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989“ von Herrn Prof. Dr. Walter Bayer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die nochmals eine ähnliche Diskussion auslöste, wie diese schon 1998 zu dem Thema stattgefunden hatte. In seiner Studie stellte Herr Prof. Dr. Bayer fest, dass in Sachsen-Anhalt 27 von 352 Umwandlungen fehlgeschlagen seien. Das Ministerium hat daraufhin alle mitgeteilten Fälle einer eigenen Überprüfung unterzogen . Dabei hat sich herausgestellt, dass jedenfalls bei allen noch existierenden Unternehmen die Umwandlung als nicht fehlgeschlagen anzusehen war. Gründe lagen insbesondere darin, dass die Studie Geschehensabläufe nach 1992 nicht berücksichtigt hat und die entsprechenden Registerakten durch die Jenaer Mitarbeiter nicht vollständig eingesehen worden waren. Insofern bestand in Sachsen-Anhalt kein Anlass, aus der Studie weitere Konsequenzen zu ziehen. 2. Wie viele LPG-Umwandlungen in Sachsen-Anhalt sind nach Einschätzung der Landesregierung aus welchem Grund als unwirksam einzustufen und in welcher Form existieren diese Betriebe heute noch? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Der Landesregierung sind keine Betriebe mit einer fehlgeschlagenen Umwandlung nach dem LwAnpG bekannt, die heute noch existieren. 3. Sind die aus den unwirksamen Umwandlungen resultierenden Unternehmen als Scheinnachfolger anzusehen und wenn ja, welche Konsequenzen hätte dies aus Sicht der Landesregierung in Bezug auf geschlossene Verträge und zugeteilte Fördermittel? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Im Übrigen hat der BGH auch schon 1998 entschieden (BLw 18/97 und BLw 39/97), dass die Nachfolgeunternehmen als rechtlich existent anzusehen sind. Insofern konnten grundsätzlich Verträge im eigenen Namen geschlossen und Fördermittel beantragt werden. 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher eingeleitet, um mit Blick auf potentiell unwirksame LPG-Umwandlungen und mangelhafte Vermögensauseinandersetzungen für Heilung und Aufklärung zu sorgen? Ist die Landesregierung bestrebt, auf diesem Gebiet weitere Anstrengungen zu unternehmen? Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Die Überprüfung im Rahmen vorliegender Anträge der Betriebe ist nunmehr fast vollständig abgeschlossen. Hinsichtlich möglicher Ansprüche ausgeschiedener Mitglieder ist auf die längst eingetretene Verjährung gemäß § 3 b LwAnpG hinzuweisen. 4 5. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung in Bezug auf fehlerhafte Vermögensauseinandersetzungen vor (Ursachen, Beschwerden/Gerichtsverfahren , gegenwärtige Situation)? Gibt es Erkenntnisse dazu, in welchen Fällen eine Vermögensauseinandersetzung in Sachsen-Anhalt nicht rechtskonform abgelaufen ist und wenn ja, aus welchen Gründen? Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. Im Zuge der dort genannten Überprüfungsverfahren konnten zahlreiche Fehler der Betriebe z. B. zur Berechnung des Eigenkapitals, der Festlegung von Rückstellungen oder nicht korrekter Abfindungsvereinbarungen korrigiert werden. In zahlreichen Fällen gab es dabei auch Nachzahlungen an ausgeschiedene Mitglieder. 6. Im Nachbarland Brandenburg hat eine Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat“ Erkenntnisse und Empfehlungen an den Landtag hervorgebracht. Inwieweit sind die Ergebnisse der Enquete-Kommission der Landesregierung bekannt? Werden die Erkenntnisse durch die Landesregierung als relevant auch für Sachsen -Anhalt eingeschätzt? Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission 5/1 des Landtages Brandenburg aus dem Jahr 2014 einschließlich des weiteren Gutachtens des Herrn Prof. Dr. Bayer aus dem Jahr 2012 zur Situation in Brandenburg ist der Landesregierung bekannt und wurde damals auch entsprechend für Sachsen-Anhalt ausgewertet. Aufgrund des in der obigen Vorbemerkung der Landesregierung dargestellten aufwendigen Überprüfungsverfahrens in Sachsen-Anhalt, in das zeitweise auch Vertreter des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landtages von Sachsen-Anhalt mit eingebunden waren, ergab sich kein zusätzlicher Handlungsbedarf für Sachsen-Anhalt.