Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2013 23.10.2017 (Ausgegeben am 24.10.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) Flüchtlingsleitfaden der IHK Kleine Anfrage - KA 7/1114 Vorbemerkung des Fragestellenden: Nach dem IHK-Gesetz erstreckt sich die Aufgabenwahrnehmung der Industrie- und Handelskammern gemäß § 1 Abs. 1 auf folgende Teilbereiche: Wahrung der Gesamtinteressen der Gewerbetreibenden des jeweiligen Kammerbezirkes , Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau hat ein 35seitiges Dokument unter dem Titel „Flüchtlinge in Ausbildung und Beschäftigung bringen - Leitfaden für Unternehmen “ (fortan „Leitfaden“) erarbeitet. In ihren Begründungen zum Leitfaden wirbt die IHK Halle-Dessau mit einer zu erwartenden „Win-Win-Situation für alle Beteiligten“. Als „Beteiligte“ sieht die Kammer „die Unternehmen“ (ohne Beschränkung auf den eigenen Kammerbezirk), „die Flüchtlinge “ und den „deutschen Staat“. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Vorbemerkung: Die Industrie- und Handelskammern (IHK) sind als branchenübergreifende Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft unter anderem Partner der Politik, unabhängiger Anwalt des Marktes und kundenorientierter Dienstleister. Als Körperschaft öffentlichen Rechts haben die IHK den gesetzlichen Auftrag, das Gesamtinteresse 2 aller Gewerbetreibenden ihres Bezirkes - ausgenommen die Handwerker - zu vertreten . Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK Halle-Dessau) vertritt derzeit die Interessen von ca. 57.000 Unternehmen im südlichen Sachsen-Anhalt. Der gesetzliche Auftrag der IHK beruht auf den Säulen: - Wirtschaftspolitische Interessenvertretung im Kammer-Bezirk, im Bundesland und im Bund, - Durchführung hoheitlicher, vom Staat speziell übertragener Aufgaben und - Dienstleistungen für die Wirtschaft des Kammer-Bezirkes. Die IHK nehmen Einfluss auf die wirtschaftspolitische Meinungsbildung. Dabei wirken sie u. a. bei der Erstellung von Entwicklungs- und Bauleitplänen, bei Verkehrsplanungen und -konzepten sowie bei Wirtschaftsförderungsmaßnahmen mit. Zu den gesetzlichen Aufgaben der IHK zählen schwerpunktmäßig die berufliche Aus- und Weiterbildung , die Bestellung von Sachverständigen, die Erstellung von Außenwirtschaftspapieren und die Durchführung von Sach- und Fachkundeprüfungen. Darüber hinaus bieten die IHK als Service für ihre Mitgliedsunternehmen vielfältige Beratungsleistungen an. Frage Nr. 1: Betrachtet die Landesregierung die Erstellung und Verbreitung des Leitfadens als von der Aufgabenbeschreibung in § 1 Abs. 1 IHKG gedeckt? Die IHK sind gemäß § 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie - und Handelskammern (IHKG) berechtigt, die ihnen zugewiesenen Aufgaben durch Vorschläge, Gutachten und Berichte umzusetzen. Die allgemeine Information der Mitglieder der IHK über einzuhaltende Regelungen bei der Integration von Flüchtlingen in Form von Merkblättern, Leitfäden und allgemeinen Beratungen entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Der Leitfaden behandelt die für die Beschäftigung von Flüchtlingen relevanten Rahmenbedingungen . Er richtet sich an Unternehmen, die Interesse an der Einstellung von Flüchtlingen als Arbeitnehmer oder Auszubildende haben und will einen ersten Überblick über das komplexe Thema Asylrecht verschaffen und dazu beitragen, die Entscheidung über die Beschäftigung von Flüchtlingen und deren Integration zu erleichtern . Der Leitfaden dient der Information der Unternehmen, ist nicht auf Personengruppen aus Deutschland oder der Europäischen Union beschränkt und dient gerade nicht der Wahrnehmung sozialpolitischer oder arbeitsrechtlicher Interessen. Mit der Veröffentlichung des Leitfadens hat die IHK Halle-Dessau ihren gesetzlichen Auftrag der Wirtschaftsförderung hinsichtlich des Teilaspekts, Unternehmen und Arbeitskräfte zueinander zu bringen, erfüllt. Frage Nr. 2: Hält die Landesregierung eine derart weit gefasste Definition der wahrzunehmenden Interessen und involvierten Stakeholder als vereinbar mit § 1 IHKG? Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Integration von Flüchtlingen in den Arbeits - und Ausbildungsmarkt ist von § 1 Abs. 1 IHKG gedeckt. 3 Grundproblem der gewerblichen Wirtschaft im gesamten Bundesgebiet, aber gerade auch im Land Sachsen-Anhalt, ist der demografiebedingte Mangel an Fachkräften und geeigneten Auszubildenden. Bereits heute ist eine Vielzahl an freien Ausbildungsstellen unbesetzt. Dieser Zustand wird sich künftig, auch in Sachsen-Anhalt, noch steigern. Geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die diesem demografischen Wandel entgegentreten und damit eine Ausbildungs- und Fachkräftesicherung zu erreichen, ist ureigene Aufgabe jeder IHK. Es entspricht sowohl dem Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft im gesamten Bundesgebiet, als auch der Unternehmerschaft der IHK Halle-Dessau. Deutschlandweit haben die IHK das Thema „Integration von Flüchtlingen“ bereits 2015 aufgegriffen und damit Verantwortung übernommen. Im Rahmen eines vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) initiierten Aktionsprogramms engagieren sich die IHK durch Informationsangebote, Beratungen , Projekte und Veranstaltungen deutschlandweit. Teil des Engagements ist der vom DIHK entworfene und jeder IHK zur eigenen Verwendung zur Verfügung gestellte o. g. Leitfaden für Unternehmer. Die einzelnen IHK haben dann jeweils ein Vorwort und ihre Kontaktdaten hinzugefügt. Die IHK Halle-Dessau hat in ihrer Einleitung, eben auch vor dem Hintergrund des demografiebedingten Mangels an Fachkräften, auf eine mögliche Win-Win-Situation hingewiesen, da: Unternehmen ihre Personallücken schließen und dadurch ihre Produktivität steigern könnten, Flüchtlinge eine sichere Bleibe bekämen und sich durch Arbeit selbst versorgen könnten und der deutsche Staat finanziell und organisatorisch entlastet wäre. Geeignete Fachkräfte zu finden, bzw. auszubilden ist Grundvoraussetzung für den Erhalt von Unternehmensstandorten, aber auch für entsprechende Neuansiedlungen. Insofern lässt sich das ausgeführte Thema auch unter „der Förderung der gewerblichen Wirtschaft“ subsumieren. Gesetzliche Einschränkungen, etwa nur auf Personengruppen aus Deutschland oder der Europäischen Union bestehen nicht. Der uneingeschränkte Bezug auf alle Unternehmen, also nicht nur auf die Unternehmen des jeweiligen Kammerbezirkes, stellt ebenfalls keinen Verstoß gegen die Regelung des § 1 IHKG dar. Die Formulierung zeigt ein bundesweit bestehendes Problem auf. Die IHK sind lediglich bei der Umsetzung dieser Ziele grundsätzlich auf ihren eigenen Kammerbezirk beschränkt. Jedoch können auch hier Kooperationen mehrerer IHK eine über den eigenen Kammerbezirk hinausgehenden Bearbeitung des Problems ermöglichen. 4 Frage Nr. 3: Wie viele Flüchtlinge i. S. d. Definition des Leitfadens sind seit seiner Veröffentlichung von kammerangehörigen Betrieben des IHK-Kammerbezirkes Halle- Dessau regulär eingestellt worden? Zahlen über reguläre Einstellungen von Flüchtlingen in Mitgliedsunternehmen liegen nicht vor. Frage Nr. 4: Welche weiteren der Rechtsaufsicht des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung unterliegenden Kammern beschäftigen sich mit Integrationsfragen? Alle gewerblichen Kammern neben der IHK Halle-Dessau, die IHK Magdeburg, die Handwerkskammern Halle und Magdeburg sowie die Architektenkammer und Ingenieurkammer beschäftigen sich intensiv mit der Frage der Integration von Flüchtlingen . Insbesondere die Handwerkskammern bieten vielfältige Informationen hinsichtlich der Berufsorientierung für Flüchtlinge (Flyer, Broschüren und weiterführende Links) sowie Berufsorientierungsprojekte für Flüchtlinge an. Frage Nr. 5: Welche Kosten sind der IHK Halle-Dessau in Erstellung des Leitfadens entstanden ? Der IHK Halle-Dessau sind keine direkt zurechenbaren Kosten für die Erstellung des Leitfadens entstanden. Die Broschüre liegt nur elektronisch als Download vor. Printversionen existieren nicht. Die Erstellung der Broschüre erfolgte durch den DIHK. Die Nutzung durch die IHK erfolgt kostenfrei. Lediglich für die regionale Anpassung (Vorwort) sind geringfügige personelle Aufwendungen erforderlich gewesen.