Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/217 08.08.2016 (Ausgegeben am 08.08.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Zur zwangsweisen Rückführung (Abschiebung) von Personen ausländischer Herkunft und zur Situation der Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 Kleine Anfrage - KA 7/96 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen ausländischer Herkunft wurden im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 aus Sachsen-Anhalt zwangsweise auf welche Art und Weise a) in welches Land zurückgeführt bzw. b) in einen anderen - für das Asylverfahren zuständigen - EU-Staat überstellt ? Die erfragten Angaben können nachstehenden Aufstellungen entnommen werden . 2 Zu Frage 1a - Rückführungen in das Herkunftsland Rückführungen in das Herkunftsland erfolgten fast ausschließlich auf dem Luftweg. Lediglich die drei Rückführungen nach Polen wurden auf dem Landweg vollzogen. Zielland 2015 1. Halbjahr 2016 Albanien 233 146 Benin 3 - Bosnien 63 11 Burkina Faso 2 - China 2 1 Gambia - 2 Guinea 1 1 Guinea-Bissau 2 - Indien 1 2 Israel 1 - Kosovo 176 102 Mali 2 - Marokko 1 - Mazedonien 26 52 Mexiko - 1 Republik Moldau 1 - Namibia - 2 Nigeria 3 - Polen - 3 Rumänien 1 1 Russische Föderation 9 14 Serbien 164 50 Thailand - 1 Türkei 3 1 Ukraine 1 2 Vietnam 2 3 Weißrussland 1 - gesamt 698 395 3 Zu Frage 1b - Rücküberstellungen in einen anderen EU-Staat Rücküberstellungen erfolgten überwiegend auf dem Luftweg. Lediglich Rücküberstellungen nach Belgien, in die Niederlande sowie nach Polen wurden teilweise auf dem Landweg vollzogen. Zielland 2015 1. Halbjahr 2016 Belgien 29 7 Bulgarien 4 6 Dänemark 2 1 Frankreich 29 9 Italien 87 70 Luxemburg - 1 Malta 1 - Niederlande 5 7 Norwegen 2 - Österreich 14 12 Polen 61 29 Portugal 7 - Schweden 2 5 Schweiz 6 2 Spanien 30 9 Tschechien 2 - Ungarn 18 9 gesamt 299 167 2. Wie viele Personen ausländischer Herkunft sind im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 aus Sachsen-Anhalt nach Androhung der Abschiebung - aber noch im Rahmen der Frist der freiwilligen Ausreise - a) in welche Länder zurückgekehrt bzw. b) in einen anderen - für das Asylverfahren zuständigen - EU-Staat ausgereist ? Im Jahr 2015 wurden von den Ausländerbehörden 2.252 freiwillige Ausreisen registriert. Im ersten Halbjahr 2016 beläuft sich die Zahl auf 1.170 Fälle. Inwieweit die freiwillige Ausreise tatsächlich in der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Abschiebungsandrohung festgesetzten Frist erfolgte , wird statistisch nicht erfasst. Ebenso wird eine einzelfallbezogene Statistik über die Zielländer nicht geführt. 4 Freiwillige Ausreisen in einen anderen - für das Asylverfahren zuständigen - Mitgliedstaat der Europäischen Union sind nur für das Jahr 2015 in fünf Fällen bekannt. Für das erste Halbjahr 2016 liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 3. Falls die Beantwortung der Frage 2 aufgrund fehlender statistischer Erfassungen nicht möglich sein sollte: Welche statistischen Angaben zu den in Frage 2 beschriebenen Personenkreisen liegen der Landesregierung vor? Hinsichtlich der Zielländer freiwilliger Ausreisen können Rückschlüsse aus der Statistik der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zu Bewilligungen im Rahmen des Bund-Länder-Rückkehrförderprogramms „Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme“ (REAG/GARP) gezogen werden. Demnach waren Hauptzielländer im Jahr 2015 die Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien- Herzegowina, Kosovo, Mazedonien und Serbien. Im ersten Halbjahr 2016 handelte es sich um Albanien, Kosovo, Iran, Serbien und Afghanistan. Zu beachten ist, dass Bewilligungen nicht gleichzusetzen sind mit tatsächlichen Ausreisen. 4. Wie viele Personen aus Sachsen-Anhalt befanden sich im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 in Abschiebungshaft in einem anderen Bundesland ? Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Abschiebegrund, Ort der Abschiebungshaft und Altersgruppen (bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre, 18 Jahre und älter) aufführen. Bei Personen unter 18 Jahren bitte zusätzlich eine Aufschlüsselung nach den Kriterien - unbegleiteter Flüchtling, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Haftdauer und Haftgrund - vornehmen. Aus dem Zuständigkeitsbereich sachsen-anhaltischer Ausländerbehörden befanden sich im Jahr 2015 insgesamt 61 und im 1. Halbjahr 2016 insgesamt 21 Personen in Abschiebungshaft in einem anderen Bundesland. Es handelte sich ausschließlich um Personen, die zumindest das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Die gerichtliche Anordnung der Haft erfolgte, da die Betroffenen sich bereits aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entzogen hatten und mildere Mittel zur Sicherung der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht (z. B. Sicherheitsleistung , Meldeauflagen) nicht ausreichend waren. Die Haftorte können der folgenden Aufstellung entnommen werden. 