Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2119 21.11.2017 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 22.11.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) Einschätzung und Bewertung der Abiturergebnisse nach Inkrafttreten der veränderten Oberstufenverordnung (OberStV) vom 14. November 2016 Kleine Anfrage - KA 7/1183 Vorbemerkung des Fragestellenden: Mit dem abgelaufen Schuljahr 2016/2017 ging auch der erste Einsatz der veränderten OberStV vom 14. November 2016 zu Ende. Die nun vorliegenden Abiturergebnisse , die wohl in einem kausalen Zusammenhang mit der veränderten Oberstufenverordnung stehen, dessen „...Absenkung des Niveaus und der Verbindlichkeit von Halbjahresergebnissen und der Prüfungsauswahl...“1 zu folgenden absehbaren Resultaten führten: 1. „ein deutlicher Anstieg der Abiturdurchschnittsnoten, 2. ein deutlicher höherer Anteil von Abiturienten mit sehr guten Abiturergebnissen , 3. eine deutlich verminderte Zahl von Schülerinnen und Schülern, die das Abitur oder die Abiturprüfungen nicht bestehen“2. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1 Zeitschrift des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt. Ausgabe 3/2017, S. 11 f. 2 Zeitschrift des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt. Ausgabe 3/2017, S. 11 2 Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die Abiturergebnisse aus dem vergangenen Schuljahr 2016/2017 in Anbetracht der veränderten Oberstufenverordnung? Antwort: Das Abitur 2017 war unter anderem durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet: - Erstmals erfolgten die Abiturprüfungen in den Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch auf der Grundlage von bundesweit einheitlich geltenden Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife in den benannten Fächern als Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. - Darauf aufbauend wurden in Sachsen-Anhalt die Lehrpläne für die vier benannten Fächer vollständig überarbeitet, in-Kraft-gesetzt und damit auch die Grundlage der Aufgabenerstellung des schriftlichen Abiturs. - Erstmals wurden in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch Aufgaben in Formaten umgesetzt, die es ermöglicht haben, Aufgaben aus einem Aufgabenpool unter normativer Federführung des Institutes zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) auf der Basis eines KMK-Beschlusses zu verwenden . - Weiterhin wurde die Oberstufenverordnung geändert, so dass Schülerinnen und Schüler bestimmte Leistungen nicht einbringen mussten und in der schriftlichen Abiturprüfung mehr Auswahl durch Wegfall der Pflichtbindung einzelner Fächer hatten. - Insgesamt wurden die curricularen Grundlagen weiterer für die Prüfungen relevanter Fächer kompetenzorientiert überarbeitet. Das Ziel der Überarbeitung waren die Anpassung an veränderte KMK-Rahmenvorgaben zur Anerkennung des Abiturs, Gerechtigkeitsaspekte für Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt zur Bewerbung für ein Studium und Rechtssicherheit im Kontext von rechtlichen Auseinandersetzungen. Dies führte zur Änderung der Pflichtbindung von Fächern und zur Ermöglichung von Streichleistungen sowie Neufestlegung einer Bestehensnorm. Diese Änderungen sind Teil eines komplexen Gesamtgefüges . Durch schulscharfe Arbeit im Zusammenspiel mit jährlicher Auswertung, Evaluation und schulfachlicher Begleitung haben sich die Ergebnisse bereits in den letzten Jahren verbessert, fast stetig, auch wenn die Oberstufenverordnung nicht geändert wurde . Dies ist umfänglich dokumentiert. Es schwanken immer einzelne Parameter, ohne dass immer genau rückverfolgbar ist, wie die Zahl von Bestnoten, Wiederholern und Gesamtergebnissen in den Schwankungen genau erklärt werden könnte. Das Gesamtergebnis wird in Relation zu den Ergebnissen pro Schule standortbezogen schulfachlich betrachtet und vor Ort mit den Verantwortlichen hinsichtlich der Beurteilung und Schlussfolgerungen ausgewertet. Es wird auch mit Blick auf qualitätssichernde begleitende Maßnahmen im Gesamtergebnis schulfachlich aufgearbeitet und begleitet. 3 Frage 2: Bleibt die Landesregierung bei der Auffassung, zur Veränderung der Oberstufenverordnung , aus dem Jahr 2016: „Die vorgesehenen Maßnahmen bewirken keine schulischen Leistungsdefizite“3? Antwort: Die Änderung der Oberstufenverordnung korrespondiert mit der geltenden überarbeiteten KMK-Rahmenvereinbarung zur Gestaltung der Sekundarstufe II zur bundesweiten Sicherung der Anerkennung des Abschlusses Allgemeine Hochschulreife. Zielstellung war und ist eine höhere bundesweite Vergleichbarkeit. Dies betrifft unter anderem den Umfang und die Art von Belegung und Einbringung der Leistungen in die Gesamtqualifikation. Der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe vermittelt unverändert eine vertiefte Allgemeinbildung mit dem Ziel der allgemeinen Studierfähigkeit durch wissenschaftspropädeutisches Herangehen und entsprechende Bildung. Von besonderer Bedeutung sind dabei weiterhin vertiefte Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den basalen Fächern Deutsch, Fremdsprache und Mathematik, so wie durch die KMK vorgegeben. Die Prüfungswahl in den schriftlich zu prüfenden Fächern erfolgt unverändert unter den Fächern Deutsch, Mathematik, Fremdsprache, Naturwissenschaft, Geschichte. Durch