Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2124 21.11.2017 (Ausgegeben am 22.11.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Lydia Funke (AfD) Auswertung des IQB-Bildungstrends 2016 für das Land Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/1191 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2016 zeigen dramatische Kompetenzverluste in den Bereichen „Zuhören“, „Mathematik“ und „Orthographie“. Im Vergleich zum IQB-Bildungstrend aus dem Jahr 2011 lassen die Resultate somit auf einen bundesweiten Abwärtstrend im Bereich der Bildungsstandards schließen. Die ernüchternden Ergebnisse der Leistungstests müssten insofern den zuständigen Bildungsministern zu denken geben - schließlich wurden die eigenen angesetzten Bildungsstandards unterschritten. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie analysiert und bewertet die Landesregierung die Ergebnisse des IQB- Bildungstrends 2016 insgesamt? Antwort: Der Landesregierung dienen die im Bildungstrend 2016 dargestellten Ergebnisse als ein Instrument und eine Dokumentation der Bildungsarbeit in der Primarstufe. Der Bildungstrend untersucht als Element des Bildungsmonitorings, inwieweit die Kompetenzentwicklung von Viertklässlerinnen und Viertklässlern den für die Primarstufe von der KMK vereinbarten Bildungsstandards entspricht. 2 Neben der Befragung verschiedener schulischer Akteure mittels standardisierter Verfahren bilden Kompetenztests in den Fächern Deutsch und Mathematik das Kernstück des Bildungstrends. Während in Deutsch die Kompetenzbereiche „Lesen“, „Zuhören“ und „Orthographie“ getestet und einzeln berichtet wurden, werden die in einem mathematischen Test erhobenen Kompetenzstände zu einer Globalskala Mathematik gebündelt und berichtet. Aus dem Ergebnis in den Kompetenztests kann darauf geschlossen werden, inwieweit die Kompetenzen einer Schülerin bzw. eines Schülers den in den Bildungsstandards festgelegten Erwartungen (= Regelstandards) entsprechen, ob die Kompetenzen einem definierten Minimum entsprechen, das Kinder am Ende der Jahrgangsstufe 4 erreicht haben sollten (= Mindeststandards), bzw. ob die Kompetenzen einem Optimum entsprechen, das Kinder erreichen können (= Optimalstandards). Den Regelstandard erreichen oder übertreffen 2016 in Sachsen-Anhalt - im Lesen 68 % (bundesweit 66 %) - im Zuhören 61 % (bundesweit 68 %) - in Orthographie 52 % (bundesweit 54 %) - in Mathematik 67 % (bundesweit 62 %). Den Mindeststandard verfehlen 2016 in Sachsen-Anhalt - im Lesen 10 % (bundesweit 13 %) - im Zuhören 13 %(bundesweit 11 %) - in Orthographie 23 % (bundesweit 22 %) - in Mathematik 12 %(bundesweit 15 %). Den Optimalstandard erreichen 2016 in Sachsen-Anhalt - im Lesen 10 % (bundesweit 10 %) - im Zuhören 5 % (bundesweit 10 %) - in Orthographie 8 %(bundesweit 9 %) - in Mathematik 16 % (bundesweit 13 %). Bezogen auf die in den 4 Bereichen erzielten mittleren Kompetenzstände lassen sich die Bundesländer in eine Rangfolge bringen. Demnach liegt Sachsen-Anhalt - im Bereich Mathematik auf Rang 3, - im Kompetenzbereich „Lesen“ auf Rang 6, - im Kompetenzbereich „Orthographie“ auf Rang 7 und - im Kompetenzbereich „Zuhören“ auf Rang 15. Über all diese Bereiche hinweg erreichen die Viertklässlerinnen und Viertklässler Sachsen-Anhalts Platz 7 der im Bildungstrend 2016 gemessenen Kompetenzstände. Insgesamt liegen die Ergebnisse des Landes damit weitgehend im bundesweiten Trend. Daneben wurden weitere Aspekte analysiert, neben signifikanten Zusammenhängen des Kompetenzerwerbs mit dem Sozialstatus auch zum Vergleich der Testergebnis- 3 se von Mädchen und Jungen. Dabei zeigen sich stereotype Unterschiede: Im Fach Deutsch erreichen in Deutschland Mädchen höhere Kompetenzen, in Mathematik Jungen - die Differenzen nehmen in der Reihe Orthographie - Lesen - Mathematik - Zuhören ab. In Sachsen-Anhalt sind lediglich der Vorsprung der Mädchen gegenüber den Jungen im Kompetenzbereich „Orthographie“ und der Vorsprung der Jungen gegenüber den Mädchen in Mathematik signifikant. Frage 2: Könnten die stetige Förderung von Inklusion und Gemeinschaftsschulen Mitursache für die ernüchternden Ergebnisse der Bildungsstudie sein? Antwort: Bei der Gemeinschaftsschule handelt es sich um eine weiterführende Schulform, in der Schülerinnen und Schüler ab dem Schuljahrgang 5 lernen. Der Bildungstrend 2016 untersucht, inwieweit die Kompetenzentwicklung von Viertklässlern den für die Primarstufe von der KMK vereinbarten Bildungsstandards entspricht. Da Schülerinnen und Schüler im Verlauf ihrer Bildungsbiographie zuerst die Primarstufe und