Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2317 11.01.2018 (Ausgegeben am 11.01.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Verdacht der verdeckten Subvention durch erhöhte Sozialleistungen Kleine Anfrage - KA 7/1312 Vorbemerkung des Fragestellenden: Die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft (SWG) ist der größte Anbieter von Wohnraum in der Hansestadt Stendal. Die SWG hat mit dem kommerziellen Internet- und Telefonie-Versorger Primacom einen Exklusivvertrag zur Versorgung aller Wohneinheiten der SWG in Stendal. Die Mieter werden mietvertraglich auf die Versorgung durch Primacom verpflichtet. Weil die Kosten der Primacom über dem Regelsatz der Grundversorgung für ALG-II-Empfänger liegen, übernimmt das Jobcenter Stendal bei ALG-II-Empfängern, die Mieter der SWG sind, die Mehrkosten zwischen dem Regelsatz und den Mehrkosten der Primacom. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Vorbemerkung: Es ist zutreffend, dass die Kosten für die Nutzung des Multimediaanschlusses über die Firma Primacom in Höhe von 9,98 Euro monatlich Bestandteil des Standardmietvertrages der SWG sind. Die Kosten sind daher rechtlich und tatsächlich unmittelbar mit den Aufwendungen für die Unterkunft verknüpft und unterliegen nicht der Dispositionsfreiheit des Mieters. Bei vergleichbaren Sachverhalten hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass derartige Aufwendungen bei bestehender Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nicht dem Regelbedarf nach § 20 SGB II, sondern den Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zuzuordnen sind (z. B. für einen Kabelanschluss BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az.: B 4 AS 48/08 R, für eine Garage BSG, Urteil vom 7.11.2008, B 7b AS 10/06 R, wobei dort die Weitervermietung der Garage ebenfalls zu prüfen war). Übernehmen SGB II-Leistungsberechtigte die Kosten hin- 2 gegen freiwillig, etwa um einen besseren Standard zu erhalten, handelt es sich nicht um Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Übernahme durch das Jobcenter Stendal folgt im konkreten Sachverhalt mithin nicht aus dem Umstand, dass „…die Kosten der Primacom über dem Regelsatz der Grundversorgung für ALG II-Empfänger…“ liegen, sondern weil sie hier untrennbar mit der vertraglichen Nutzung der Unterkunft verbunden sind. Die Übernahme erfolgt nur, soweit die Kosten der Unterkunft insgesamt angemessen sind. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Einschränkung der Vertragsfreiheit von Mietern öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften hinsichtlich ihrer Strom- oder IT-Versorgung durch lokale Monopolisten? Es besteht seitens der Landesregierung weder irgendeine Form von Aufsicht über Wohnungsbaugesellschaften noch Kenntnis über deren privatrechtliche Tätigkeiten. Im Übrigen handelt es sich um zivilrechtliche Vertragsgestaltungen, für deren Beurteilung eine Zuständigkeit der Landesregierung nicht gegeben ist. 2. Wie bewertet die Landesregierung die faktische Subvention der Primacom mit öffentlichen Mitteln und die Ausschaltung des Wettbewerbs durch die oben beschriebene Praxis des Jobcenters Stendal? Ein Fall der (faktischen) Subvention liegt nicht vor. Die SWG verpflichtet ihre Mieter vertraglich zur Übernahme der Kosten für den Multimediaanschluss der Primacom. Nur ein Bruchteil der Mieter steht zugleich im SGB II-Leistungsbezug und erhält die (angemessenen) Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II als Sozialleistung vom Jobcenter erstattet. Eine Zuwendung o. ä. an den Vermieter oder die Primacom findet nicht statt. Der Vermieter oder die Primacom erhalten keine eigenen Ansprüche gegen das Jobcenter. Vielmehr sind die jeweiligen Beziehungen - das Vertragsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter auf der einen, das Sozialleistungsverhältnis zwischen SGB II-Leistungsberechtigten und Jobcenter auf der einen Seite - abstrakt voneinander zu betrachten. Bei einer anderen Bewertung würde jede Übernahme von Mietkosten als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II eine faktische Subvention bedeuten. 3. Ist der Landesregierung diese beschriebene Praxis auch aus anderen Kommunen bekannt? Falls ja, welchen? Ob vergleichbare Vertragsgestaltungen - wie bei der SWG - auch in anderen Kommunen des Landes vorliegen, ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Landesregierung geht gleichwohl davon aus, dass die Grundsätze, der in der Vorbemerkung dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung, in allen Jobcentern des Landes beachtet werden. 4. Ist dem Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt diese beschriebene Praxis bekannt? Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor.