Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/2323 16.01.2018 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 17.01.2018) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) Einschätzung zur Hafenstraße 7 in Halle (Soziokulturelles Zentrum HaSi) Kleine Anfrage - KA 7/1317 Vorbemerkung der Fragestellenden: Am 2. Dezember 2017 zitiert die Mitteldeutsche Zeitung Innenminister Stahlknecht mit den Worten: „Es ist ein ultralinkes Zentrum, das von linksextremistischen Gruppen unterstützt wird.“ In der Volksstimme vom 18. November 2017 bewertet der Innenminister das Projekt als „linksextremistische Keimzelle“ und fordert, die staatliche Unterstützung dafür zu stoppen. Er führte weiter aus, es würden dort „Pläne geschmiedet , wo man das nächste Trafohäuschen sprengen kann.“ Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Vorbemerkung: Der Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt sammelt Informationen insbesondere über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben. Mithin sind regelmäßig Personenzusammenschlüsse , d. h. Parteien, Vereine oder andere Gruppierungen, zu denen konkrete Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vorliegen, Gegenstand der Beobachtung. Deshalb werden auch Aktivitäten von Linksextremisten beobachtet. Bei dieser Beobachtung werden auch Informationen darüber erlangt, ob sich Mitglieder der linksextremistischen Szene im Objekt Hafenstraße 7 in Halle (Saale) aufhalten . 2 Der Landesregierung ist daher bekannt, dass linksextremistische Gruppierungen wie das „Offene Antifaplenum“, der „Rote Hilfe e. V.“ und die „Interventionistische Linke Halle“ das Objekt in der Hafenstraße 7 unterstützen. Zudem liegen Erkenntnisse darüber vor, dass in der Hafenstraße 7 auch dem Verfassungsschutz bekannte Linksextremisten verkehren. Das Engagement von Linksextremisten zielt auf die Abschaffung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung und damit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Linksextremisten streben die Errichtung eines sozialistischen beziehungsweise kommunistischen Systems oder einer herrschaftsfreien anarchistischen Gesellschaft an. Damit stellen sie eine Gefahr für die demokratische Gesellschaft dar. Zur Schaffung einer solchen herrschaftsfreien Gesellschaft bedienen sich Linksextremisten der sogenannten „Freiraumstrategie“. Das Thema „Freiräume“ spielt beim gewaltorientierten Linksextremismus eine herausragende Rolle. Dabei handelt es sich in der Regel um selbstverwaltete Zentren. Das sind zum Beispiel autonome Wohnprojekte, in denen vermeintlich herrschaftsfreie und selbstbestimmte Lebensformen praktiziert werden. Gleichzeitig wird das staatliche Gewaltmonopol negiert. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang ein ausgesprochen aggressives Verhalten gegenüber allen, die vermeintlich in diese Sphäre eindringen; z. B. im Jahr 2012 durch Werfen einer Betonplatte aus einem sogenannten Infoladen in Magdeburg. Dieses potenziell tödliche Wurfgeschoss hat einen vor dem Objekt befindlichen Polizeibeamten nur knapp verfehlt. Linksextremisten nutzen entsprechende Objekte ferner für ihre Abschottung nach außen, was insbesondere den Prozess von Radikalisierungen verstärken kann. Dies ist vor allem dann zu befürchten, wenn gewaltbereite Linksextremisten den Ton angeben, und wenn sie militante Aktionen planen und ausüben und gleichzeitig ein Umfeld aufbauen , das ihr Handeln rechtfertigt und unterstützt oder die Strafverfolgung erschwert. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Veranstaltungen mit dem Titel „Was tun wenn`s brennt?