Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2275 03.01.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 03.01.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Marcus Spiegelberg (AfD) Organspende in Sachsen-Anhalt reformieren! Kleine Anfrage - KA 7/1284 Vorbemerkung des Fragestellenden: Deutschland liegt im Vergleich zu anderen Ländern bei der Anzahl der Organspender weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen und es gibt auch leider keine Anzeichen dafür, dass sich dies zeitnah von selbst ändert. Gleichzeitig bleibt die Zahl derjenigen weiter hoch, die dringend auf ein Spenderorgan warten, sodass die Gesellschaft verpflichtet ist, neue Konzepte zur Förderung der Bereitschaft zur Organspende zu schaffen. Leider zeigt sich in den letzten Jahren, dass trotz massiver und lobenswerter Werbung für dieses Thema, keine signifikanten Verbesserungen festzustellen sind. Ein Hauptproblem ist nicht selten Desinteresse, aber auch Scheu. Da sich viele ungern mit dem eigenen Tod und „den Dingen danach“ - besonders bei einer eigenen guten Gesundheit - beschäftigen, wird das Thema Organspende nicht selten immer weiter verschoben bzw. gänzlich gemieden. Das Resultat ist der Verlust lebensrettender Organe und Gewebe. Im Hinblick auf dieses „Bequemlichkeitsproblem“ und auf die bestehende soziale Verantwortung aller, müssen dringend neue Konzepte abseits der reinen „Bewerbung “ gefunden werden. Hierbei sollten wir uns die erfolgreiche Herangehensweise eines anderen deutschen Staates ansehen und uns als Vorbild nehmen: die von Österreich ! In Österreich gilt die sogenannte Widerspruchslösung, bei der ein Organ, ein Organteil oder Gewebe dann entnommen werden darf, wenn der Betroffene zu Lebzeiten keinen Widerspruch eingelegt hat. Sämtliche Transplantationszentren in der deutschen Alpenrepublik sind hierbei verpflichtet, vor einer Organentnahme das Vorliegen eines Widerspruches im Widerspruchsregister gründlich zu prüfen, womit eine ungewollte Entnahme verhindert wird. - Kurz: Es ist ein besseres und gleichzeitig gut kontrolliertes Verfahren, mit dem die Anzahl der Organspender in Österreich deutlich höher als in Deutschland liegt. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration 1. Wie viele Einwohner von Sachsen-Anhalt sind als Organspender registriert bzw. wie viele sind schätzungsweise im Besitz eines Organspendeausweises ? In welchen Altersklassen sind diese potentiellen Organspender ? Bitte nach Kreisen aufschlüsseln. In Deutschland gibt es keine Registrierungspflicht für Personen, die sich für eine Organspende bereit erklären. Insofern liegen der Landesregierung keine Informationen für Sachsen-Anhalt vor. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt regelmäßig repräsentative Befragungen der Bevölkerung über die Einstellung zur Organspende und zum Besitz eines Organspendeausweises durch. Die letzte Befragung stammt aus dem Jahr 2016. Die Ergebnisse sind auf der Website der BZgA unter folgendem Link zu finden: https://www.organspende-info.de/infothek/studien 2. Wie hat sich die Zahl der potentiellen Organspender in Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 1990 geändert? Der Landesregierung liegen dazu keine Informationen vor. Es kann lediglich die Entwicklung der organspendebezogenen Kontakte aus den Krankenhäusern in Sachsen-Anhalt aufgezeigt werden. Die Daten für die Patientinnen und Patienten, die möglicherweise für eine Organspende in Frage kommen und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) gemeldet werden, liegen ab dem Jahr 2007 vor und sind der beigefügten Anlage 1 zu entnehmen. 3. Wie viele Organtransplantationen wurden seit dem Jahr 1990 in Sachsen- Anhalt durchgeführt? Wie viele Personen brauchten dem gegenüber seit dem Jahr 1990 eine Organspende? Bitte nach Jahr, Kreis und Alter aufschlüsseln . Die Angaben sind der beigefügten Anlage 2 zu entnehmen. Eine durchgehende Darstellung der Zahlen ist aufgrund der Vergleichbarkeit in der Erfassung erst ab dem Jahr 2007 möglich. Die Warteliste bezieht sich auf die Transplantationszentren , nicht auf den Wohnsitz der Patientin/des Patienten. Die Transplantationen sind dagegen nach dem Wohnsitz der Empfangenden aufgeschlüsselt. 