Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/204 02.08.2016 (Ausgegeben am 03.08.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Thomas Lippmann (DIE LINKE) Gewinnung von Lehrpersonal an Ersatzschulen Kleine Anfrage - KA 7/90 Vorbemerkung des Fragestellenden: Vom Verband der Privatschulen (VDP) und von verschiedenen Schulträgern von Ersatzschulen werden immer wieder die großen Hürden und die erheblichen Kosten beklagt, die mit der Gewinnung von neuem Lehrpersonal verbunden sind. Insbesondere wird vorgetragen, dass • für jede einzelne Lehrkraft - unabhängig von ihrer Ausbildung - eine kostenpflichtige Unterrichtsgenehmigung eingeholt werden muss, • Lehrkräfte ohne vollständige Lehramtsausbildung (1. und 2. Staatsprüfung) in der Regel keine Unterrichtsgenehmigung erhalten, auch wenn sie über eine Ausbildung als Lehrkraft (z. B. durch eine 1. Staatsprüfung für ein Lehramt, durch eine entsprechende Ausbildung nach dem Recht der ehemaligen DDR oder durch eine Ausbildung als Lehrkraft nach dem Recht eines EU-Staates) verfügen und • ein fachfremder Unterrichtseinsatz (Neigungslehrer) grundsätzlich untersagt wird und nur unter sehr engen Vorgaben zusätzlich genehmigt werden kann. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Es ist unzutreffend, dass 2 für jede einzelne Lehrkraft - unabhängig von ihrer Ausbildung - eine kostenpflichtige Unterrichtsgenehmigung eingeholt werden muss, Lehrkräfte ohne vollständige Lehramtsausbildung (1. und 2. Staatsprüfung) in der Regel keine Unterrichtsgenehmigung erhalten, auch wenn sie über eine Ausbildung als Lehrkraft (z. B. durch eine 1. Staatsprüfung für ein Lehramt, durch eine entsprechende Ausbildung nach dem Recht der ehemaligen DDR oder durch eine Ausbildung als Lehrkraft nach dem Recht eines EU-Staates) verfügen und ein fachfremder Unterrichtseinsatz (Neigungslehrer) grundsätzlich untersagt wird und nur unter sehr engen Vorgaben zusätzlich genehmigt werden kann. Zur Verwaltungspraxis zum Einsatz von Lehrkräften ohne vollständige Lehramtsausbildung wird wie folgt ausgeführt: Personen mit einem wissenschaftlichen Studium nach § 30 Abs. 5 SchulG LSA können die pädagogische Eignung nicht durch eine befristete Unterrichtsgenehmigung erwerben (vgl. § 16a Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA). Deshalb kann ihnen auch keine unbefristete Unterrichtsgenehmigung erteilt werden. Der Landesgesetzgeber hat die Regelung in § 16a Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA mit Artikel 1 Nr. 9 Gesetz zur Änderung schul-, besoldungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (GVBl. LSA S. 560, 562) in das Schulgesetz des Landes aufgenommen. Die Regelung wurde im Gesetzgebungsverfahren erörtert und dem Plenarprotokoll 6/34 vom 15.11.2012 kann auf Seite 2716 der Hinweis des Berichterstatters des Ausschusses für Bildung und Kultur entnommen werden : „In § 16a Abs. 2 Sätze 5 und 6 erfolgte eine Klarstellung in der Weise, dass an anerkannten Ersatzschulen Personen mit anderen wissenschaftlichen Ausbildungen zunächst wie Lehrkräfte eingesetzt werden dürfen, die Schulbehörde sich jedoch die Entscheidung über eine Unterrichtsgenehmigung nach Prüfung vorbehält. Die Entscheidung ergeht binnen drei Monaten. In diesem Zusammenhang wird auf die zu § 16a beschlossene Protokollnotiz verwiesen . Hier betont das Kultusministerium die Bereitschaft, Studierende in Sachsen- Anhalt nach erfolgreicher Ablegung der ersten Staatsprüfung für ein Lehramt einen Unterrichtseinsatz bis zur Dauer eines Schuljahres an einer anerkannten Schule in freier Trägerschaft zu gestatten, wenn die auf den Abschluss des Studiums erfolgte Bewerbung für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst des Landes nicht erfolgreich war. Eine Verlängerung unter gleichen Gesichtspunkten um ein weiteres Jahr ist ebenfalls möglich.“ Das vorgenannte Verfahren wird von der Schulbehörde bei der Entscheidung über beantragte Unterrichtsgenehmigungen berücksichtigt. Frage 1: Wie wird diese Verwaltungspraxis unter Bezug auf die einschlägigen Bestimmungen des Schulgesetzes begründet? 3 Insbesondere bitte ich dabei um Ausführungen zur Auslegung von § 16a Absatz 1 und Absatz 2 Satz 4. Es soll erläutert werden, in welchen Fällen der Einsatz einer Lehrkraft durch den Schulträger lediglich anzuzeigen ist und in welchen Fällen es einer durch das Landesschulamt kostenpflichtig zu bescheidenden Unterrichtsgenehmigung bedarf. Darüber hinaus bitte ich um Ausführungen, weshalb § 30 Abs. 3 des Schulgesetzes , der die Lehrkräfte öffentlicher Schulen verpflichtet, „Unterricht in anderen Fächern, Schulstufen und Schulformen zu erteilen, wenn es ihnen nach Vorbildung oder bisheriger Tätigkeit zugemutet werden kann und für den geordneten Betrieb der Schule erforderlich ist“ für die Lehrkräfte an Ersatzschulen keine Anwendung findet. Die Lehrkräfte an einer Ersatzschule dürfen in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung nicht hinter den Lehrkräften an einer entsprechenden öffentlichen Schule zurückstehen (vgl. Artikel 7 Abs. 4 Satz 3 Grundgesetz, § 16 Abs. 3 Nr. 1 und § 16a Abs. 1 SchulG LSA). Der Landesgesetzgeber hat deshalb die Regelung in das Schulgesetz aufgenommen, dass der Träger einer Ersatzschule nur Schulleiterinnen oder Schulleiter sowie Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen darf, für die ihm eine Unterrichtsgenehmigung erteilt worden ist (vgl. § 16a Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA). § 16a Abs. 1 SchulG LSA fordert die Gleichwertigkeit der fachlichen und pädagogischen Eignung von Lehrkräften an Ersatzschulen. Ersatzschulen haben danach die Möglichkeit nicht nur Lehrkräfte einzusetzen, die über eine staatliche Lehrerausbildung verfügen, sofern deren Ausbildung wertmäßig gleich eingestuft werden kann. Die Ausbildung von Lehrkräften an Ersatzschulen soll gleichwertig nicht gleichartig sein. Das Schulrecht des Landes Sachsen-Anhalt sieht für die Genehmigung des Unterrichtseinsatzes von Lehrkräften an Ersatzschulen folgende Verfahren vor: Der Landesgesetzgeber hat vorgesehen, dass an anerkannten Ersatzschulen und Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung, sofern diese Finanzhilfe nach § 18 Abs. 2 SchulG LSA erhalten, mit der Anzeige des Unterrichtseinsatzes eine Genehmigungsfiktion bzw. ein Unterrichtseinsatz bis zur Entscheidung über die Genehmigung verbunden ist (vgl. § 16a Abs. 2 Sätze 4 bis 6 SchulG LSA). Nur für die genehmigten Ersatzschulen besteht ein Antragsverfahren gemäß § 16a Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 SchifT-VO. a) Lehrkräfte nach § 16a Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA Für Lehrkräfte mit der Befähigung zum Lehramt, einem entsprechenden Abschluss nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik oder nach § 30 Abs. 7 oder 8 mit festgestellter Befähigung für ein Lehramt oder Lehrbefähigung für ein Unterrichtsfach an anerkannten Ersatzschulen und Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung, sofern diese Finanzhilfe nach § 18 Abs. 2 SchulG LSA erhalten , gilt die Unterrichtsgenehmigung als erteilt, wenn der Schulträger die Ausübung der Tätigkeit der zuständigen Schulbehörde mit den entsprechenden Unterlagen gemäß § 16a Abs. 1 SchulG LSA angezeigt hat. 4 Hierbei ist der Landesgesetzgeber davon ausgegangen, dass der Träger einer anerkannten Ersatzschule oder einer Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung vor der Übersendung der Anzeige prüft, ob die Unterlagen vollständig sind (vgl. § 3 Abs. 1 SchifT-VO) und die Lehrkraft tatsächlich über die erforderliche wissenschaftliche Ausbildung verfügt. Für