Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/231 10.08.2016 (Ausgegeben am 11.08.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dagmar Zoschke (DIE LINKE) Nutzung von Cannabis als Medikament in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/112 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration 1. Wie bewertet die Landesregierung den Kabinettsentwurf der Bundesregierung vom 4. Mai dieses Jahres zur besseren Nutzung von Cannabis als Medikament? Mit Artikel 4 des Gesetzentwurfes, der Änderung des SGB V, werden Bedingungen definiert, unter denen Cannabis zukünftig zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden kann. Die oder der Versicherte muss sich u. a. verpflichten, an einer Begleiterhebung zum Einsatz dieses Arzneimittels teilzunehmen. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung wird dann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den Richtlinien nach § 92 SGB V festlegen, in welchen medizinischen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Leistungen ab dem 1. August 2019 zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Sachsen-Anhalt hat die im Bundesratsverfahren (BR-Drs. 233/16) geäußerten Bedenken mitgetragen, nach denen die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, dass Ärztinnen und Ärzte nur sehr zögerlich Cannabisblüten, -Extrakt oder die entsprechenden Fertigarzneimittel verschreiben werden, wenn die Richtlinien des G-BA erst zum 1. August 2019 erlassen werden. Die Zielsetzung des Gesetzes könnte hierdurch, zumindest für einen gewissen Zeitraum, verfehlt werden und Patientinnen und Patienten veranlassen, weiterhin „andere“ Versorgungswege zu suchen, die weder legal noch sicher in medizinischer Hinsicht sind und ggf. zu Missbrauch und Abhängigkeit führen. Hinsichtlich der Begleiterhebung, für die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beauftragt werden soll, und der Übermittlung entspre- 2 chender Daten als Leistungsvoraussetzung ist nunmehr beabsichtigt, die behandelnden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zu verpflichten, die Daten an das BfArM in anonymisierter Form zu übermitteln, soweit die oder der Versicherte zustimmt. Weiterhin ist, nach Auffassung der Landesregierung, eine Standardisierung auf einen bestimmten Gehalt an einem bestimmten Inhaltsstoff anzustreben, um die gleichbleibende Qualität und Wirksamkeit auch von „Cannabis in Form von getrockneten Blüten“ sicherzustellen. Anderenfalls droht der Vertrieb/die Abgabe verschiedener Qualitäten mit unterschiedlicher Wirkung. Zudem ist die Standardisierung aus medizinischen Gründen geboten. Die im o. g. Bundesratsverfahren geäußerten Forderungen der Landesregierung tragen dem Landtagsbeschluss „Cannabis umfassend als Medizin nutzen“ vom 10. Dezember 2015 (LT-Drs. 6/4659) umfänglich Rechnung. 2. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich des Zeitplanes dieser Bundesgesetzgebung vor und plant sie die Implementierung dieses Gesetzes mit besonderen Maßnahmen auf Landesebene zu flankieren (z. B. Öffentlichkeitsarbeit, Gespräche mit zuständigen Akteuren und Akteurinnen)? Der Bundesrat nahm im ersten Durchgang am 17. Juni 2016 zu dem Gesetzentwurf zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften Stellung (BR-Drs. 233/16 (B)). Der Bundestag hat den Gesetzentwurf am 7. Juli 2016 in erster Lesung beraten. Die Landesregierung hat keine Erkenntnisse, wann der Bundestag seine Beratungen zu dem Gesetzentwurf abschließen wird. Die Landesregierung wird die anlässlich dieses Änderungsgesetzes etwaig erforderlichen und gebotenen Maßnahmen zu gegebener Zeit planen. 3. In wie vielen Fällen haben seit 2009 Personen aus Sachsen-Anhalt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG gestellt, um Cannabis als Medikament nutzen zu können? Bitte in Jahresscheiben darstellen. Nach Auskunft des BfArM -Bundesopiumstelle- haben 14 Einzelpersonen aus Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 2009 Anträge auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zur medizinischen Nutzung von Cannabis gestellt. Eine Aufschlüsselung nach Jahren erfolgte im Rahmen der Mitteilung durch das BfArM nicht. Die Darstellung in Jahresscheiben ist somit nicht möglich. 4. Wie hat das BfArM bezüglich dieser Anträge entschieden? Bitte unterscheiden nach: Bewilligung, Ablehnung, Patient/in verstorben, Zurückziehung des Antrages und Entscheid noch offen. Hinsichtlich der genannten 14 Anträge verhält es sich wie folgt: Das BfArM hat vier Anträge nach § 3 Abs. 2 BtMG positiv beschieden; drei Patienten /Patientinnen haben auf ihre Erlaubnis verzichtet. 3 Vier der Anträge wurden durch die Patienten/Patientinnen zurück genommen. Zwei weitere Anträge wurden abgelehnt. Vier der Anträge sind noch offen, da die vom BfArM nachgeforderten Unterlagen bisher nicht vorgelegt worden oder die Anträge erst in den letzten Wochen eingegangen sind. 5. Welcher Zeitraum lag jeweils zwischen der Beantragung und der Entscheidung ? Die nach § 8 BtMG maßgeblichen Fristen wurden beachtet. 6. Liegen der Landesregierung weitere Kenntnisse über den quantitativen wie qualitativen Umfang des Einsatzes von Cannabis als Arzneimittel in Sachsen-Anhalt vor? Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse über den weiteren Einsatz von Cannabis als Arzneimittel im Land Sachsen-Anhalt vor. Entweder können in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel, welche momentan schon am Markt verfügbar sind, über § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) z. B. aus dem Staat Israel oder Kanada importiert werden oder alternativ kann eine Rezeptursubstanz Einsatz finden, welche von der Apotheke verarbeitet wird. Für beide Wege gibt es keine Berichtspflichten an die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs zuständigen Landesbehörden.