Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/216 08.08.2016 (Ausgegeben am 08.08.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Zentrale Informationsstelle für extremistische Musik Kleine Anfrage - KA 7/95 Vorbemerkung der Fragestellenden: Aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung des Abgeordneten Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in der Drs. 6/8151 geht hervor, dass die „Zentrale Informationsstelle für extremistische Musik“ beim Landeskriminalamt zum Zeitpunkt der Antwort - im Januar 2014 - gerade im Aufbau begriffen war. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personalstellen umfasst die Zentrale Informationsstelle derzeit? Die zentrale Informationsstelle für extremistische Musik im Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt (LKA) ist mit zwei Dienstposten ausgestattet. 2. Seit wann und in welchem Umfang sind diese Stellen besetzt? Die Dienstposten wurden am 14. Juli 2014 und am 1. März 2016 besetzt. 3. Über welche Qualifikationen verfügen die dort eingesetzten Mitarbeiter /innen? Wie erfolgt die Auswahl sowie die Aus- und Fortbildung? Welches sind die konkreten Arbeitsgegenstände der Mitarbeiter/innen? Beide Mitarbeiter sind Polizeivollzugsbeamte und haben sich über spezielle Lehrgänge für die Arbeit qualifiziert. 2 Ein Dienstposten wurde innerhalb des LKA ausgeschrieben. Hierauf bewarb sich eine Mitarbeiterin des LKA, der aufgrund entsprechender Eignung und Befähigung der Dienstposten übertragen wurde. Der zweite Dienstposten wurde im Zuge eines landesweiten Auswahlverfahrens mit insgesamt 15 Bewerbern zum 1. März 2016 nach dem Prinzip der Bestenauslese besetzt. Die Mitarbeiter nehmen im Einklang mit den dienstlichen Erfordernissen am fachspezifischen Fortbildungsprogramm der Länder sowie des Bundes teil. Darüber hinaus eignen sich die Mitarbeiter, verbunden mit einem hohen Maß an Eigeninitiative, selbständig Wissen, insbesondere zu neuen Musikrichtungen, neuen Vertriebs- und Kommunikationswegen, neuen Methoden der Werbung und Verbreitung extremistischer Musik, an. Den Mitarbeitern stehen die erforderlichen Arbeitsmittel, beispielsweise DJ-Pult, Plattenspieler, Blu-Ray-Player, zur Verfügung. 4. Sind Mitarbeiter/innen der zentralen Informationsstelle bei Konzerten selbst präsent und auf welcher Grundlage werden Einschätzungen zu Musikern, Darbietungen, einzelnen Konzerten erstellt? Je nach Umfang der Veranstaltung und möglichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit unterstützen ein bzw. beide Mitarbeiter auf Anforderung den polizeilichen Einsatz vor Ort. Im ersten Halbjahr 2016 kam es zu fünf Vor-Ort-Einsätzen . In erster Linie werden Musiker anhand der verwendeten Liedtexte von den Verfassungsschutzbehörden als extremistisch eingestuft. Bei Prüfungsanfragen von den jeweils zuständigen Sicherheitsbehörden handelt es sich jedoch auch häufig um bislang noch nicht als extremistisch eingestufte Musikgruppen/Liedermacher und deren öffentliche Darbietungen sowie um noch nicht bewertete Titel, die auf öffentlichen Veranstaltungen dargeboten oder von Tonträgern abgespielt werden. Bei der Prüfung durch die Mitarbeiter der zentralen Informationsstelle ist der dargebotene bzw. avisierte Liedtext für eine Einschätzung als rechts- bzw. linksorientiert vordergründig. Darüber hinaus ist es für die Bewertung insbesondere von Bedeutung, wenn z. B. - einzelne Mitglieder der jeweiligen Musikgruppe bzw. der Liedermacher Straftäter im Bereich der politisch motivierten Kriminalität sind, - einzelne Mitglieder der jeweiligen Musikgruppe bzw. der Liedermacher Mitglied in weiteren bereits als extremistisch eingestuften Musikgruppen sind, - die jeweilige Musikgruppe bzw. der Liedermacher gemeinsam mit anderen extremistischen Musikern auftritt bzw. auftrat und/oder gemeinsame Tonträger veröffentlicht hat, - die jeweilige Musikgruppe bzw. der Liedermacher bei von extremistischen Gruppierungen organisierten Veranstaltungen auftritt oder auftrat, 3 - die Selbstdarstellung der Musikgruppe bzw. des Liedermachers in öffentlich zugänglichen Quellen den Anschein einer extremistischen Ausrichtung erweckt , - von der jeweiligen Musikgruppe bzw. dem Liedermacher