die vorgenannten Lehrkräfte wird für eine ordnungsgemäße Anzeige eines Unterrichtseinsatzes keine Gebühr festgesetzt. Zeigt der Träger einen Unterrichtseinsatz für ein Fach an, für dass die Lehrkraft nicht über die erforderliche wissenschaftliche Ausbildung verfügt, kann die Schulbehörde gemäß § 16a Abs. 2 Satz 7 SchulG LSA über eine Versagung der Unterrichtsgenehmigung mit Bescheid entscheiden und eine Gebühr festsetzen. b) Personen mit einer anderen wissenschaftlichen Ausbildung nach § 16a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA Personen mit anderen wissenschaftlichen Ausbildungen dürfen nach Anzeige des Schulträgers und Vorlage der entsprechenden Unterlagen an einer anerkannten Ersatzschule oder einer Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung, sofern diese Finanzhilfe nach § 18 Abs. 2 SchulG LSA erhält, eingesetzt werden. Die Schulbehörde entscheidet binnen drei Monaten über die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung . Der Landesgesetzgeber hat für diesen Personenkreis die Prüfung der Erfüllung der Voraussetzung für die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung vorgesehen. Diese Regelung dient dem Schutz der Schülerinnen und Schüler vor einem Unterricht durch eine Person, deren wissenschaftliche Ausbildung hinter der einer Lehrkraft an einer öffentlichen Schule zurücksteht. Die Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen wird mit einem Bescheid abgeschlossen , der auch die Festsetzung der Gebühren ausweist. c) Unterrichtsgenehmigungen für Lehrkräfte an genehmigten Ersatzschulen Unterrichtsgenehmigungen für Lehrkräfte an genehmigten Ersatzschulen sind gemäß § 16a Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 SchifT-VO rechtzeitig unter Vorlage vollständiger Unterlagen bei der Schulbehörde zu beantragen. Dieses betrifft Lehrkräfte mit der Befähigung zum Lehramt, einem entsprechenden Abschluss nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik oder nach § 30 Abs. 7 oder 8 SchulG LSA mit festgestellter Befähigung für ein Lehramt oder Lehrbefähigung für ein Unterrichtsfach und Personen mit anderen wissenschaftlichen Ausbildungen zu. Die Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen wird mit einem Bescheid abgeschlossen , der auch die Festsetzung der Gebühren ausweist. d) Unterrichtseinsatz nach § 30 Abs. 3 SchulG LSA Wie bereits oben ausgeführt, dürfen die Lehrkräfte an einer Ersatzschule in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung nicht hinter den Lehrkräften an einer entsprechenden öffentlichen Schule zurückstehen (vgl. Artikel 7 Abs. 4 Satz 3 Grundgesetz, § 16 Abs. 3 Nr. 1 SchulG LSA). Die Unterrichtsgenehmigungen nach § 16a Abs. 2 Satz 1 SchulG 5 LSA werden für den beantragten oder angezeigten Unterrichtseinsatz, also für bestimmte Fächer oder Lernfelder erteilt. Der Einsatz ohne Unterrichtsgenehmigung kann eine Ordnungswidrigkeit nach § 84 Abs. 1 Nr. 7 SchulG LSA sein und zum Verlust der Gleichwertigkeit der Ersatzschule führen. Bei einem Verlust der Gleichwertigkeit ist die Ersatzschule gemäß § 16 Abs. 5 SchulG LSA zu widerrufen. Lehrkräfte mit der Befähigung zum Lehramt, einem entsprechenden Abschluss nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik oder nach § 30 Abs. 7 oder 8 SchulG LSA mit festgestellter Befähigung für ein Lehramt oder Lehrbefähigung für ein Unterrichtsfach können - wie an den öffentlichen Schulen - für einen zeitlich befristeten Vertretungsunterricht eingesetzt werden. Sollte hierfür eine Unterrichtsgenehmigung beantragt werden, wird eine Genehmigung erteilt, wenn die erforderlichen Nachweise geführt worden sind. Bewerber mit anderen wissenschaftlichen Ausbildungen dürfen nur im Rahmen der erteilten Unterrichtsgenehmigung eingesetzt werden, weil die erforderliche grundständige Lehrerausbildung