4. Wie viele Personen verstarben seit dem Jahr 1990 in Sachsen-Anhalt jährlich aufgrund zu weniger Spenderorgane? Bitte nach Kreisen, Altersgruppe und Geschlecht angeben. Die Angaben sind der beigefügten Anlage 3 zu entnehmen. Die Darstellung der Verstorbenen auf der Warteliste bezieht sich auf die Transplantationszentren, in denen die Registrierung erfolgt. Es gibt keinen Hinweis auf den Wohnort/Landkreis der Verstorbenen. 3 5. Wie bewertet die Landesregierung das österreichische Model, die sogenannte „Widerspruchslösung“? Die Erfahrung zeigt, dass sich die Menschen nur selten aktiv mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Die Widerspruchsregelung profitiert von dieser Passivität der Menschen. Allerdings gibt es bislang keinen Nachweis, dass eine derartige Lösung dauerhaft zu einer Änderung der Spenderzahlen führt. 6. Würde die Landesregierung die gesetzliche Einführung des österreichischen Modells unterstützen? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? Bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Transplantationsgesetz im Jahr 2011 setzte sich das Land Sachsen-Anhalt im federführenden Fachausschuss des Bundesrates für eine Widerspruchslösung ein. Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit. Darüber hinaus hatte der Bundesrat in seiner Stellungname vom 23.09.2011 zum Gesetzentwurf beschlossen (s. BR-Drs. 457/11), die Bundesregierung zu bitten, „im weiteren Gesetzgebungsverfahren die derzeit geltende erweiterte Zustimmungslösung in eine Erklärungslösung umzuwandeln, die die Bürgerinnen und Bürger in einem geregelten Verfahren über die Organspende informiert und zu einer persönlichen Erklärung auffordert, ob sie einer Organspende zustimmen , nicht zustimmen oder sich nicht erklären möchten“. Die Umwandlung ist zwar nicht erfolgt, gleichwohl hatte sich auch die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung dafür ausgesprochen, dass Maßnahmen getroffen werden sollen , wonach sich mehr Menschen mit dem Thema der Organspende aktiv auseinandersetzen . Derzeit wird eine weitere Initiative als wenig erfolgversprechend angesehen. 7. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Einführung des österreichischen Verfahrens in Sachsen-Anhalt bzw. in Deutschland (über den Bundesrat) zu fördern und umzusetzen? Die Landesregierung plant keine derartigen Aktivitäten. Anlagen 1 - 3 zu KA 7/1284 Anlage 1: 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Organspendebezogene Kontakte 98 119 105 79 98 91 84 85 101 106 davon Zustimmung 57 57 53 38 45 39 35 33 45 40 Ablehnung 29 41 37 27 37 38 36 27 37 39 12 21 15 14 16 14 13 25 19 27 Entscheidung zur Organspende schriftlicher Wille des Verstorbenen 1 3 5 2 4 2 5 3 6 8 mündlicher Wille des Verstorbenen 12 20 20 19 24 20 25 18 20 23 mutmaßlicher Wille des Verstorbenen 59 50 35 25 35 30 18 21 33 33 14 25 30 19 19 25 23 18 23 15 Schriftliche Willensentscheidung zur Organspende Patientenverfügung 1 1 2 2 1 4 1 2 4 Spenderausweis 2 3 2 2 1 1 2 4 4 Organspendebezogene Kontakte mit Spenderausweis 16-55 Jahre 1 1 2 1 1 1 1 3 56-64 Jahre 1 1 ≥ 65 Jahre 1 2 2 1 2 Anmerkung: Organspendebezogene Kontakte Ein organspendebezogener Kontakt beschreibt die Unterstützungsarbeit der DSO, angefangen bei der allgemeinen Beratung bis zur eigentlichen Organspende. Die Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt melden der DSO die Patienten, die für eine Organspende in Frage kommen könnten, unabhängig davon, ob ein Organspendeausweis vorhanden ist oder nicht. Die Patienten müssen nicht in Sachsen-Anhalt wohnen. Zur Patientenherkunft (Landkreis) können keine Angaben gemacht werden. Entscheidung zur Organspende Entscheidung der Angehörigen nach eigenen Wertvorstellungen keine Entscheidung zur Organspende DSO, Stabsstelle Statistik Anlagen 1 - 3 zu KA 7/1284 Anlage 2: In Sachsen-Anhalt gibt es zwei Transplantations-Zentren: Magdeburg und Halle. Dort wird nur Leber und Niere sowie seit 2016 Pankreas transplantiert. Übertragene Organe* in den Transplantationszentren Halle und Magdeburg nach Alter des Empfängers 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 0-15 Jahre 16-55 Jahre 51 36 34 48 37 28 25 23 33 22 56-64 Jahre 23 12 17 13 28 19 17 22 20 13 ≥ 65 Jahre 26 24 16 13 13 10 12 11 15 7 Übertragene Organe gesamt 100 72 67 74 78 57 54 56 68 42 * Inklusive Transplantationen nach Lebendspende Keine Angabe zur Herkunft (Landkreis) der Empfänger möglich. Benötigte Organe der Patienten auf der aktiven* Warteliste von den Transplantationszentren Halle und Magdeburg per 31.12. des Jahres nach Alter 