bereits Tonträger bzw. einzelne Liedtitel als strafrechtlich relevant bewertet und/oder von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert wurden, - die Bewertung der Liedtexte der jeweiligen Musikgruppe bzw. des Liedermachers zu dem Ergebnis führt, dass ein Strafverfahren eingeleitet und/oder der Tonträger zur Indizierung angeregt wird. 5. Seit welchem Zeitpunkt arbeitet die zentrale Informationsstelle und welche bisherigen Ergebnisse liegen der Landesregierung aufgrund ihrer Tätigkeit vor? Die zentrale Informationsstelle für extremistische Musik ist seit dem 14. Juli 2014 tätig. Die Hauptaufgabe ist die Musikbewertung bei Live - Auftritten von Musikgruppen/Liedermachern im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen sowie beim öffentlichen Abspielen von Musiktonträgern. Die zentrale Informationsstelle für extremistische Musik wurde im ersten Halbjahr 2016 bei insgesamt 23 Veranstaltungen (15 Versammlungen, 8 Konzerte) für die jeweils örtlich zuständigen Polizeidienststellen und Versammlungsbehörden tätig. Insgesamt wurden dabei ca. 500 Musiktitel bewertet, von denen 35 zu beanstanden waren. Durch enges Zusammenwirken mit den jeweiligen Sicherheits- und Versammlungsbehörden wurde das Abspielen dieser Musiktitel untersagt. Bei einem der Vor-Ort-Einsätze stellten die Mitarbeiter der zentralen Informationsstelle einen Verstoß gegen eine behördliche Verfügung fest, was eine Ordnungswidrigkeitenanzeige gegen den Veranstalter zur Folge hatte. Darüber hinaus wertet die zentrale Informationsstelle auch Tonträger aus. Im Ergebnis dieser Auswertungen wurden bislang vier Tonträger mit strafrechtlich relevanten und schwer jugendgefährdenden Inhalten der Staatsanwaltschaft vorgelegt, die ihrerseits Ermittlungsverfahren u. a. wegen Volksverhetzung gemäß § 130 StGB und wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB einleitete. Des Weiteren regten die Mitarbeiter im ersten Halbjahr 2016 bereits zwanzig Tonträger bei der BPjM zur Indizierung an. Nach derzeitigem Stand sind davon vier Tonträger indiziert und auf die Liste der jugendgefährdenden Medien gesetzt worden. Bei zwei Tonträgern wurde die Indizierung durch die BPjM abgelehnt , bei allen anderen Anregungen ist die Entscheidung derzeit noch offen. Darüber hinaus erwirkten die Mitarbeiter über die Landesmedienanstalt Sachsen -Anhalt, dass ein Telemedium (Internetangebot) wegen Jugendgefährdung aus dem Internet entfernt wurde. Die Mitarbeiter werden ebenso ermittlungsunterstützend tätig. In einem Ermittlungsverfahren bezüglich eines Internetradios bewerteten sie ca. 1.200 Musiktitel , von denen 86 Titel strafrechtliche Relevanz aufwiesen. 4 6. Wie gestaltet sich die Informationsweitergabe der zentralen Informationsstelle ? Wer bekommt von der Zentralstelle Informationen? Informiert die zentrale Informationsstelle selbsttätig beispielsweise Versammlungsbehörden oder Polizeidienststellen über aktuelle Erkenntnisse oder müssen diese Informationen jeweils abgerufen werden? Zwischen der zentralen Informationsstelle für extremistische Musik und den Polizeibehörden findet ein ständiger Informationsaustausch statt. Dabei werden die Mitarbeiter sowohl auf Anfrage als auch in Eigeninitiative tätig. Die Informationen werden gesammelt, ausgewertet, aufbereitet und den betreffenden Polizeidienststellen landes- und bundesweit sowie auch der Verfassungsschutzbehörde gemäß § 17 VerfSchG-LSA zur Verfügung gestellt. Bei kurzfristig angemeldeten Versammlungen/Veranstaltungen werden insbesondere Musiktitelprüfungen direkt von der Versammlungs- oder Sicherheitsbehörde angefragt und dann auch direkt, unter Beteiligung der jeweiligen Polizeibehörde, beantwortet. 7. Wie ist der Stand der Entwicklung der angekündigten App, die der Identifizierung von Musiktiteln dienen soll? Inwieweit wird diese App bereits in Sachsen-Anhalt angewendet bzw. ist eine Anwendung nach wie vor geplant ? Falls ja: ab wann? In Sachsen-Anhalt wird nicht an der Entwicklung einer solchen App gearbeitet. Bisher ist die Vor-Ort-Prüfung die einzige Methode zur Identifizierung von Musiktiteln . Verbesserte Nutzungsmöglichkeiten technischer Mittel - auch Apps - unterliegen einem ständigen Prüfprozess.