fehlt. Frage 2: Welche Kosten entstehen durchschnittlich für die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung ? Welcher Verwaltungsaufwand wird dabei durchschnittlich angenommen ? Eine statistische Auswertung über die Festsetzung der Gebühren und den hierbei berücksichtigten Verwaltungsaufwand wird nicht geführt. Die Gebühren werden gemäß der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen -Anhalt (AllGO LSA) in der jeweils geltenden Fassung festgesetzt. Dort wird ein Gebührenrahmen von 25 € bis 1.800 € ausgewiesen. Bei der Gebührenfestsetzung sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulbehörde die Stundensätze nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 (57 €) und Nr. 4 (71 €) AllGO anzusetzen . Für jede angefangene Viertelstunde ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AllGO ein Viertel dieser Stundensätze zu berechnen. Der Träger einer Ersatzschule kann auf die Höhe der zu erhebenden Gebühren Einfluss nehmen, in dem er bei der Erstellung des Antrages darauf achtet, dass die Unterlagen bei der Abgabe des Antrages vollständig sind wie im § 3 Abs. 1 bis 3 SchifT- VO festgelegt. Hierdurch wird der zusätzliche Aufwand für Nachforderung, Ergänzungen und Prüfungen des Antrages vermieden. Für einen Antrag mit vollständigen Unterlagen für eine Lehrkraft, der keinen besonderen Prüfaufwand erfordert, wird eine Bearbeitungszeit von mindestens 30 Minuten benötigt. Zu berücksichtigen sind: Prüfung der Vollständigkeit des Antrages, Eingangsbestätigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 SchifT-VO, Prüfung der wissenschaftlichen Ausbildung, Erstellung des Bescheides. Je nach Bearbeiter entstehen bei einfachen Anträgen also Gebühren ab 28,50 € bzw. 35,50 €. Für einen Antrag mit unvollständigen Unterlagen für eine Lehrkraft, der keinen besonderen Prüfaufwand erfordert, wird eine Bearbeitungszeit von mindestens 45 Minuten benötigt. Zu berücksichtigen sind: Prüfung der Vollständigkeit des Antrages, 6 Schreiben an Träger mit Hinweis auf Unvollständigkeit des Antrages und Bitte diesen zu ergänzen, nach Eingang der ergänzenden Unterlagen erneut Prüfung der Vollständigkeit des Antrages, Eingangsbestätigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 SchifT-VO, Prüfung der wissenschaftlichen Ausbildung, Erstellung des Bescheides. Je nach Bearbeiter entstehen bei einfachen Anträgen also Gebühren ab 42,75 € bzw. 53,25 €. Umfangreiche Anträge, in denen für sehr viele Fächer bzw. Lernfelder an sehr vielen Schulen eines Trägers Unterrichtsgenehmigungen beantragt werden oder bei denen Genehmigungen ganz oder teilweise versagt werden müssen, erfordern einen entsprechend hohen Verwaltungsaufwand. Frage 3: Welche Jahreseinnahmen wurden in den Jahren 2011 bis 2015 durch die Bescheidung von Unterrichtsgenehmigungen durch die Schulbehörden erzielt? Für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis Februar 2014 wurden die Eingänge der Anträge auf Erteilung des Unterrichtseinsatzes von Lehrkräften an Ersatzschulen und die Anzeigen des Unterrichtseinsatzes bei der Schulbehörde nicht erfasst. Dies erfolgt erst seit dem Februar 2014. Es werden jedoch keine Übersichten über die jeweilige Höhe der festgesetzten Gebühren geführt. Eine statistische Erfassung der im Zusammenhang mit Entscheidungen zu Unterrichtsgenehmigungen festgesetzten Gebühren besteht somit für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2015 nicht. Die Einnahmen werden zusammen mit anderen Gebührentatbeständen bei Kapitel 07 07 Titelgruppe 111 01 „Gebühren, sonstige Entgelte“ ausgewiesen. Die Ist-Einnahmen bei 07 07 Titelgruppe 111 01 „Gebühren, sonstige Entgelte“ betrugen für alle dort veranschlagten Gebührentatbestände: 2011 6.463,87 € 2012 15.511,46 € 2013 30.990,09 € 2014 48.696,80 € 2015 34.416,51 €.