Wegfall der Pflichtbindung erhöhen sich die Auswahl und die Möglichkeit individueller Schwerpunktsetzung und die Kombinationsmöglichkeiten von Prüfungsfächern. Während früher die Wahl zwischen Naturwissenschaft und Geschichte bestand, stehen jetzt auch Deutsch, Mathematik, eine Fremdsprache, eine Naturwissenschaft oder Geschichte zur Auswahl für die vier schriftlichen Prüfungen. Daran ist zu sehen, dass lediglich ein Fach von fünf, gegenüber einem von zwei nach alter Regelung, verzichtbar geworden ist, also die Wahlbreite sich geändert hat. Auch die Anzahl der Einbringungsleistungen liegt jetzt im Bundesdurchschnitt. Sachsen-Anhalt hat bundesweit mit vier schriftlichen Prüfungen in den Kern- und Profilfächern ein fortgesetzt anspruchsvolles Abitur. Das Abitur in Sachsen-Anhalt hat einen hohen und gleichzeitig vergleichbaren Anspruch . Die Erwartungshaltung an Leistungen und Standards ist an die Erfüllung der Rahmenvorgaben zur Anerkennung des Abschlusses gebunden, die vollumfänglich und anspruchsvoll umgesetzt werden. Frage 3: Zieht die Landesregierung aus den Resultaten der Abiturergebnisse Rückschlüsse darauf, dass die KMK-Vorgaben hinsichtlich der einzubringenden Leistungen und Vorgaben grundsätzlich zu niedrig angesetzt sind, um dem Anspruchsniveau eines Abiturs gerecht zu werden? Antwort: Die Landesregierung zieht diese Schlussfolgerung nicht. Sachsen-Anhalt setzt alle Vorgaben sachgerecht und vereinbarungsgemäß um. 3 Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage: Drs. 7/353 4 Grundsätzlich definieren die Vorgaben der KMK zur gegenseitigen Anerkennung der Abschlüsse die Ansprüche an ein Abitur und normieren Einbringungsverpflichtungen und Prüfungserfordernisse. Insofern können die Ansprüche nicht grundsätzlich zu niedrig sein. Die Schwerpunktsetzung bei Ausgestaltung von Rahmenvorgaben bietet Spielräume, die die Länder zum Teil genutzt haben. Insofern gibt es entsprechend vorgegebener Berechnungsformel zur Ermittlung des Gesamtqualifikations-Notenwertes laut KMK- Bezugs-Beschluss geringe Räume zur Kombination von Einbringungs- und Belegungsverpflichtungen und Prüfungsleistungen. Dieses ist in Aufarbeitung und die KMK hat bereits Beschlüsse gefasst, die Spreizungen enger zusammenzuführen, was zu veränderten Vorgaben in den Ländern führt. Wenn Umfang und Bindung an Fächer innerhalb der Qualifikationsberechnung als Anspruch gesetzt werden, ist festzustellen, dass sich Sachsen-Anhalt diesbezüglich im Mittelfeld aller Länder bewegt . Es ist also weder zu schwer, noch zu leicht. Dieses ist ein wichtiger Punkt hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler im Land bei Bewerbungsverfahren in Konkurrenz zu Schülerinnen und Schülern aus anderen Ländern. Ein anderer Aspekt ist der, dass der Anspruch des Forderns und Förderns im Unterricht umgesetzt wird. Maßgeblich sind dabei nicht direkt die Struktur-Vorgaben der Oberstufe sondern die Anforderungen im Unterricht gemäß den Lehrplänen und Rahmenrichtlinien sowie die Anforderungen in den Prüfungen und Leistungserhebungen . Frage 4: Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit einer bundesweit einheitlichen Beleg-, Einbringungs- und Prüfungsregelung, um den unterschiedlichen Abiturstandards in den Bundesländern entgegenzuwirken? Antwort: Zuständig für die Umsetzung der geltenden KMK-Rahmenvereinbarung zur Anerkennung der allgemeinen Hochschulreife als Abschluss sind die Länder in Länderhoheit . Während zunächst der Wettbewerb stärker im Mittelpunkt stand, sind die 16 Länder seit 2013 intensiv bemüht, Spreizungen im Herangehen abzubauen und die Anforderungen abzugleichen und zusammenzuführen. Dies schlägt sich in der immanenten Arbeit und bereits getroffenen Vereinbarungen und Projekten nieder. Dazu zählen die verabschiedeten Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife sowie die in den Naturwissenschaften in Arbeit befindlichen; deren Implementation in den Curricula aller Bundesländer, ihre Umsetzung im Abiturpool und KMK-Beschlüssen zur Oberstufe und zum Abitur. Vielen Ländern ist es aufgrund landestypischer Traditionslinien sehr wichtig, bestimmte Gestaltungsräume zu behalten und keine völlige Gleichschaltung zu haben. Auch spezifisch sachsen-anhaltinische Bedingungen, wie eine breite Aufstellung in einem solide untersetzten Allgemeinbildungsbereich, ergänzt durch nachhaltige Wahl-Angebote, könnten ja auf den Prüfstand kommen, wobei nicht ohne Weiteres davon auszugehen wäre, dass die anderen Bundesländer sich unbedingt einem Modell „Sachsen-Anhalt“ anschließen würden. Ebenso könnte Sachsen-Anhalt gezwungen sein, ein nicht favorisiertes Modell als Kompromiss übernehmen zu müssen. Bundensweite klare strukturelle Rahmenvorgaben mit gewissem Maß an Freiraum 5 für die Länder haben sich bewährt und in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch , Französisch, Physik, Chemie und Biologie wird es gemeinsame Abituraufgaben mit gemeinsamen Anforderungen geben. Neben den strukturellen Regelungen zur Belegung, Einbringung und Prüfung haben die Länder eine schrittweise inhaltliche Annäherung über Bildungsstandards und einheitliche Prüfungsformate im Blick und in Arbeit. Dies kann nicht von heute auf morgen zu Lasten der Schülerinnen und Schüler geregelt werden, sondern ist ein längerer gemeinsamer Prozess.