“ oder so genannte Informationsveranstaltungen zum Thema „Repression “, für die auf der Facebook-Seite des „HaSi“ geworben wurde. So hieß es auf einer Einladung zu einem „Workshop“ am 11. November 2017 im „HaSi“, „dass fachkundige Menschen … alle Fragen zum Umgang mit der Polizei, Verhalten bei Demonstrationen, Anquatschversuchen, Hausdurchsuchungen, Festnahmen beantworten “ (würden) und „wie man in brenzligen Situationen trotzdem einen kühlen Kopf bewahrt“. Dies sei ein „Muss für jede(n) politisch Aktive(n)“. Eine Informationsschrift zum Thema „Hausdurchsuchungen und Repression“ war ausgelegt worden. Diese endet mit den Worten „Ketten sprengen, Repression ins Leere laufen lassen“. Herausgeber ist die „Rote Hilfe Frankfurt“. Personen werden z. B. zu Hausbesetzungen ermutigt und informiert, wie sie mit den Konsequenzen umgehen können. Zudem werden Empfehlungen gegeben wie: „Denk an Handschuhe gegen Fingerabdrücke auf Gegenständen, die bei ihrem Fund mit Straftaten in Verbindung gebracht und darum beschlagnahmt werden könnten“. Derartige Informationsveranstaltungen betreffend, nimmt insbesondere der das Objekt Hafenstraße 7 unterstützende „Rote Hilfe e. V“ eine wichtige Stellung in der linksextremistischen Szene ein. Er organisiert unter anderem Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie „staatliche Repression“ und fordert 3 dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Auch wenn die Organisation selbst nicht gewalttätig agiert, stabilisiert sie das Spektrum der zu Straf- und Gewalttaten bereiten Linksextremisten. Die bei diesen Personen vom „Rote Hilfe e. V.“ geweckte Erwartung einer späteren Unterstützung eignet sich, das mit einer Strafandrohung einhergehende Abschreckungspotenzial zu verringern. Darüber hinaus wurde der Landesregierung ein Facebook-Eintrag der linksextremistischen Gruppierung „No Tears for Krauts“ (Halle (Saale)) mit einem Hinweis auf die Veranstaltung am 13. Juli 2017 im Objekt Hafenstraße 7 - „Vorschein des Schlechteren - zu den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg“ bekannt. 1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „linksextremistische Keimzelle “? 2. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „ultralinkes Zentrum“? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Die Landesregierung definiert diese Begriffe nicht. Die Darstellung beschreibt mit Blick auf Sicherheitsaspekte und das Wohl der Anwohner der Hafenstraße in Halle (Saale) die Sorge der Landesregierung hinsichtlich einer möglichen linksextremistischen Unterwanderung des Objekts Hafenstraße 7 in Halle (Saale). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 3. Welche Form der staatlichen Unterstützung erhält das HaSi? Der Verein „Capuze e. V.“ als Träger des „HaSi“ ist gemeinnützig anerkannt, womit Steuerbegünstigungen einhergehen. 4. Welche juristische Definition liegt in den Augen der Landesregierung dem Begriff Ort antistaatlicher Aktivitäten zugrunde? Keine. Im Übrigen wird auf die Antwort auf die Fragen 1 und 2 verwiesen. 5. Welche Belege führt der Innenminister für die Aussage an, dass in dem HaSi „Pläne geschmiedet werden, wo man das nächste Trafohäuschen sprengen kann“ und aus welchen Quellen wurden diese gewonnen? Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 6. Wie viele und welche Straftaten wurden im Jahr 2017 bis zum 1. Dezember 2017 in der Umgebung des HaSi festgestellt? Der Begriff „Umgebung“ ist nicht näher definiert. Die Landesregierung legt für die Beantwortung der Frage deshalb das Folgende zugrunde: Die Umgebung des Objekts Hafenstraße 7 in Halle (Saale) umfasst alle Hausnummern der Hafenstraße. Die Hafenstraße ist eine Anliegerstraße mit Mehrfamilienhäusern sowie Gewerbebetrieben und Kleingewerbe, touristischen Ange- 4 boten sowie Garten- bzw. Wochenendgrundstücken. Die Hafenstraße ist ca. 900 Meter lang und auf der Saline-Halbinsel zwischen Saale und Elisabethsaale gelegen. Im angefragten Zeitraum sind in