Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2048 02.11.2017 (Ausgegeben am 02.11.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Hannes Loth (AfD) Hochwasserschutz IV - Bekämpfung von Neophyten Kleine Anfrage - KA 7/1143 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im Rahmen der Deichbauarbeiten in Raguhn-Jeßnitz titelte die MZ vom 17. Februar 2017 „Grüne Naturgewalt - Ein eingeschlepptes Unkraut gefährdet den Deichbau bei Jeßnitz“. Für die Bekämpfung von Neophyten - zu denen die „eingeschleppten Unkräuter“ zählen - gilt: „Grundsätzlich sind Maßnahmen gegen invasive oder potenziell invasive Arten nicht zentral durch die Landesregierung organisierbar, sondern sind vor allem auf der kommunalen Ebene mit den dort vorhandenen Kapazitäten durchzuführen“ (Stenografischer Bericht 7/27, 5. Mai 2017, S. 115). Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Vorbemerkung der Landesregierung: Für die Unterhaltung von Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen beziehungsweise den Hochwasserschutz sind vier invasive Arten problematisch, die Maßnahmen erschweren und die Funktionalität gefährden. Die Eindämmung einer weiteren unkontrollierten Ausbreitung von Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum ), Japanischem Staudenknöterich (Fallopia japonica) sowie Indischem Springkraut (Impatiens glandulifera) stellt deshalb insbesondere mit Blick auf die negativen Auswirkungen auf die Uferstabilität und die Funktion der Gewässer als vorrangige Ausbreitungswege auch eine zunehmend wichtiger werdende Aufgabe des Gewässerunterhaltungspflichtigen dar. Die Ausbreitung des Orientalischen Zackenschötchens (Bunias orientalis) u. a. auf den Deichen erfordert Maßnahmen zur Zurückdrängung um den Bestand der Grasnarbe und die Standfestigkeit zu sichern. 2 Durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) werden im Rahmen der für die Unterhaltung von Gewässern und Anlagen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und anlassbezogen bei investiven Baumaßnahmen an den Deichen gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung von Neophyten durchgeführt. 1. Wie hoch sind die Kosten, die durch Neophyten am Deichbauabschnitt Jeßnitz West entstanden sind bzw. noch entstehen werden? Antwort bitte bezogen auf Bekämpfung, Transport, Lagerung und thermische Beseitigung des entsprechenden Pflanzenmaterials. Für die Bekämpfung von Neophyten (Japanischer Knöterich) am Deichbauabschnitt Jeßnitz sind Kosten in Höhe von 25.000 € (netto, ohne Planungskosten) entstanden. Es wurden folgende Arbeiten durchgeführt: - Abnehmen des Oberbodens - Tieffräsen - Absieben der Rhizomstücken aus dem Boden - Entsorgung (Deponierung) des ausgesiebten Pflanzenmaterials - Abdeckung der Fläche mit Folie inklusive senkrechter Wurzelsperre von 80 cm Tiefe - Überdeckung der Folie mit Mutterboden 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung vor, inwieweit Vorkommen von zu entfernenden Neophyten am Deichbauabschnitt Retzau existieren ? Antwort bitte auf Arten und besiedelten Flächen (Standort und Ausdehnung in m2) beziehen. Bei den erfolgten Biotopkartierungen am Deichabschnitt Raguhn-Retzau wurden keine zu entfernenden Neophyten festgestellt. Damit werden nach derzeitigem Kenntnisstand keine Aufwendungen zur Neophytenbeseitigung bei dieser Baumaßnahme entstehen. 3. Da der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen -Anhalt (LHW) der Bauträger der Deichbauarbeiten ist, trägt dieser auch die Kosten der Entfernung und Vernichtung von Neophyten am Deichbaubereich: Wie viele Meter von der Deichkrone entfernt, gehören generell zum Verantwortungsbereich in dem die auf einem Deich vorkommenden Neophyten auf Kosten des LHW entfernt werden müssen? Der Abstand von der Deichkrone ist abhängig von der Kubatur des Deichkörpers und entspricht der gesamten Bautrassenbreite. Diese beinhaltet die Deichaufstandsflächenbreite zuzüglich des beidseitigen Deichschutzstreifens in einer Breite von jeweils 5 m. 4. Ist das LHW oder eine andere Landesbehörde berechtigt, auftretende Kosten , welche durch die Bekämpfung von Neophyten am Deich verursacht werden, auf die betroffenen Kommunen umzulegen? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? 3 Wenn nein, durch wen oder welche Fördermaßnahmen wären weitere Kostenübernahmen möglich? Nein. Der Ausbau und die Unterhaltung der in der Anlage 3 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt aufgeführten Deiche obliegen dem Land. Zuständig ist gemäß § 3 der Verordnung über abweichende Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wasserrechts (Wasser-ZustVO) der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Bei dieser Aufgabe handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Erhöhte Aufwendungen zur Neophytenbeseitigung werden dabei bislang nicht über Förderprogramme von EU, Bund oder Land unterstützt. 5. Welche Ergebnisse erbrachten die Testflächen in Jeßnitz auf denen die holländische Firma „Dupont“ spezielles Vlies gegen den Japanischen Knöterich ausgebracht hat (MZ, 17. Juli 2017)? Antwort bitte auf Material (Vlies, Wurzelsperre), Fläche (Standort/Ausdehnung in m2) und Erfolgsaussichten beziehen. Die Tests der Firma Dupont (jetzt Firma RootBarrier) sind nicht im Auftrag oder in Abstimmung mit dem LHW erfolgt. Ergebnisse sind nicht bekannt. 6. Nach Versuchen im Harz mit Folien und Vlies gegen den Japanischen Knöterich wurde als Grenzwert ein Zeitraum von zehn Jahren angegeben, nachdem ein erneuter Austrieb der Wurzelstöcke nicht mehr zu erwarten wäre: Kann dieser Zeitraum mit der entsprechenden Erfolgsgarantie bereits bestätigt werden? Antwort bitte anhand der Ergebnisse. Die Versuche sind der Landesregierung nicht bekannt, insofern ist eine Aussage zu den Ergebnissen möglich. 7. Wer erfasst und kontrolliert, in welchen Intervallen, die Vorkommen von Neophyten an alten und bereits neuen bzw. sanierten Deichen in Sachsen- Anhalt und wo werden die Ergebnisse dokumentiert? Durch die Flussbereiche des LHW werden bei den jährlichen Deichschauen im Frühjahr bzw. Herbst jeden Jahres, bei laufenden Kontrollen an den Deichen sowie auch vor und nach Mahdarbeiten die Anlagen hinsichtlich des Auftretens von Neophyten kontrolliert. Eine Dokumentation erfolgt in den Deichschauprotokollen . 8. Wo wurden seit 2014 Neophyten an Deichen festgestellt? Antwort bitte beziehen auf Jahr, Deich, Gesamtlänge, festgestellte Neophyten (Arten) und besiedelte Deichabschnitte (Ortsangabe und relativer Anteil an besiedelter Deichlänge). 4 Gewässer Deichbezeichnung Länge Abschnitt Invasive Art Jahr Anteil besiedelte Fläche an Deichfläche Saale Deich Halle Neustadt 2.060 m Orientalisches Zackenschötchen 2015 bei 18.510 m2 ca. 95 % Deich Halle Neustadt 100 m Riesenbärenklau 2015 bei 400 m2 < 5 % Deich Halle Neustadt 40 m Staudenknöterich 2015 bei 400 m2 < 2 % Helme Deich Oberröblingen 3.460 m Orientalisches Zackenschötchen 2015 bei 34.600 m2 ca. 6 % Deich Wallhausen 2.470 m Orientalisches Zackenschötchen 2016 bei 24.700 m2 ca. 30 % Unstrut Deich Unstrut- Flutkanal 3.080 m Orientalisches Zackenschötchen seit 2007 bei 30.000 m2 ca. 33 % Holtemme Hauptdeich Holtemme Einmündung Ströbecker Fließ - ehemaliges Rabahnewehr Riesenbärenklau 2014- 2017 Vereinzelte Standorte ca. 10 % 9. Welche Maßnahmen wurden in den Jahren seit 2014 unternommen, um die festgestellten Neophyten zu bekämpfen? Antwort bitte beziehen auf Deich, Gesamtlänge, festgestellte Neophyten (Arten) und besiedelte Deichabschnitte (Ortsangabe) mit Bekämpfungsmaßnahme und Erfolgsmonitoring. 