2015 Haftort Personenzahl Berlin 49 Eisenhüttenstadt 7 Hannover 2 München 1 Ingelheim 2 5 1. Halbjahr 2016 Haftort Personenzahl Bremen 1 Eisenhüttenstadt 17 Büren 2 Mühlhausen 1 5. Wie viele Personen befanden sich im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 in Abschiebungshaft, a) weil sie nach Stellen eines Asylantrages in einen anderen, für das Asylverfahren zuständigen EU-Staat überstellt werden? b) nachdem sie durch die Ablehnung ihres Asylantrages vollziehbar ausreisepflichtig wurden? c) nachdem sie aufgrund des Erlasses einer Ausweisungsverfügung vollziehbar ausreisepflichtig wurden? Im Jahr 2015 befanden sich 45 und im 1. Halbjahr 2016 17 Personen in Abschiebungshaft , weil sie nach dem Stellen ihres Asylantrages in einen anderen, für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union überstellt werden sollten. Bei allen Personen bestand vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund der Ablehnung des Asylantrages. 6. Wie lange befanden sich im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 Personen aus Sachsen-Anhalt in Abschiebungshaft? Die Personen befanden sich zwischen drei Tagen und längstens einem Monat in Abschiebungshaft. 7. In wie vielen Fällen ging einer Abschiebung im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 eine angeordnete Abschiebehaft voraus und in wie vielen Fällen erfolgte eine Abschiebung ohne vorausgegangene Abschiebehaft? Die Angaben können der folgenden Aufstellung entnommen werden. Jahr Abschiebungen nach Abschiebungshaft Abschiebungen ohne Abschiebungshaft 2015 51 946 1. Halbjahr 2016 18 544 8. In wie vielen Fällen im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 wurden Personen , die in Abschiebungshaft genommen wurden, aus der Haft entlassen , ohne die Ausreise zu vollziehen? In wie vielen dieser Fälle erfolgte die Entscheidung aufgrund einer Gerichtsentscheidung? Welche weiteren Gründe gab es für eine Haftentlassung? 6 Im Jahr 2015 wurden zehn Personen aus der Haft entlassen, ohne dass eine Abschiebung vollzogen wurde. In zwei Fällen erfolgte die Entlassung aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Im 1. Halbjahr 2016 wurden drei Personen aus der Haft entlassen, ohne dass eine Abschiebung vollzogen wurde. In einem Fall erfolgte die Entlassung aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Darüber hinaus erfolgte die Entlassung wegen Ablehnung des Rücküberstellungstermins durch den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. Ablauf der Rücküberstellungsfrist im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin II- bzw. Dublin III-Verordnung , Stellung eines Asylfolgeantrages sowie aus gesundheitlichen Gründen . 9. Wie sind Sammelabschiebungen in Sachsen-Anhalt und gemeinsame Abschiebungen mit anderen Bundesländern organisiert? Welche Stelle entscheidet über Terminierung, Betroffenenkreis, Anerkennung von Abschiebungshindernissen , Anwendung von Zwangsmitteln und Vorgehen bei Sammelabschiebungen? Abschiebungen mittels Sammelcharter folgen grundsätzlich dem gleichen Prozedere wie Abschiebungen im Einzelfall. Die Ausländerbehörden beauftragen im Falle der vollziehbaren Ausreisepflicht die Zentrale Abschiebungsstelle des Landes mit der Vorbereitung und Organisation der Maßnahme. Dazu zählen insbesondere die Beschaffung von Reisedokumenten, die Umsetzung der Anforderungen ggf. vorhandener Rückübernahmeabkommen sowie die Planung und Buchung der Reisemöglichkeit. Aufgrund der hohen Anzahl an Ausreisepflichtigen aus den Westbalkanstaaten bietet sich derzeit anstelle der Nutzung von Linienflügen das Chartern kompletter Flugzeuge für Rückführungen in diese Herkunftsstaaten an. In Sachsen-Anhalt erfolgt dies über das Ministerium für Inneres und Sport, welches das Bundespolizeipräsidium Koblenz um Amtshilfe bittet. Durch die Bundespolizei erfolgt dann neben der Flugzeugbeschaffung auch die Absicherung und Begleitung der Rückführung vom Start- bis zum Zielflughafen . Die Terminierung erfolgt in Absprache mit der Bundespolizei und sich ggf. beteiligenden Ländern und ist abhängig von der Anzahl zur Verfügung stehender Ausreisepflichtiger. Über die Anwendung unmittelbaren Zwangs entscheiden beim Transfer vom Wohnort zum Flughafen die Landespolizeikräfte. Nach Übergabe der Ausreisepflichtigen am Startflughafen übernehmen die Bundespolizeikräfte die Verantwortung. 10. Trifft es zu, dass in Sachsen-Anhalt lebende Personen aus Afghanistan, die sich im Status der Duldung befinden, im Jahr 2016 vermehrt zur freiwilligen Ausreise aufgefordert werden bzw. eine baldige Abschiebung angedroht wird? Wenn ja: Wie viele Personen sind im ersten Halbjahr 2016 durch wen zur freiwilligen Ausreise aufgefordert worden? Wie viele Personen sind der Aufforderung nachgekommen? Und wie viele Personen sind abgeschoben worden? Grundsätzlich wird unabhängig vom Herkunftsstaat nach Ablehnung des Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung angedroht und zur freiwilligen Ausreise aufgefordert. Da der freiwilligen Rück- 7 kehr Vorrang vor zwangsweisen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen einzuräumen ist, finden anschließend in den Ausländerbehörden regelmäßig Beratungsgespräche statt. Eine Fallzahlenerfassung erfolgt insoweit nicht. Im Rahmen des unter Frage 3 bereits angeführten Programms der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurde im ersten Halbjahr 2016 in 59 Fällen die Förderung der freiwilligen Ausreise nach Afghanistan bewilligt. Wie viele Personen tatsächlich freiwillig ausgereist sind, ist nicht bekannt. Abschiebungen nach Afghanistan fanden nicht statt.