der Umgebung des Objekts Hafenstraße 7 in Halle (Saale) 35 Straftaten registriert und dabei folgende Delikte erfasst worden: - Fahrlässige Körperverletzung, - Gefährliche Körperverletzung auf Straßen, Wegen oder Plätzen, - Diebstahl in/aus noch nicht bezogenen Neu- und Rohbauten, in/aus Baubuden , Baustellen, - Diebstahl von unbaren Zahlungsmitteln, - Einfacher Taschendiebstahl von unbaren Zahlungsmitteln, - Diebstahl (besonders schwerer Fall) in/aus noch nicht bezogenen Neu- und Rohbauten, Baustellen, - Diebstahl (besonders schwerer Fall) in/aus Dienst-/Büro-/Lagerräumen, - Diebstahl (besonders schwerer Fall) von Fahrrädern, - Diebstahl (besonders schwerer Fall) von Fahrrädern in/aus Boden/Kellerräumen , Waschküchen, - Diebstahl (besonders schwerer Fall) in/aus Boden/Kellerräumen, Waschküchen , - Sonstiger Diebstahl (besonders schwerer Fall), - Unterschlagung sonstiger Güter/Sachen (mit Ausnahme Kraftfahrzeuge), - Beleidigung, - Sachbeschädigung durch Graffiti, - Sonstige Sachbeschädigung an Kraftfahrzeugen, - Sonstige Sachbeschädigung, - Allgemeiner Verstoß mit Cannabis und Zubereitungen, - Straßenverkehrsgefährdung durch grobe Vorfahrtsmissachtung, - Kennzeichenmissbrauch, - Steuerhinterziehung. 7. Welche Erkenntnisse zu politischen Motiven für die jeweiligen Straftaten liegen vor? Bitte einzeln aufschlüsseln. Bei einer der 35 registrierten Straftaten handelt es sich um eine Beleidigung mit politischer Motivation zum Nachteil eines Besuchers einer Veranstaltung in der Hafenstraße 7 in Halle (Saale). 8. Wie viele Polizeieinsätze gab es im Jahr 2017 bis zum 1. Dezember 2017 im direkten Umfeld der HaSi, aus welchen Gründen und mit welchen Ergebnissen ? Bitte einzeln aufschlüsseln. Im betreffenden Zeitraum gab es sieben Einsätze im Umfeld des Objekts oder mit Bezug zum Objekt Hafenstraße 7 in Halle (Saale). Es handelt sich dabei um - zwei Einsätze im Zusammenhang mit dem Diebstahl je einer Geldbörse bei einer Veranstaltung im Objekt (Verfahren bei der Staatsanwaltschaft), - den Fund einer Geldbörse aus der o. a. Diebstahlshandlung (Übergabe an den Eigentümer), 5 - zwei Einsätze wegen unzulässigen Lärms, Rücksprache mit Veranstalter (Musik wurde jeweils abgestellt), - eine gefährliche Körperverletzung (Verfahren bei der Staatsanwaltschaft), - eine Beleidigung mit politischer Motivation (Vorgang bei der Staatsanwaltschaft ). 9. Trifft es zu, dass sich der Innenminister an den Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale) gewendet hat, um ihn zur Schließung des HaSi aufzufordern ? Wenn nicht: Trifft es zu, dass der Innenminister bezüglich der HaSi an den OB der Stadt Halle (Saale) geschrieben hat und welche Absicht hat er damit verbunden? Auf Wunsch des Oberbürgermeisters der Stadt Halle (Saale) wurde ihm die Einschätzung der Landesregierung das Objekt Hafenstraße 7 in Halle (Saale) betreffend übermittelt. 10. Welches konkrete Sicherheitsrisiko geht nach Einschätzung der Landesregierung von dem HaSi aus und welche Belege gibt es dafür? 11. Inwiefern sind die Aktivitäten im HaSi in Gänze als linksextrem einzuschätzen ? Die Fragen 10 und 11 werden zusammen beantwortet. Die Landesregierung sieht mit Sorge die Gefahr, dass das Objekt Hafenstraße 7 in Halle (Saale) von Linksextremisten unterwandert werden könnte. Häuser wie die „Rote Flora“ in Hamburg und die „Rigaer Straße“ in Berlin haben sich auch nicht plötzlich zu linksextremen Zentren entwickelt. Solche Strukturen wachsen langsam. Deshalb haben die Sicherheitsbehörden vom Objekt ausgehende Aktivitäten sowie das Objekt unterstützende linksextremistische Gruppierungen und dort verkehrende Linksextremisten im Blick, um möglichem verfassungsfeindlichen Agieren erfolgreich entgegentreten zu können. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.