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 0-15 Jahre 16-55 Jahre 191 176 172 162 147 154 125 128 113 112 56-64 Jahre 77 69 66 79 82 89 72 68 74 58 ≥ 65 Jahre 13 19 14 15 11 17 26 19 15 15 Benötigte Organe gesamt 281 264 252 256 240 260 223 215 202 185 Keine Angabe zur Herkunft (Landkreis) der Patienten auf der Warteliste möglich. Benötigte Organe der Patienten auf der aktiven* Warteliste von den Transplantationszentren Halle und Magdeburg per 31.12. des Jahres nach Geschlecht 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 männlich 178 173 157 168 161 176 147 143 136 132 weiblich 103 91 95 88 79 84 76 72 66 53 Benötigte Organe gesamt 281 264 252 256 240 260 223 215 202 185 * Auf der aktiven Warteliste werden nur die Patienten geführt, die zum Stichtag transplantabel sind. Keine Angabe zur Herkunft (Landkreis) der Patienten auf der Warteliste möglich. DSO, Stabsstelle Statistik Anlagen 1 - 3 zu KA 7/1284 Daten von der Eurotransplant - Website Transplantationen nach postmortaler Organspende nach Wohnsitz des Empfängers, Quelle Eurotransplant Sachsen-Anhalt 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 kidney 80 95 85 77 80 54 53 43 52 47 heart 17 6 16 17 11 19 12 9 8 10 lung 17 11 9 7 6 13 11 6 11 9 liver 45 28 37 44 49 25 21 23 24 15 pancreas 3 9 4 6 2 2 5 1 4 2 Sachsen-Anhalt Any organ* 157 138 142 144 144 109 97 80 97 82 Transplantationen nach Lebendspende nach Wohnsitz des Empfängers, Quelle Eurotransplant Sachsen-Anhalt 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 kidney 21 16 14 17 28 21 21 14 16 18 heart 1 liver 2 2 3 1 3 Sachsen-Anhalt Any organ* 21 16 14 19 30 22 24 14 17 21 * "Any organ" meint die Anzahl der Transplantationen, z. B. die Transplantation von Niere-Pankreas wird als eins gezählt. Bei den Organen zählen Niere und Pankreas auch jeweils eins. Zu Altersklassen und Kreis nach Wohnort gibt es auf der Website von Eurotransplant keine Daten. statistics.eurotransplant.org : 2134P : 02.10.2017 : by region of residence of recipient, estimate based on postal code statistics.eurotransplant.org : 2132P : 13.09.2017 : by region of residence of recipient, estimate based on postal code Transplants (deceased donor) in Germany, by year, by region of residence, by organ Transplants (living donor) in Germany, by year, by region of residence, by organ DSO, Stabsstelle Statistik Anlagen 1 - 3 zu KA 7/1284 Patienten auf der Warteliste zur Transplantation nach Wohnort, Quelle Eurotransplant Sachsen-Anhalt 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 kidney 340 312 287 305 269 282 275 295 293 300 heart 21 20 29 44 43 51 39 32 27 33 lung 16 19 9 10 13 12 12 17 15 10 liver 104 103 111 129 120 113 86 83 76 51 pancreas 12 6 8 9 8 12 6 5 6 10 Sachsen-Anhalt Any organ* 478 451 430 481 443 455 410 428 409 394 * "Any organ" meint die Anzahl der Personen auf der Warteliste. Ist ein Patient sowohl für Pankreas als auch für Niere gelistet, dann wird er auf der Nieren- und der Pankreasliste geführt. Auf der aktiven Warteliste werden nur die Patienten geführt, die zum Stichtag transplantabel sind. Zu Altersklassen und Kreis nach Wohnort gibt es auf der Website von Eurotransplant keine Daten. Active waiting list (at year-end) in Germany, by year, by region of residence, by organ statistics.eurotransplant.org : 3042P : 02.01.2017 : active recipients only, estimate based on current residence postal code DSO, Stabsstelle Statistik Anlagen 1 - 3 zu KA 7/1284 Anlage 3: Verstorbene auf der Warteliste* von den Transplantationszentren Halle und Magdeburg nach Alter 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 0-15 Jahre 16-55 Jahre 8 8 5 11 7 5 3 6 6 9 56-64 Jahre 9 5 6 7 8 11 13 8 8 10 ≥ 65 Jahre 3 2 2 1 4 3 3 3 3 Verstorbene gesamt** 20 13 13 20 16 20 19 17 17 22 Verstorbene auf der Warteliste* von den Transplantationszentren Halle und Magdeburg nach Geschlecht 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 männlich 10 9 9 12 8 15 10 8 13 14 weiblich 10 4 4 8 8 5 9 9 4 8 Verstorbene gesamt** 20 13 13 20 16 20 19 17 17 22 * Bei den Verstorbenen auf der Warteliste handelt es sich um Personen, die sowohl als transplantabel (aktive Warteliste) wie auch als nicht transplantabel gelistet wurden. ** Mehrfachzählungen möglich, falls ein Patient für mehr als ein Organ angemeldet war. Keine Angabe zur Herkunft (Landkreis) der verstorbenen Patienten möglich. DSO, Stabsstelle Statistik