5 Gewässer Deich Abschnitt Länge Invasive Art Maßnahmen zur Bekämpfung /Monitoring Saale Halle Neustadt km 2.05-3.53 1480 m Orientalisches Zackenschötchen Staudenknöterich Riesenbärenklau Abtrag Oberboden, Ausgraben Wurzeln Entsorgung in Sonderdeponie konsequente mehrmalige Mahd Halle Neustadt km 0,00-2,05 2.050 m Orientalisches Zackenschötchen Aufbereitung und Separierung des Oberbodenmaterials Wiedereinbau konsequente mehrmalige Mahd-Verhinderung der Aussamung Helme Deich Oberröblingen 3.460 m Orientalisches Zackenschötchen 4 zusätzliche Mahden vor der Samenreife Kontrolle zur Deichschau Deich Wallhausen 2.470 m Orientalisches Zackenschötchen 4 zusätzliche Mahden vor der Samenreife Kontrolle zur Deichschau Unstrut Deich Unstrutflutkanal rechts 3.080 m Orientalisches Zackenschötchen Schafhutung als Pilotprojekt unter Beteiligung und Monitoring durch KORINA (Beginn in 2017, läuft noch) Holtemme Hauptdeich Holtemme Einmündung Ströbecker Fließehemaliges Rabahnewehr Riesenbärenklau Mechanische Bekämpfung durch Fachfirma- Monitoring durch KORINA 10. Welche Kosten wurden seit 2014 durch die Bekämpfung von Neophyten an Deichen in Sachsen-Anhalt verursacht und über welche Mittel wurden diese Kosten abgedeckt? Bitte nach Jahr, Kosten und Kostenübernahme beantworten. 6 In den Jahren 2014 und 2015 wurden für Neophytenbekämpfungsmaßnahmen an Gewässern und Deichen insgesamt Kosten in Höhe von 48.000 € bzw. 34.000 € aufgewendet. Eine separate Erfassung der Kosten an den Deichen liegt für diese Jahre nicht vor. In den Folgejahren 2016 und 2017 beliefen/belaufen sich die Kosten der Bekämpfung von Neophyten explizit auf den Deichen auf 11.800 € pro Jahr. Die Finanzierung erfolgte/erfolgt aus dem Wirtschaftsplan des LHW. Darüber hinaus werden im Rahmen des Umweltsofortprogramms des Landes in 2017 Maßnahmen zur Bekämpfung von Neophyten an den Gewässern Bode, Böse Sieben, Holtemme (inklusive der Bekämpfung auf Deichen) und Thyra mit einem Wertumfang von 238.000 € durchgeführt. 11. Wie viele Anlagen zur thermischen Behandlung von Neophyten-Rhizomen u. a. Pflanzenteilen stehen in Sachsen-Anhalt zur Verfügung und welche Kapazitäten haben diese? Antwort bitte nach Landkreisen, vorhandenen Behandlungsanlagen und Kapazitäten auflisten. In Sachsen-Anhalt stehen nachfolgende Anlagen zur Verfügung: Kreisfreie Stadt/ Landkreis Anlage Kapazität in t/a Magdeburg MHKW Rothensee GmbH 630.000 Anhalt-Bitterfeld PD energy GmbH, Wolfen 100.000 Salzlandkreis Energie Anlage Bernburg GmbH 552.000 Schwenk Zement KG Bernburg 5.000 Saalekreis MVV Umwelt Asset GmbH, TREA Leuna 395.000 Burgenlandkreis SUEZ Energie und Verwertung GmbH, Zorbau 300.000 Es wird vorausgesetzt, dass die Neophyten-Rhizomen und andere Pflanzenteile als Abfall zu entsorgen sind. Alle Kapazitätsangaben sind Gesamtkapazitäten für alle in der jeweiligen Anlage zugelassenen Abfälle und nicht auf einzelne Abfallarten zu beziehen. 12. Welche Kriterien gelten für die Wiederverwendung des behandelten Neophytenmaterials und wer überprüft diese, für die entsprechende Freigabe?  Es wird vorausgesetzt, dass Frage 12 auf die Rückstände aus der thermischen Behandlung gemäß Frage 11 abstellt. Bei der thermischen Abfallbehandlung fallen insbesondere Rost- und Kesselaschen an, die einer Aufbereitung nach 7 den Maßgaben der LAGA-Mitteilung M19 zuzuführen sind, um als mineralischer Abfall stofflich verwertet zu werden. Bei thermischen Behandlungsverfahren werden organische Bestandteile im Verbrennungsprozess mineralisiert. In den Aschen sind insofern keine Rhizome zu erwarten. Sowohl die Anlagen zur thermischen Behandlungsanlagen als auch die Anlagen zur Aufbereitung der Aschen unterliegen der abfall- und immissionsschutzrechtlichen Überwachung. Die Zulässigkeit der stofflichen Verwertung mineralischer Abfälle wird von der jeweils zuständigen Abfallbehörde überwacht.