Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2002 19.10.2017 (Ausgegeben am 19.10.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Eva von Angern (DIE LINKE) Vorwurf gegen Justizstaatssekretär Böning, in die verfassungsrechtlich geschützte richterliche Unabhängigkeit eingegriffen zu haben hier: Widersprüche zwischen Einlassungen des Staatssekretärs und Antworten der Landesregierung zur Praxis der Landesregierung, von exekutiver Seite auf Gerichte einzuwirken Kleine Anfrage - KA 7/1134 Vorbemerkung der Fragestellenden: Nach einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung vom 11. August 2017 unter dem Titel „VW-Skandal: Magdeburger Justizstaatssekretär belastet Niedersachsens Landesregierung“ habe Justizstaatssekretär Böning in der Junisitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung aus seiner Zeit als Landgerichtspräsident in Braunschweig berichtet und gefragt: „Wollen Sie von mir wissen, wie oft ich vom Ministerium und vom OLG- Präsidenten angerufen und gefragt worden bin, was denn die VW-Verfahren machen?“ Weiter habe er in dieser Sitzung ausgeführt: „Das ist etwas, das im Rahmen der Sorge um die Justiz - für diese trägt auch das Justizministerium Verantwortung - überhaupt nichts Außergewöhnliches ist.“ Das Niedersächsische Justizministerium habe - so die Zeitung weiter - diese Darstellung von Justizstaatssekretär Böning kategorisch zurückgewiesen und festgestellt , dass sich das Ministerium zu keinem Zeitpunkt beim damaligen Landgerichtspräsidenten Böning nach dem Stand der VW-Verfahren erkundigt habe. Eine Sprecherin: 2 „Solche Telefonate hat es nicht gegeben.“ Entgegen der Einlassung von Justizstaatssekretär Böning, Anrufe wie der durch ihn am 24. Mai 2017 bei der Richterin am Landgericht L. getätigte, seien „überhaupt nichts Außergewöhnliches“, teilte die Landesregierung in ihrer Antwort auf Frage 13 meiner Kleinen Anfrage in Drs. 7/1799 mit, das Verhalten stelle einen Einzelfall dar. Auf meine gemeinsam mit Kollegin Quade gestellte Kleine Anfrage in Drs. 7/1675 hatte die Landesregierung zu Frage 1 ausgeführt: „Im Hinblick auf die nach Artikel 97 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 83 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen- Anhalt geschützte sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter ist dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung als Teil der Exekutive eine Einflussnahme auf den Kernbereich richterlicher Tätigkeit untersagt. Demgemäß hat Herr Staatssekretär Böning auch in dem der Pressemitteilung Nr. 024/2017 zugrundeliegenden Sachverhalt jeglichen Kontakt mit der bzw. dem ihm nicht bekannten, zur Entscheidung berufenen Richterin bzw. Richter unterlassen und auch nicht versucht oder beabsichtigt. Er hat die in dieser Funktion zur Gerichtsverwaltung zählende Präsidialrichterin, die insoweit nicht die richterliche Unabhängigkeit für sich in Anspruch nehmen kann, gebeten, die Möglichkeit eines ,kollegialen Gesprächs‘ mit der bzw. dem zuständigen Richterin bzw. Richter zu prüfen und gegebenenfalls zu führen. Ein solches persönliches, informatives Gespräch unter vier Augen ist nicht als Maßnahme der Dienstaufsicht einzustufen, wenn das Gespräch nur der Information des Dienstvorgesetzten oder der bloßen Erörterung von beide Gesprächspartner interessierenden dienstlichen Fragen dient. Der Dienstvorgesetzte kann auch durchaus einen vom Richter abweichenden Standpunkt vertreten und dabei Fragen ansprechen, deren Erörterung die Amtsführung des Richters betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ (R) 7/84, BGHZ 93, 238 - 245). Gespräche in diesem Sinne sind im Rahmen laufender Verfahren zwischen Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung mit der rechtsprechenden Gewalt nicht üblich.“ Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung 1. Die Aussagen von Justizstaatsekretär Böning und damit eines Repräsentanten der Landesregierung Sachsen-Anhalts zum Einwirken der Niedersächsischen Landesregierung auf VW-Gerichtsverfahren stehen im eklatanten Widerspruch zur diesbezüglichen Erklärung des Niedersächsischen Justizministeriums. Beide Aussagen können nicht gleichzeitig glaubhaft sein. Sind durch die Landesregierung Sachsen-Anhalts Anstrengungen unternommen worden, diese Widersprüche im Interesse des Ansehens der Landesregierung Sachsen-Anhalts und ihres Repräsentanten Justizstaatsekretär Böning aufzuklären? Hat es Versuche gegeben, mit der Niedersächsischen Landesregierung eine Klärung herbeizuführen. Wenn ja: Welches 3 Ergebnis hatten diese Anstrengungen und Versuche? Hat sich die niedersächsische Seite auf eigene Initiative hin oder nach Aufforderung durch die Landesregierung Sachsen-Anhalts gegenüber der Landesregierung Sachsen -Anhalts erklärt? Wenn ja: Welchen Inhalt hatte diese Erklärung? Nein. Im Übrigen teilt die Landesregierung nicht die Einschätzung der Abgeordneten von Angern. 2. Liegt eine dienstliche Äußerung von Justizstaatsekretär Böning zu seinen Einlassungen zum VW-Verfahren und zum Widerspruch zu den Aussagen der niedersächsischen Landesregierung vor? Falls ja: Welchen Inhalt hat sie? Falls nein: Warum ist sie nicht abgefordert worden. Nein. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 1. verwiesen. 3. Stellen Anrufe aus dem Justizministerium bei Gerichten bzw. Gespräche des Justizministeriums mit Richtern zum Zwecke der Einflussnahme auf die Festsetzung von Verhandlungsterminen wie Justizstaatsekretär Böning am 24. Mai 2017 bei der Richterin am Landgericht L. nichts Außergewöhnliches (Justizstaatssekretär Böning im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung) und damit etwas Regelhaftes oder einen Einzelfall (Antwort der Landesregierung auf Frage 13 der Kleinen Anfrage in Drs. 7/1799) dar? Es wird auf die Antwort zu Frage 1. in der Drs. 7/1675 (Antwort der Landesregierung auf die KA 7/940) und auf die Antwort zu Frage 13. in der Drs. 7/1799 (Antwort der Landesregierung auf die KA 7/996) verwiesen. 4. Diente nach Auffassung der Landesregierung - insbesondere gemessen an der dienstlichen Äußerung der Richterin am Landgericht L. vom 14. August 2017 (Antwort auf Frage 3 auf die Kleine Anfrage in Dr. 7/1799, Seite 3) - der Anruf von Justizstaatsekretär Böning am 24. Mai 2017 bei der Richterin L. lediglich der „Information des Dienstvorgesetzten oder bloßen Erörterung von beide Gesprächspartner interessierenden dienstlichen Fragen“ oder Erörterung der Amtseinführung des Richters […], (die) im Rahmen laufender Verfahren zwischen Vertreterinnen und Vertreters des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung mit der rechtsprechenden Gewalt nicht üblich (ist)“ (Antwort der Landesregierung auf Frage 1 der Kleinen Anfrage in Drs. 7/1675)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1. in der Drs. 7/1675 (Antwort der Landesregierung auf die KA 7/940) verwiesen.