anschließend die Sekundarstufe I durchlaufen, ist nicht davon auszugehen, dass die Förderung der Gemeinschaftsschule mitursächlich für die spezifischen Befunde des Bildungstrends im Primarbereich ist. Im Zuge der in Deutschland 2009 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention werden in Sachsen-Anhalt ebenso wie in den anderen Bundesländern Anstrengungen der Umsetzung unternommen. In den Bildungstrend wurden hier jedoch lediglich die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einbezogen , die den Förderschwerpunkt „Lernen“, „Sprache“ oder „emotionale und soziale Entwicklung“ besitzen und zielgleich unterrichtet werden, für die also die getesteten Bildungsstandards gelten. Insofern entsteht in der Studie kein Abbild der gesamten Schülerschaft. Im Bildungstrend 2016 werden die Ergebnisse der zielgleich unterrichteten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Kompetenztests sowie der begleitenden Schülerbefragung lediglich für Deutschland insgesamt vorgestellt . Für eine Darstellung auf der Ebene der Bundesländer war die Stichprobe dieser Schülerschaft nicht groß genug. Die Entwicklung der Kompetenzzuwächse von Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in Klassen mit Gemeinsamem Unterricht wird in den Bildungstrends 2011 und 2016 nicht in den Blick genommen. Auch dafür fehlte es hier an einer entsprechenden Datengrundlage. Frage 3: Welche Hauptursachen liegen für die Abnahme der Bildungsqualität im Land Sachsen-Anhalt unter den Grundschülern der vierten Klassen, insbesondere in den Bereichen „Zuhören“ und „Orthografie“ vor? Antwort: Beim Bildungstrend 2016 handelt sich nicht um eine Längsschnittstudie, d. h. keine Untersuchung der Kompetenzentwicklung gleicher Probanden über verschiedene Zeitpunkte hinweg. Vielmehr liegt mit den beiden Berichten eine Querschnittsunter- 4 suchung vor - d. h. ein Vergleich von Schülerkohorten, die zum Untersuchungszeitpunkt 2011 und 2016 die Jahrgangsstufe 4 besuchten. Es sind keine kausalen Ursache -Wirkungs-Analysen möglich, sondern lediglich Trendaussagen generierbar zu Verteilungen der jeweiligen Schülerkohorte auf die Kompetenzstufen und damit zu ergebnisbezogenen Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Frage 4: Als Teil-Erklärung der frustrierenden Ergebnisse wird die ansteigende Zunahme von Heterogenität, verursacht durch den gestiegenen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, in den Klassen angeführt. Stellt die Landesregierung ebenfalls eine kausale „Gefahr“ für die Qualität des Unterrichts durch die steigende Schülerzahl mit Zuwanderungshintergrund fest? Antwort: Durch Zuwanderungen ist die Schülerschaft in den deutschen Schulen seit dem ersten Bildungstrend insgesamt heterogener geworden. In den Grund- und Förderschulen Sachsen-Anhalts liegt der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund jedoch sehr deutlich unter dem bundesdeutschen Schnitt: 2011 lag er bei 6 % gegenüber 25 % bundesweit; 2016 betrug er 10 % gegenüber 34 % bundesweit und macht damit nach Steigerung um 5 % nach wie vor eine Minderheit an den sachsen-anhaltischen Grund- und Förderschulen aus. Der Zuwanderungshintergrund der Schülerinnen und Schülern wird im Bildungstrend 2016 ebenso wie bereits 2011 neben dem Geschlecht, der sozialen Herkunft sowie dem sonderpädagogischen Förderbedarf lediglich als unabhängiges Merkmal herangezogen , um Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Kompetenzstände und der schulischen Motivation von Schülerinnen und Schülern zu beschreiben. Ursachenprüfende und -gewichtende Verfahren kommen nicht zum Tragen. Es werden keine Aussagen zu Kausalitäten getroffen. Der Bildungstrend 2016 bietet damit keine Ansatzpunkte für das Feststellen einer kausalen „Gefahr“ der zunehmenden zuwanderungsbedingten Heterogenität für die Unterrichtsqualität. Frage 5: Wie wird sich die Landesregierung bei der Kultusministerkonferenz positionieren , um den gegenwärtigen Abwärtstrend der Bildungsqualität im Land Sachsen -Anhalt oder sogar bundesweit entgegenzuwirken? Antwort: Eine Positionierung der Landesregierung bei der Kultusministerkonferenz zu den Ergebnissen des IQB-Bildungstrends 2016 ist nicht vorgesehen und nicht erforderlich. Die Länder werden im Rahmen ihrer Bildungshoheit und vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Rahmenbedingungen ihre Ergebnisse differenziert analysieren und bewerten . Hiervon bleibt ein Austausch in der Kultusministerkonferenz über die Ergebnisse , mögliche Erklärungsansätze für die Ergebnisse und bildungspolitischen Handlungsbedarf unbenommen.